Montag, 31. Dezember 2012

Romane Galore


Beste nicht besprochene Bücher dieses Jahres.
Gelesen: JA und gerne noch dazu, nur leider nicht geschafft, auch gebührend zu besprechen. Das hat natürlich unterschiedliche Gründe.
Edo Popovic
hab ich nur deshalb entdeckt, weil ich im Literaturhaus Niederösterreich mit ihm lesen durfte (das war im Feber) und um nicht gänzlich unvorbereitet darauf zu sein, hab ich mir KALDA mit nach Kappadokien genommen und am Flughafen von Antalia in der Warteschlange gleich mal die ersten 60 Seiten wie nix und voll Begeisterung weggelesen. In Wien, zuhause, gab ich mir dann den Rest und besorgte mir gleich mehr vom guten Mann aus Zagreb. Mitternachtsboogie und Ausfahrt Zagreb-Süd und demnächst gerne noch mehr. Außerdem veröffentlicht er ja im sympathischen Voland & Quist Verlag und da kann man getrost zur Liebslingsbuchhandlung eilen und nach Mehr verlangen.
Christian Kracht war ja schon immer wichtig für mich. Faserland wesentlicher Bestandteil meiner Diplomarbeit vor über 10 Jahren und IMPERIUM hätte ich mir sicher früher oder später zugelegt, dass ich es aber in Salzburg in der Bücherzelle vor der ARGE Nontal finde und zwar unangetastet und dann natürlich an mich nehme und von einem Tag auf den anderen auslese und zwar in meinem Lieblingshotel in Innsbruck liegend, das es jetzt leider nicht mehr gibt (RIP Hotel Mozart), das ist schon ein sehr, sehr erfreulicher Zufall. Der Kokosnusswahnsinn war natürlich eine rundum überzeugende Wucht, die sich nicht so salopp in eine Nebenbeibesprechung klopfen lässt.
Jörg Albrecht war ja mal Graz-Stadtschreiber und beim Bachmannpreis hat er eine Performance mit Handtuch um den Hals hingelegt. BEIM ANBLICK DES BILDES VOM WOLF war dann mein erstes Buch von ihm und ehrlich gesagt, kam ich anfangs gar nicht so recht rein und es lag lange am Nachtkästchen, das bei mir ja ein Socken- und Unterhosenschubladenkästchen ist. Dann aber, dann zog mich dieser Prekariatstext voll rein. Das rattert und pfeift und ist nah dran an allem, was einem grad so bewegt.
Ich bleibe in Graz, wechsle aber von Wallstein zu Surhkamp, also von Albrecht zu Setz, zu:
Clemens J. Setz und muss mich kurz halten, denn ich habe es noch nicht ganz aufgegeben, über INDIGO zu schreiben. Dieser Roman ist magisch und hat eine ausführliche Behandlung verdient. Ich hoffe, ich hab irgendwann 2013 dafür Zeit.
DEUTSCHBODEN von Moritz von Uslar ist ja schon 2010 erschienen und war lange auf meiner Leseliste, dass ich dem Buch aber ausgerechnet in Kritzendorf in diesem schrägen Sammelsurium aus Floomarkt und Fabriksabverkauf begegnen sollte und es dann im Kilopreis gemeinsam mit anderen Perlen (z. B. Hettche) erstehen durfte, war schon ein sehr willkommener Zufall. Seinen Erstling hab ich ja nicht fertig gelesen und sogar verschenkt, seine Reportagen und seine 99 Fragen Interviews im Zeit Magazin aber lese ich sehr, sehr gern und eine Reportage im besten Sinn ist auch Deutschboden und die Idee dahinter, ein paar Monate in einer deutschen Kleinstadt leben und einfach alles aufzuschreiben ist so einfach wie überzeugend. Nicht minder überzeugend, allerdings schon auch etwas schwerere Kost ist der aktuelle Goetz.
JOHANN HOLTROP
von Rainald Goetz hab ich auf Deutschlandtournee gelesen. Von der Kritik wurde der Wälzer ziemlich harsch behandelt, aber ein tolles Buch ist das schon. Schon klar, so kann man nicht über derartig großartige Bücher berichten aber besser kurz Jahresrückblick-mäßig aufgerollt, als gar nicht gewürdigt und vielleicht schaffe ich es ja doch noch mal die Notizen in Form zu bringen und Stichhaltigeres abzuliefern.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Ackerdemie-Montabaur

Das ist das Maskottchen der Ackerdemie in Montabaur.
Montabaur ist beschaulich und im Westerwald. Montabaur hat einen ICE Bahnhof - zehn Jahre schon. Kommt man dort an, steht man erst mal ziemlich in der Pampa, ahnt aber, dass da irgendwo eine Stadt sein muss.
Ist dann auch, mit Schloss, Stadtmauer, Kaserne und Jugendhaus (beste Betreuung von Ivan, vielen DANK!).
In Montabaurs Altstadt stehen teilweise sehr geneigte Fachwerkhäuschen und aktuell ein paar Buden mit Weihnachtskram, Wurstschnickschnack und Glühweindingsbums.
Am Bahnhof wird man von der örtlichen Jugend mit Hang zum Wochenendtrinken freundlich begrüßt mit: "He du mit der grünen Hose und der Brille!"
Es regnet nicht immer hier aber wenn es regnet, dann ist das mit dem Trinken nur zu gut zu verstehen.
Montabaur kann aber auch mit tollen Worten aufwarten.
Ein Firmenwagen preist "Leckortung" an.
Ich bin seit einer Woche unterwegs, immer privat untergebracht und ergo chronisch unterbefriedigt und stelle mir die aufregendsten Dinge unter "Leckortung" vor.
"Wellfleisch" wird auch angeboten. Auch hier beflügelt sich die Phantasie und lässt mich sexuell unterschiedlich Konnotiertes ausmalen.
Jaja, Weihnachten: Fest der Liebe!

