Montag, 25. Februar 2013

Schaschlik, Popel und Grummelmodus

Die Nacht vor TAG 4 ist kurz. Der „Afrosiyob“ will erreicht werden. Der georderte Taxler will glatte 10.000, kriegt 7.000, im Zug (Talgo) gibt es ein Frühstück, wir holen zwei Stunden Schlaf nach, sehen (auch nebelbedingt) nichts, kommen pünktlich in Samerkand an und dort wartet er schon, der nächste Dekan.
Samarkand macht einen größeren Eindruck. Jedenfalls ist der Bahnhof ziemlich außerhalb. Ein Zentrum gibt es in Samerkand nicht wirklich. Es gibt die Altstadt, den sowjetischen Teil und die Touristenattraktionen. Wären die nicht, wär's trist. Aber zugegeben, es sind viele. Wir wohnen in der Altstadt: B&B Hotel Antica. Eine klamme Kammer aber nett. Abends fällt der Strom aus. Es kann aber auf gespeicherte Solarenergie umgeschaltet werden. Irgendwann n der Nacht geht das Licht dann wieder an. Das kommt regelmäßig vor hier. 3.500 Kilometer sind es übrigens von Tashkent bis Istanbul. Von Tashkent bis Samerkand sind es zwei Stunden mit dem schnellen Talgo und dreieinhalb Stunden mit dem normalen Zug.
Das Frühstück im Hotel Antica ist toll. Kürbisblinis, Omeletten, Maulbeer- und Feigenmarmelade und diese Weizenkeimschmiere deren Namen ich mir nicht gemerkt habe. Wir ziehen sogar unsere Schuhe aus und schlüpfen in bereitstehende Puschen, was bei dem Zustand der Altstadtstraßen (Schlammpiste mit Buckeln, Löchern und Abwassergräben) auch Sinn macht. Die Vermieterin spricht perfekt deutsch, erzählt vom Elend aber auch, wie schön es im Sommer ist und dass Matthias Politicky da war und ein Buch geschrieben hat, das bald herauskommen wird. Samerkand, Samerkand soll es hießen – altherrenoriginell. Momentan ist natürlich Nebensaison. Aber man kann sich ganz gut vorstellen, wie hier Touristengruppen durchgepeitscht werden und Reiseleiter ist ein beliebter Studi-Job. Wir haben uns das anders vorgestellt, als es hieß, Studierende würden uns die Stadt zeigen. Murat ist ein Tartar und Vollblut-Guide. Er textet uns zu, lässt uns Eintritte zahlen und am Basar ist er ebensowenig auf unserer Seite, wie beim Taxipreis verhandeln. Das ist ungut. Ich schalte auf Grummelmodus, will nicht geneppt werden und drücke das mit jeder Faser aus. Meine Frau und Reisepartnerin geht ganz gut damit um. Schließlich essen wir Salat und Brot auf der Veranda und zahlten dafür mehr als für ein normales Mittagsmenü.
Samerkand liegt auf 750 Höhenmetern und wird an drei Seiten von Bergen gesäumt. Das macht was her. Drei Seiten sind auch am Registan Platz gesäumt und zwar von Medresen (das sind vereinfacht gesagt Schulen samt Wohnzellen). Toll verziert, verspielte Svastikaornamente und der Tiger, der auch vom 200 Sum Schein lacht. Daneben dann eine megaprotzige Moschee mit der größten Kuppel Mittelasiens im Mittelalter. In fünf Jahren gebaut, das war zu schnell, Husch-Pfusch-Zusammenrumpel folgte und wieder gleich daneben ein Basar. Die Nekropole haben wir nur von der Ferne gesehen aber ehrlich gesagt interessieren uns die Sowjetbauten eh mehr. Und davon gibt es in Tashkent mehr als in Samerkand.
Die Lesung ist dann wohl einer der skurrilsten Auftritte ever. Vor allem, weil anfangs nur alte Männer in der Runde sind und sich ein paar Studis erst später dazu gesellen. Alter Mann: „Erzählen Sie uns was über Österreichische Literatur!“ Ich: „Dafür bin ich nicht hier.“ Alter Mann: „Sie sind sicherlich talentiert. Singen Sie ein Lied!“
Meine Frau, Reisepartnerin und Mieze Medusa rappt, so geht die Zeit auch um und dann unterhalten wir uns mit einem Albino Usbeken bei Meinl Kaffee über Bichsel, Borchert und unerschwingliche Bücher. Der Albino Usbeke und Deutschlehrer ist nett. Wir fühlen uns ihm schlagartig so verbunden, dass wir ihn fast darauf hinweisen, dass seit Anbeginn unserer Unterhaltung ein Popelchen aus seiner Nase lugt, das sich an sich schon von der Naseninnenwand getrennt aber eben in den feinen Nasenhärchen verfangen hatte uns so bei all seinen Bewegungen mit wippt. Der wird beschenkt mit Sprechknoten. Danach ist es höchst Zeit für Fleisch. In Schaschlikform hatten wir uns dieses ja bisher noch nicht einverleibt.
Also Leber-, Hühner-, Rinder- und Mix-Spieß mit reichlich Salat und hinterher den ersten Vodka (und das am vierten Tag!). Dass Tags drauf derer noch viele folgen sollten, können wir zu dieser Stunde noch nicht wissen. Wir gehen früh schlafen, um früh frühstücken und dann nochmal Richtung Basar laufen zu können. Dass die Taxifahrer uns eine lautmalerische Performance abverlangen, um auf die Idee zu kommen, dass wir zum Bahnhof wollen, ist eigentlich sehr unterhaltsam. Wir bezahlen außerdem weniger als unter Murats Schirmherrschaft. Nein, der feiste Murat bleibt auch in der Erinnerung ein Grummelgrund. 


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