Montag, 17. Dezember 2012

Orangerie und Buntkäfig

Zu Mittag sechs Nürnberger und zum Kaffee eine Bambergerin.
Am Abend dann im Karpfenland Pizza.
Ach, dieses Nürnberg ist schon eine kulinarische Hauptstadt.
Und dass Rösterrei Österreich so nah ist, ist mir auch erst hier in dieser phantastischen Kaffeerösterrei aufgefallen.
Bin echt kaffeebohnenberauscht und von guten, billigen Espressi verwöhnt.
Und das in Deutschland!
Löblich, löblich.
Diese Uhr weht übrigens auf Halbmast. Kein Wunder, ist ja fast fünf vor 12.
Und in der Orangerie war ich auch. Das ist das Bildungszentrum und da hat der gute Michl vor 40 60järhigen gelesen. Dann hab ich diese tollen Fußballkäfige entdeckt und war hin und weg.

Sonntag, 16. Dezember 2012

Passauweia

Der Innkai ist eine ungeschützte Uferpromenade in hellstem Sonnenschein.
Die Altstadt ist ein kunterbunt verwinkeltes Gassensammelsurium.
Die Innstadt ist Bierodeur dominiert.
Die Gasthäuser sind von Pensionistengruppen geflutet, die Küche deftig und günstig.
Das Kaffeewerk ist ein Glücksfund und eine Fm4-Oase.
Der Dom ist ein Barockauflauf mit Orgelpfeifen Sonderzahl.
Der Inn strudelströmt mattkaltklar bedächtig. -
Die Donau ist sich ihres bevorstehenden Einflusses bewusst.
Alles schmuck, hübsch und überschaubar.
Alles einen Tag lang schön und fein aber darüber hinaus wohl bedrückend und zu klein.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Klausur leiwand

Das DUM-Team war auf Klausur. Der Ort musste DUM mindestens enthalten. Das tut Gmunden. Gmunden hat auch einen See, das hilft.
Auf Seen kann man melancholisch blicken und dabei Gedanken fließen lassen. Gmunden hat ein Café Wien (mit Blick auf den See) das hilft auch, vor allem, wenn die Temperaturen winterlich sind und die melancholischen Blicke zu gefrieren drohen.

Gmunden hat außerdem eine entzückende Buchandlung, eine Straßenbahn (sic!), viele Trachtenmodenlodenfachgeschäfte, einen Engelhof und sicher noch allerhand, was wir nicht entdecken konnten, weil wir ja vordergründig dort waren, um DUM-Zukunfts-Dinge zu besprechen.
Das taten wir und so kann man summa summarum sagen: Gmunden tut DUM gut.

Samstag, 10. November 2012

DUM geehrt, gepröllt, bepreist

DUM, DUM, Haderer, GR Gerald
Kulturpreisgala des Landes Niederösterreich im Festspielhaus und DUM dabei, weil unter den Preisträgern der Kategorie: Volkskultur- und Kulturinitiativen. Drei Plätze für DUM in der zweiten Reihe reserviert. Der Schriftzug macht sich gut auf den blau-weiß gestreiften Sitzen. Eine 20köpfige Jazzband musiziert (auf ihren T-Shirts steht: Yes we jazz), der Melk-Prälat grüßgottet in alle Richtungen, Gerhard Haderer hält eine grandiose Eröffnungrede (in Österreich hat man es als Satiriker leicht, denn es braucht einem nichts einzufallen, weil einem immer etwas auffällt) und ruft dazu auf, dass sich Kulturschaffende zu einer Schule des Ungehorsams zusammentun und eine Denkfabrik bilden sollen, in der neue Formen des politischen Ausdrucks kreiert und probiert werden sollen.
Seit 20 Jahren ist in Niederösterreich Kultur Chefsache. Seit 20 Jahren gibt es DUM. NÖ ist ein Kulturland, sagt Papa Pröll. DUM ist eine Literaturzeitschrift. Nah. Näher. NÖN. steht auf einem Werbeplakat. Ich denk mir: Kühn, Kuna, Köhle. "Wir sind in der Lage, in die Speichen zu greifen", sagt PP. Ich finde, das hat er schön gesagt. Das Schönste, so PP, sei das Spannungsfeld in diesem Land. Ich dachte schon, es wäre der Schatz am Silbersee.
"Genug der Worte", sagt die Moderatorin nach dem Gespräch mit PP und "autorisierte Fotografen werden die Preisträger ins rechte Licht rücken, ...ähm ins beste Licht." Dann dodeln die Dornrosen. Darauf die Moderatorin: "Jetzt ist Schluss mit lustig."
Was nicht ganz stimmte, denn während das Publikum das Buffet stürmte, hatten die Preisträgerinnen und Preisträger Fotos in den unterschiedlichsten Konstellationen zu be- und durchzustehen. Wahrlich lustig. Essen gab es für alle. War zu faul zum Anstehen. Trinken war leichter. Trinken hilft! Danke. Prost.

Donnerstag, 8. November 2012

Flieg Baby, flieg!

Komm, hüpf auf Pegasus Schwingen und lass dich entführen in den Himmel voller Geigen, Vögel und Kindheitserinnerungen. Schnapp dir ein Buch, träum dich raus aus der Wirklichkeit, erheb dich über die Realität. Ja, Literatur kann das! Ja, Literatur arbeitet mit Bildern, Pathos und Schmiermitteln. Nein, das ist kein Leseförderungs-Kampagnen-Text, das ist ein Buchbesprechungs-Teaser „Für den Herrscher aus Übersee“.
Teresa Präauer wurde (1979) in Linz geboren, lebt in Wien, hat Malerei und Germanistik studiert, beispielsweise das Kinderbuch von Wolf Haas „Die Gans im Gegenteil“ illustriert und ihr Romandebüt „Für den Herrscher aus Übersee“ wurde neulich mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet. Bereits 2009 wurde sie mit „Taubenbriefe von Stummen an anderer Vögel Küken“ (Edition Krill) auffällig und demonstrierte ihr Faible für Vögel. Im Roman nun wird vollends durchgestartet, abgehoben und der Phantasie Flügel verliehen.

Zwei Kinder alleine zu Hause. Die Eltern auf Reisen. Als Lebenszeichen gibt es täglich eine Ansichtskarte von irgendwo. Der Großvater ist die alleinige Bezugsperson und liest vor, nein, interpretiert und erzieht auf seine Art und Weise, hat aber auch Flugzeuge und Beziehungen zu reparieren.  
Es geht ums Fliegen. Es geht ums Fabulieren. Es geht ums Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven und es geht natürlich auch um einen Großvater, der sich die Welt zurecht rückt, sein Lebensbild bunt pinselt und versucht, dieses seiner Enkelin und seinem Enkel weiter zu geben.
Ich sage euch ein Beispiel, das ihr nicht notieren müsst: Es kann einen großen, bösen Vogel geben, was aber nicht heißt, dass der kleine gut ist und umgekehrt. An beide sollt ihr zweitens, und das schreibt ihr wieder mit, nicht letztgültig euer Herz hängen. Hoffen und Erinnern, drittens, gehören zum Leben, es besteht aber zu größten Teilen aus dem Sein. Hier macht ihr einen Unterpunkt: Das Sein besteht aus Essen, Schlafen, Trinken und Fliegen. Alles andere folgt daraus.“ (S. 90f)

Das Ganze hat den Anstrich eines Märchens und wie es in Märchen so üblich ist, rollen zwischendurch schon auch mal Köpfe aber das Happy End ist gewiss. Das geopferte Huhn dient dazu, große Lebenslehren vermittelt zu kriegen, die Japanerin ist das große Sehnsuchtsbild und dann ist da noch die Fliegerin, die könnte das Konzentrat aus allen im Buch handelnden und das Buch lesenden Köpfen sein.
Sprachlich schnurrt das tadellos dahin. Im Vortrag gewinnt das nochmals mehr. Weh tut "Für den Herrscher aus Übersee" niemanden, gut vermutlich vielen, womöglich ist dieser Roman sogar ein Vorlesebuch für jung und alt und das ist – zumal Weihnachten naht – viel wert.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Augendübel

Wo die Optiker Augendübel heißen und die Wäschereien Heißmangel, da lass dich gerne nieder. KÖLN hat uns (Mieze Medusa and me) geladen. Weil Reim im Flammen 7 Jahre feierte. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen und scheuen neun Stunden Zugfahrt NICHT. Wenn man Köhle heißt und früher Kötschi genannt wurde, ist es nahliegend, dass einem Kölsch schmeckt.
Kölsch schmeckt ist sicher ein Slogan den irgendeine Kölschmarke benützt. Wenn nicht, dann sei er hiermit freigegeben. Geschmeckt hat auch das Essen im Bier-Esel.
Wenn ein Wirtshaus Bier-Esel heißt, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass mir das behagt, sagt mein ich. Der patenten Kellnerin konnte ich mühelos eine Tageskarte abschwatzen, denn wenn eine Tageskarte Gerichte führt wie: "Süß-saure Ferkelsnierchen 'Rheinischer Art' auf Sahnepüree und Apfelkompott dazu", dann geht dem Wortvertreter der Hirnlapen auf, in dem sich das Sprachzentrum befindet. Selbst wenn ich dann doch zu Gunsten des "Frische, grobe Metzgerbratwurst mit Speckwirsing und knusprigen Röstkartoffeln"-Gerichts entscheiden sollte aber schon auch beim "Jungschwein-Nackenbraten an Rahmsauce, marktfrischem Apfelrotkohl und Kartoffelklöße" mitnasche. Ein Sünner-Kölsch dazu und die Sonne scheint aus allen Poren.
Köln kann was. Köln ölt Köhle.
Köln könnte öventuell öfter besöcht werden.
Köln tut gut und Kölsch schmeckt. Prösterchen!

Montag, 15. Oktober 2012

Das Treiben der Lämmer

Klar, ich will es noch nicht wahrhaben, dass die Flitterwochen vorbei sind. Klar, Kalifornien im Indian Summer wär' mir grad lieber als Wien im Oktober.
Aber es gibt Möglichkeiten, den Amerika-Aufenthalt zu verlängern. Pulphead ist eine Essay-Sammlung von John Jeremiah Sullivan und gerade erst in der Edition Suhrkamp in schöner Klappenbroschur erschienen. Billig ist das Buch nicht (20,60 €) aber es ist Gold wert. Auf über 400 Seiten und in 15 Essays zwischen E und U, zwischen Landes- und Popkultur entführt einen Sullivan ins Innere Amerikas. Das ist nicht geografisch sondern allgemein zu verstehen, es geht ans Eingemachte.
Sullivan schreibt über das größte Christen-Rock-Festival dessen Besucher durchgeknallt sein mögen, aber sie lieben Jesus. Er lässt das zart Pflänzchen Axel Rose aufleben: durchgeknallt, aber er entkam seiner Herkunft. Fördert Erhellendes über Ihre Majestät der Durchgeknalltheit Michael Jackson zutage. Schürft in Archiven über Tiere in Auflehnung (Das Treiben der Lämmer). Geht auf Jamaikareise um mit den Rastafaris abzurechnen. Besucht Disneyland und hebt wahre Familienerlebnisse hervor, besucht Reality TV B-Helden und sucht und findet in allen immer etwas Gutes.
Sullivan geht es nicht um billige Pointen, Sullivan führt niemanden vor, Sullivan fühlt sich ein, fühlt sich der Reportage verpflichtet, berichtet höchst Interessantes, versteht dies dann auch immer persönlich zu verpacken, setzt meist eine Weisheit obendrauf und sprachlich sind diese Essays ebenfalls ein prickelnder Genuss. Leider hab ich nur die deutsche Version, die ist aber gut.
All diese Essays sind bereits in Zeitschriften erschienen. Da ist man kurzzeitig neidisch auf den amerikanischen Zeitschriftenmarkt. Denn mir fällt keine Zeitschrift hierzulande ein, in der man Ähnliches veröffentlichen könnte. Im Fleisch vielleicht, in der Schreibkraft oder im Wespennest, wenn's zum Thema passt. Okay.
Der Untertitel "vom Ende Amerikas" ist zwar Verlagsschwachsinn, aber das Buch unbedingt empfehlenswert.

Samstag, 13. Oktober 2012

Big Sur Poetry

 
Von unseren GastgeberInnen in Kalifornien herumgekarrt zu werden, ist nicht nur ein Erlebnis für alle Sinne, es macht auch Schreiblust. Hier ein Rücksitzgedicht entstanden auf dem Highway One.
Ich fiel in die Grube der Liebe
fand Halt nicht da noch dort
nur Wand und glatte Oberfläche
Folglich lobte ich den fruchtbaren Boden
und ebnete den Weg in die Tiefgründigkeit der Gefühlswelt
Hades, die Miene finster, schlapfte einher
Ich drauf kühn: „Ha-ha a-a!“
Also: „Halt, Hades! Aber-aber müsstest du nicht eigentlich Amor sein?“
Drauf Hades ganz gelassen: „Nein, Amor liegt im Koma, lief Amok nach Kamikazee-Verliebung mit Crashtestdummie-Ende. Habe seine Schicht übernommen. Bist hier also mehr in der Unterwelt denn auf Wolke 7.“
Ich drauf ganz geschlagen: „Oh, hätt ich das blo-oß gea-a-ahnt, wär ich von vornherein in die Hö-ölle der Zwietrach-acht gestiegenen.“
Hades: „Pech ist des Hättiwaris Schicksal. Groß ist die Alltagsscheiße – der Glücksgrat ist schmal. Und Bubi: Du angststotterst!“
Ich: „Soso und Ha-hades hab Dank und mich gerne, behe-hellig mich nicht weiter, gib mir lieber eine La-laterne, Sterne oder zumindest eine No-otfall, Durchfall, Exitstrategie.“
Hades: „Ach, du schlichter Armleuchter begreifst du denn nicht, deine Zeit ist aus, du bist das Schlusslicht und ich knipse dich jetzt aus!“

Samstag, 6. Oktober 2012

Streifschusspolitik und Kelpinterventionen

Carmel ist süß.
Carmel ist quaint sagt Doris.
Carmel is mine, sagte Clint Eastwood zwei Jahrzehnte lang und bürgermeisterte.
Ob er es war, der den Golfplatz direkt an der Küste anlegen ließ, weiß ich nicht.
Ich weiß auch nicht, ob er es war, der das Gesetz erließ, dass Frauen hier keine Stöckelschuhe mit mehr als zwei Inch Stöckel tragen dürfen - zwecks Kopfsteinpflastereinfädelgefahr.
Ich weiß ferner nicht, ob dieses Gesetz auch Männer betrifft. Aber:
Ich weiß, dass dieses Stöckelschuhprohibitionsgesetz nicht exekutiert wird. Das heißt, Straffällige werden nur angeschossen. Ich will hier aber nicht weiter eastwooden (zumal ja auch keine leeren Stühle zugegen), sodern wieder zurück kommen zu Süßem, Saurem und Schönem:

Der Ozean kelpt.
Seelöwen öien.
Erdhörnchen wieseln.
Kormorane sind nicht wasserdicht.
Pelikane ziehen ihre wirbelschleppeneffizienzoptimierte Formationsflugshow ab und Möwen scheißen alles zu, voll, raus.
Wir sind am Point Joe und es ist schön.
(17-Mile-Drive Pebble Beach & Del Monte Forest, Carmel, CALIFORNIA)

Dienstag, 2. Oktober 2012

Mein großer, grüner Kaktus

Man könnte sagen, der Urlaub dauert zu lang.
Man könnte sagen, ich hab Bühnenweh.
Man könnte sagen, die Zikaden im Hintergrund sind aber laut.
Man könnte sagen, die Zikaden spielen sich aber schön in den Vordergrund.
Ich sag: Na Hund!?

Pelikanterien

Hier brennt Hanno vor viel Wasser und der Gefängnisinsel Alcatraz. Die ist ja aus Buch, Kino und so bekannt und berüchtigt.
The Rock dient aber schon seit über 50 Jahren nicht mehr als Gefängnisinsel und ist mittlerweile unter den Top-to-do-Dingen für San Franzisco Touris. Das bin ich gerade. Mit Homebase in Berkeley.

Berkeley ist ein entzückend überschaubares Studi-Städtchen mit schwacher Footbal Mannschaft (GO home BEARS!).
Aber wir haben sie gesehen, verlieren gesehen, am Samstag. Wir und 50.000 andere enttäuschte CAL-Fans. Das war dann wohl bisher mein amerikanischstes Ding, gut, dass wir bereits am Abend zuvor mit der Beieinträchtigung unserer Wahrnehmung (unter Zuhilfenahme von canadischem Whiskey und Bier aus aller Herren Länder) begonnen haben und dies dann auch am Spieltag (mit Stadion Hot Dog) fort setzten. Die Sonne besorgte den Rest. Stechkopfschmerzen, ein verbranntes Dach und Massenbeklemmung. Schön.

Gut, dass so ein Spiel nur circa drei (gefühlte sechs) Stunden dauert. Hinterher sind dann alle fröhlich (oder betrübt) und gehen den Sieg (oder die Niederlage) jedenfalls mit Bier begießen.
Wir werden hier übrigens bestens beherbergt von Anna Babka, Joana und Peter Clar.
Sehr freundliche und geduldige Menschen, die, immer wenn wir bis 10 Uhr schlafen, glauben, dass wir schon seit drei Stunden aus dem Haus sind.

Hoch lebe der Arbeitseifer, der Optimismus und die Wissenschaft, Urlaub sowieso!

Freitag, 28. September 2012

If you see something, say something

Hinweisschilder sind ja schon in Österreich exotischer als einem lieb sein kann. Man denke nur an "Bitte sich festzuhalten" oder "Das Überqueren der Gleise ist lebensgefährlich und deshalb verboten". Die Schilder hier eröffnen aber wieder ganz neue Dimensionen. "Emploees must wash hands" sieht man natürlich gerne auf Restaurant-Restrooms. Das beruhigt. Ob die "Stand pipe siamese" oder die Doppellöscheinspeisung eleganter ist, sei dahin gestellt. "Alive and well donation 1 $" überrascht einen dann doch etwas. Aber gut, man befindet sich ja in einer Kirche und nicht etwa beim Zahnarzt. "United sleep diagnostic" befindet sich direkt neben dem "Imagine smile design" ein "Signature smile design" Schild hab ich später auch noch entdeckt. "Unterschriftenunterzeichnungslächelnhersteller" das wär doch mal was, zumindest für den Wortvertreter. Das Foto ist übrigens unweit der Wallstreet entstanden. Also mitten im Financial District. Da gab es Weißbier-Sonnenschirme und eben Bierbänke. Prost!

Dienstag, 25. September 2012

Herzschrittmacher

Gedichte düfen alles, sie dürfen einen nur nicht kalt lassen. Rock 'n' Roll des Herzens von Josef K. Uhl und 111 Gedichte also, quasi 111 beats per book. Rock 'n' Roll ist ja an sich eher eine Lendensache, dieser R'n'R, diese Gedichte sind aber wohl anders. Das ist gut, denn jedes Herz schlägt und jedes Hirn tickt anders. Leider hat dieses lyrische Herz allerdings immer wieder arge Aussetzer. Oft ist dieses Buch dem Herzinfarkt nahe (die Grade eines Buchinfarkts reichen von "Weglegen" - relativ normal, kommt bei den besten Büchern vor - bis zum "Wegschmeißen" - eher selten. Aber immer kurz vor dem Riss des Lesergeduldfadens macht dieses Herz dann doch wieder "pieps". Unter den ersten 59 Gedichten haben "Gute Nacht" und "Naturtrüb" diesen positiven Pieps. Dazwischen möchte man den Inhaber dieses Herzens wahlweise ohrfeigen, bemitleiden oder in die "Schäm dich Ecke" zitieren. Da wimmert die Lust erbärmlich, da knirscht's morsch im lyrischen Gebälk und wenn gereimt wird, hängt es einem Hirn und Hüften gleichzeitig aus. Das tut weh. Vertwistet sagt man dazu wohl in R'n'R Kreisen. Aber was soll's. Manchen Dichter_innen reichte ein gutes Gedicht, um sich ein Leben lang nicht verkannt und missverstanden zu fühlen. Und ja, auch in diesem Haufen Herzscheiße stößt man auf Gold, Geduld vorausgesetzt.

Samstag, 22. September 2012

Ohne weitere Worte

Jenny Holzer, City Hall Park, New York

Freitag, 21. September 2012

Im großen Apfel

Hier brennt Hanno am Times Square. Unsere Fußsohlen brennen auch, aber die Waldviertler tun ihr bestes dagegen. NY is a walking city. Ja, eh. NY ist aber auch eine Literatur-Metropole. Drei Tage da (fast immer wach) und schon eine Salman Rushdie Lesung mit Diskussion besucht, beim Nuyorcian Poetry Slam 28,4 (10. 9,9. 8,5) Punkte eingeheimst und gestern T. C. Boyle gesehen, gehört und auch mit ihm gesprochen! (Foto folgt).
Abschließend ein praktischer Bierbestellungstipp: Wenn man zwei (nicht drei!) Bier bestellen will, unbedingt Zeige- und Mittelfinger verwenden, meinetwegen auch Mittel- und Ringfinger aber keinesfalls Zeigefinger und Daumen. Denn das - so ließ mich der Barmann wissen - "...is a gun! I've never seen that man!"
Mehr Heiteres über kulturelle Missverständnisse bald hier.

Mittwoch, 12. September 2012

Zeitweilige Zerwürfnisse

Du legst dich gerne quer, du legst dich gerne an
Du läufst nicht gegen Mauern, du lockerst Steine und machst was Neues draus
Zu groß ist dir dabei nichts, ohne einen Grundstein kein Forwärtskommen, sagst du
Du willst die Weltordnung durcheinander bringen und ein neues Weltbild malen
Welt: du blauer Planet, du vollgesoffene Kugel, du unterbelichteter Globus, sagst du
Welt: dein eingedepschter Schädel, deine Schräglage, dein gemächliches Eiern um die eigene Achse du bis überbewertet, sagst du
Du hast keine Angst vor großen Worten, Inhalten, Bedeutungen
Ach, Inhalte!, sagst du. Ach, Bedeutungen!, sagst du und ach, Worte!
Worte schießen nicht! Worte schließen vielmehr eine Lücke, lassen Stilblüten sprießen und wuchern mitunter.
Beispiele? Gerne: Da hätten wir beispielsweise die Allüren. Ja, über Allüren ließe sich trefflich was schreiben. ALLÜREN
Kaum Wörter die ähnlich klingen: Alü-Alü-Allürütuldjo
Alü-Alü-Salü Allüren: Abführen
Allüren erweisen sich nicht als ergiebig. Allüren geben nichts her. Allüren fordern ein, setzen voraus. Nachsatz: Allüren öffnen Türen NICHT! Allüren hat man wie Krankheiten. Aber gegen Allüren ist ein Kraut gewachsen. Es gedeiht am harten Boden der Realität, es heißt: Konfrontation und treibt Blüten der Ernüchterung
Ernüchterung ist auch so ein Wort.
Er-nüchter-ung! Hat was von Er-höre-uns!
Alü-Alü-Allüren-Ernüchterung erhöre uns, mich im Speziellen. Lass mich nicht abgehoben sein, erde mich, pflanz mich in den Lustgarten der Wortwucherungen, setz mich ein neben den Sprachzeitlosen und lass mich sprießen, lass mich heranwachsen zu einem veritablen Satzgewächs, einem um sich greifenden Textgeflecht das irgendwann dann wen erreicht, erfreut, erquickt. Lass mich einen überraschenden Schluss dieses Fragments finden:
Sorry Mann, hast du mal eben Allüren für mich?
Nein, tut Leid, ich allüre nicht.

Montag, 10. September 2012

Sprachfreiraum

Hier brennt Hanno auf einem Traktor, der bei der 14. Aicher Trophy dabei war. Ich war derweil auf der Hans Wödl Hütte und beschäftigte mich mit einem Kaspressknödel. Im Zuge des Verdauprozesses stieß mir Folgendes auf:
Es waren jetzt ja zehn Tage lang die Paralympics im Gang und vom Gang kommt man gleich in den Ganges oder aber zum Gehen. Dazu braucht es mindestens circa ein Bein. Schneller sind aber heutzutage die, die nur circa zwei halbe Beine haben. Denn daraus kann man mit wundervoll eleganten Bein- und Fußprothesen, rein von der Länge her, so in etwa zweieinhalb Beine machen und inst anderen dann um Nasenlängen voraus. Das schmerzt die Ein- und Wenigerbeinigen sicher. Dafür habe ich Verständnis. Ein einbeinbeeinträchtigtes Dasein zu führen, stelle ich mir schwierig vor. Wenngleich ich das Wort "Einbeinbeeinträchtigung" doch als großen Wortschatz empfinde. Vollends fürchterlich einerseits und wortwertvoll andererseits, wird es dann, wenn sich zum fehlenden Bein schmerzbedingte Pein gesellt, was dann im kaum mehr zu übertreffenden Wort "Einbeinpeinbeeinträchtigung" zum Ausdruck kommt. Alle Einbeinpeibeeinträchtigten auf Erden verdienen entsprechende Entschädigungen und die Sprache verdient mehr Freiraum. Mein Einbeinpeinbeeinträchtigungs-Abriss kann diesbezüglich durchaus als Vorschuss betrachtet werden.

Pilgerpöbel

Michael Stauffer hat unter anderem die Romane: „Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt. So lebt ein Arschloch. Du bist ein Arschloch“ und „Normal. Vereinigung für Normales Glück“ geschrieben.
In letzterem gründet der Held eine Religion und deckt so die Mechanismen von derartigen Vereinigungen auf. Im neuen Roman „Pilgerreise“ lässt Stauffer seinen Helden Bela zur Läuterung zu Fuß gehen, bis die Füße schmerzen.
Bella ist ein skrupelloser Schriftsteller und Unterrichtender am Literaturinstitut, dessen Leidenschaft es ist, Grenzen aus zu loten. Das macht er in jeder Beziehung (Eltern, Schüler_innen, Partner_innen gegenüber). Zu recht wird er verlassen und gerät darob vollkommen außer Kontrolle und wäre da nicht sein Cousin: „Ich kann dich beruhigen, in meinem Weltbild gibt es durchaus Platz für Hilfe, die nichts kostet und von einem Teppich [mit dem Bela gerne spricht] kommt.“, Bela wäre wohl verloren.
Aber er findet für sich einen Ausweg: den Pilgerpfad. Bela lässt goldene Pilgervisitenkarten anfertigen, macht sich auf den Weg, schreibt fleißig Postkarten, lernt viele Menschen kennen, verschreckt einige davon und hat einen großen Plan.
Dass das Ganze eine bitter-böse Satire ist, braucht eigentlich kaum erwähnt zu werden. Wie trocken und unvorhersehbar Stauffer seinen Helden anlegt, ist allerdings äußerst bemerkenswert. Diese Pilgerreise gerät zu einem mitunter absurden, oft drastischen und immer höchst unterhaltsamen Trip. Fünf Wanderstöcke hoch!

Samstag, 25. August 2012

Griechische Symbiose

Ich bin ein Olivenbaum.
Ich souvlake den ganzen Tag rum.
Ich moussaka ins Meer und pastizio mich nichts.
Ich ouzo und fixe und im Wasser bin ich eine Nixe.
Ich bin auch ein Feta, bin aber magerer geworden vom vielen Schlafen, Sport und Wenigertrinken.
Ich habe noch drei Tage Frist.
Dann ist der Urlaub endlich vorbei und Sand wieder ein reines Kinderspielplatzthema und nicht in allen Ritzen. Apropos:
Über allen Ritzen war Ruh, unter dem Mosquitonetz waren ich und du,
und wir geschlechtsverkehrsrührten uns kaum bis nicht
Weil die Zimmerwand war nicht dicht
Nicht dicht wie auch wir nicht immer waren
in all den Jahren (um noch etwas abschließende Urlaubsendemelancholie ins Blogeintragspiel zu bringen)

Mittwoch, 22. August 2012

Putzbrigade


Ich bin der Putzfisch der Schmutzgesellschaft; ich bin die himmelblaue Saugbarbe der dukelschwarzen Gegenwart. Ich bin die Krake der kranken Tanten und der Orka der oargen Onkel; ich bin der Schwertfisch der Unglücksritter und der Goldfisch der schwarzen Schafe mit Pechsträhnchen; ich bin der Seeigel der Bequemlichkeitsfanatiker und die Feuerqualle der Brandblasenfadbarsche
Ich mach reinen Tisch – ich putz jeden Fisch – ich mach klare Sicht – ich freischnorchel dich
Ich polier dir die Hammerhaifresse; ich frisier dir die Schillerlocken; ich stutz dir die Welsbartl und weil sich auf Welsbartl sonst nichts reimt, erfind ich dir den Felsblockzartl; den Felsblockzartl flock ich dir aus und dem Tintenfisch saug ich für dich die Tinte raus; ich wiener dir den Karpfen bis er die Schuppen verliert; ich wasch dir die Moräne samt ihrer Zähne;
Ich mach reinen Tisch – ich putz jeden Fisch
Ich staubwedel dir den Stör, bis er seine Ö-Strichchen verliert und zum Stor, also zur reinen Gardine wird; ich spül dir die Regenbogenforelle bis ihre Farben verschwimmen; ich bring dir den Leuchtaugenfisch zum Glimmen, nein, zum Down-timmen seiner Blinker, damit man nicht so genau sieht, was noch alles zu tun wäre; ich blitzputzseeverteufel dich und mit einem Wisch ist alles weg

Samstag, 18. August 2012

Schmerbauchfleischauflauf

Affenhitze - Sturzbachschwitze - herdplattenheiß - Hektoliterschweiß fließt, strömt, flutet
Alles fließt, strömt, flutet nur ich hab Durst.
Ich bin sooooo durstig, sosososososo durstig. Ich kann's euch gar nicht sagen wiiiiie durstig. Weil mir nämlich die Zunge schon am Gaumen pappt wie ein jahrelang missachteter ehemals Flauschfaserwaschlappen.
Meine Kehle ist trocken, soooooo trocken, sososososo trocken, wie Zakynthos im August, wie überzeugter Asketen Lust auf Genussmittel. Wenn ich jetzt noch weiter sprechen muss, kriegt mein Kreislaufmotor einen Kolbenreibertotalschaden und mein interner Ventilatorrotor einen hy-hy-hy-hyperventilier Anfall.

Ich bin am Ende. Ich bin durstig. Ich bin sooooooo durstig, ich könnt die Vorratsspeicher der Brau-Union wegschlucken wie nix. Ich würd mich am liebsten an eine Wachauer Weinbergbesprenkelungsanlage anschließen (sofern die dort wirklich mit Wein gießen) und dort abhängen bis zum Blasenanschlag. Ich könnt ganz Schottlands Whiskyjahresproduktion mit links und die Ukrainische Wodkajahresförderung mit rechts weg ziehen.
Ich bin sooooooo durstig, sososososo durstig, ich würd jetzt sogar Wasser trinken, ein ganzes Glas, vielleicht sogar zwei.
Auf dass alles wieder fließen, fluten, strömen möge. Auf dass ich der Affenhitze wieder Eisbärencoolness entgegensetzen kann. Auf dass auch die Gedanken wieder anstandslos vom Hirn über den Arm in die Schreibhand fließen mögen und bei der
Mörderhitze - Urwaldschwüle - Saunaaufgussschwitze - SOAK-Pavilon-Kühle ein Monster-Hitzen-Wort-Durst-Text entstehe, bevor ich tatsächlich an die Ionion-Bar etwas trinken gehe.

Montag, 16. Juli 2012

Diskurs- und Prügelprosa



Jan Off ist eine Marke. Jan Off steht für Punk, Trash, Drogen und keine Kompromisse. Jan Off hält, was sein Ruf verspricht. Jan Off bleibt sich selbst immer treu, variiert aber die Themen seiner Romane. Freilich bleiben Drogen eine verlässliche Konstante aber nachdem er sich im letzten Roman „Unzucht“ ausgiebig dem literarischen Porno hingegeben hatte, beschäftigte er sich im aktuellen Roman „Happy Endstadium“ mit der Linken.


Jan ist der beste Freund des Ich-Erzählers und zieht in eine WG ein. Hervorragend ist Mitbewohnerin Julia und als der Erzähler die erstmals zu Gesicht kriegt, ist es um ihn geschehen. Er will auch in diese WG, um jeden Preis, und sei es, er müsste kriminell werden, um an diese Julia ran zu kommen. Diese Julia hat die Kraft, Fleischfresser und Taugenichtse kurzzeitig zu veganen Arbeiterbienen zu machen. Ein Zimmer wird frei, die Aufnahmeprüfung gemeistert und die erste Aktion zwar verkackt, aber es besteht noch berechtigte Hoffnung, denn die Mitbewohner-Waschlappen Kleingeld, Lasse und Jan sieht das biertreue Ich nicht als Konkurrenz an. Aber erst wird mal demonstriert, geplaudert, gepudert, geprügelt und am Manifest (welchen Inhalts sei hier nicht verraten) herum geklügelt. Ein Hund verschwindet, ein Bandenkrieg entflammt und wird im Sonnenstudiokeller wieder gelöscht, ein Plan wird geschmiedet und immer fleißig den Drogen zugesprochen.
Auf einmal ist der Erzähler der nüchternste und alle anderen im Dauerrausch. Auf einmal ist es dem anfänglich zögerlichen Ich wichtig, den Gaga-Plan durchzuziehen (um so endlich die Gunst Julias zu gewinnen) und zur Planumsetzung ist man gleich auf mehrere Freaks angewiesen. Chemie Student Hartmut, Rupert, der Unviversaldealer und Bernie, das Nachtwächter-Wrack mit sprachlicher Eigenart

Das ist natürlich Stoff für zahlreiche Rauschaktionen und endlos skurrile Episoden. Dass das Ganze (der Plan, nicht das Buch) in die Hose gehen muss, ist unübersehbar. Das Kapitel mit Kleingeld und dem Erzähler auf dem Weg in die Pampa zur Warenübergabe (welche Ware wird hier natürlich nicht verraten) mit diversen Unfällen und Schwierigkeiten ist exemplarisch für Offs Erzähl- und Herangehensweise an den Stoff, zu lesen

Die Stärke von Jan Offs Prosa liegt auf der sprachlichen Seite. Diese Sätze haben Kraft und langen Atem. Die Wortwahl ist originell und gerne drastisch, der generelle Duktus allerdings bewusst antiquiert. Dieser permanente Bruch hat Charme und von vornherein einen eigenen Witz. Die Dialoge überzeugen ebenfalls (auch über lange Strecken). Denn natürlich wird viel gequatscht in dieser WG, die Linke redet noch immer gern und viel, viel mehr, als dass sie handelt. Die Linke, bzw. diese linke WG, kommt nicht sehr gut weg in „Happy Endstadium“. Aber kaum jemand mit WG-Erfahrung wird leugnen, derartige Figuren kennengelernt und mitunter ähnliche Ideen gewälzt zu haben.
Auch wenn sich einige gelegte Spuren im Sand verlaufen und der Undercovermann etwas durchsichtig angelegt ist, ist „Happy Endstadium“ in Summe ein solider Off-Roman, der unterhält und - wie eingangs angekündigt - hält, was er verspricht.

Freitag, 22. Juni 2012

DICHTER SCHLACHTEN



Krimis leben ja oft von Milieuschilderungen. Egal ob Zeltfest-, Schickeria- oder Großküchenumfeld. Überall herrschen eigene Gesetze, gibt es Insiderwitze und Verhaltenscodes. Die Poetry Slam Szene, die von familienzugehörigkeitsbedürftigen SzenemitgliederInnen gerne Slamily genannt wird, ist natürlich auch ein Soziotop, das sich bestens anbietet, hinsichtlich Krimitauglichkeit beschnüffelt zu werden. Gut, dass das gemacht wurde. Besser, dass da einer seine Schnauze hinein gesteckt hat, der weiß, wovon er schreibt.

Christian Ritter ist viel rumreisender Story-Teller und Slammaster und hat auch so seine Eigenheiten. Die Slamily ist reich an Typen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einige schillernde Persönlichkeiten raus zu picken und deren Eigenarten zu schildern, ist an sich schon Stoff genug für diverse Buch- bzw. Studienprojekte. Ritter hat dafür ein gutes Händchen. Er verfremdet leicht, überzeichnet kaum, das reicht, um gleichermaßen interessante, wie durchgeknallte Charaktere für eine spannende Geschichte zu haben.
Wir bekommen es mit Andy Krauß, Moritz Bienenbang, Mo Schimmer u. a. zu tun. Ermittelt wird von einem dienstjahrenreifen Peter-Doppel und den noch lebenshungrigen JungkommissarInnen Kim und Björn. Björn ist gerade dabei, sich von seiner fußballspielenden Regine zu verabschieden, was diese partout nicht wahrhaben will. Kim nimmt die Undercover-Ermittlung im Slammilieu wortwörtlich, schlüpft unter Decken und hüpft ins Bett mit potenzstarken Slammern und potenziellen Mördern. Nach Slams geht es nämlich der Jury an den Kragen.
Ein Serientäter hält sich an die Texte von Andy Krauß und bringt junge Mädchen zur Strecke. Das alles ist aber nur ein Vorspiel, denn das eigentliche Ziel ist Krauß selbst und in Hamburg wird alles enden. In Hamburg bei den großen Meisterschaften kommt es schließlich auch zum skurrilen Showdown im Deutschen Schauspielhaus.

Dass Ritter herrlich aberwitzige Dialoge verfassen kann, Vergleiche parat hat, die man so noch nie gelesen hat und dabei die Story nie aus den Augen verliert, hat er schon oft auf der Bühne bewiesen, dass er literarisch nicht nur in der Kurzform versiert ist, beweist er eindrücklich in diesem Buch, das nicht nur originell, überraschend und natürlich äußerst unterhaltsam ist, sondern auch ein hervorragendes Szene und Zeitdokument darstellt.

Christian Ritter
Dichter schlachten
Unsichtbar Verlag 2012

Samstag, 2. Juni 2012

Wo liegt Tetovo?


Helmpflicht scheint hier keine zu herrschen. Dafür wird in der Sauna Badebekleidung getragen und die Autobahn steht auch Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern frei. Interessant auch die Mitteltrennstreifenbebauung. Hat man in Österreich einen dezidierten Hang zur Verbuschung, grünt's hier mannigfaltig: Bäume, Blumen, Sträucher. Alles gut, recht und grün.
Das hab ich auf der Fahrt von Skopje nach Tetovo mitbekommen. 
Tetovo ist albanisch und relativ betriebsam. In Erinnerung bleiben: Die Stizmöbeleigenarten, die Handwerksviertel, die Kettensägenlädendichte, die Nussstandler, die Pinkdominanz bei Kleidung und Schminke, der Elektromobilverleih auf dem monumentlosen Hauptplatz, der Müll allüberall, die Lokalbesitzer, die in Österreich gearbeitet haben und dann einen Kaffee springen lassen (dafür entspricht die Bolognese- der Arrabiatasoße – aber der griechische Salat ist bei den Albanern wieder gut).
Das Foto entstand in der wunderbar spacigen Hauptpost von Skopje. Sieht von außen aus wie ein in den 1960er Jahren gelandetes Raumschiff und innen sind von den 26 Schaltern drei besetzt. Da war dann natürlich Platz für Hanno.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Mazedonische Sonne


Dieses Land verfügt über die ästhetisch und farbkompositorisch ansprechendste Flagge der von mir bisher bereisten Länder. Das schränkt das Kompliment vielleicht zu sehr ein. Deshalb grad heraus. Die mazedonische Sonne in herzerwärmendstem Gelb auf rassigem Rot macht einen das Herz freudstrahlend hüpfen. Die Flagge zeigte ursprünglich den sechzehnstrahligen Stern von Vergina (Symbol des antiken mazedonischen Staates), das musste geändert werden. Mit so einer Flagge jedenfalls muss man ein gesundes Nationalbewusstsein haben, möchte man meinen. Da können die Griechen mit den Namensquerelen noch so nerven. Die mazedonische Sonne lacht sich eins und macht alles rot-gelb-gut.
Rot sind hier auch die Autobusse und dass es Londonstyle Doppeldecker (aus China) sind, überrascht aber beglückt mehr, als dass es verstört. Denn warum auch immer – sei's das gemütlich, Bummelige, seien's die positiven Londonerinnerungen, diese Doppeldecker schaffen es, nicht bloß als Verkehrsmittel, sondern vielmehr als angenehm großstadtprägendes Element betrachtet zu werden. Wobei bei 600.000 Einwohnern noch nicht unbedingt von einer Großstadt gesprochen werden muss. Global gesehen. National sehr wohl, bei insgesamt 2 Millionen Mazedonierinnen und Mazedoniern, wovon circa 25 Prozent Albaner sind.

Montag, 21. Mai 2012

Ostrava

Blühende Rapsfelder, ein gelbes Meer, 250 Kronen Zugaufschlag für den Pendolino, aber fröhliches Ankommen in Ostrau.
Hier trinkt man Ostravar oder Radegast. Böhmische Knödel kommen auch hier auf den Teller und die drittgrößte Stadt Tschechiens macht einen recht (nacht)lebendigen Eindruck. Landete in ein paar StudentInnenkneipen und gab mein bestes.
Auch am Vormittag drauf auf der Bühne.
Snunze prossim, sag ich nur!

Freitag, 18. Mai 2012

Was wurde eigentlich aus Antonin Panenka?

Werbestar

gesehen in Prag. Gefreut und ein Bier drauf getrunken. Nein, zwei. Okay, es waren drei aber auch ein Gulasch mit böhmischen Knödeln, gut, eine Krautsuppe vorher war auch noch dabei. Jedenfalls habe ich mich gefreut, denn alten Hasen mit Schlazscheitel und vermutich mittlerweile gefärbtem Schnauzer so freudstrahlend, glücklich gesehen zu haben. Hoch lebe der Panenka Schlenzer!

Dienstag, 15. Mai 2012

Sprechtime

Die Maltsch und die Moldau fließen in Budweis zusammen und mir sprüht grad Wasser vom Samson-Brunnen in den Nacken. Den finde ich insofern besonders, als dass beim Bau Zacharias Zorn wesentlich beteiligt war. Was für ein Name! Apropos: Sprechtime, mit Hashek über dem S und ein Stricherl überm i ist der Titel der Veranstaltung, also des Grundes meines heutigen Daseins.
Ich bin am Hauptplatz von Budweis und der ist ziemlich beeindruckend: 133 x 133 Meter misst der Namesti Premysla Otakara II (wieder fehlen all die Stricherln, sorry) und die Sprechtime Bühne steht direkt vor dem schmuck barocken Rathaus. Ich blicke ehrfürchtig auf die allegorischen Figuren an der Attika: Gerechtigkeit, Tugend, Weisheit und Tapferkeit. Ja, tapfer war ich eh. Übermorgen folgt die nächste Station dieses Tschechien Trips. Von Böhmen nach Schlesien. Von der Bierstast in die Industriestadt. Von Budweis nach Ostrau.

Die Anreise von Linz nach Budweis dauerte übrigens recht lang. Vor allem wenn man weiß, dass das grad mal 128 Kilometer sind. Seit 1832 gibt es diese Bahnstrecke. Damals zogen Pferde die Züge. Diese Pferdeeisenbahn war auch noch keine richtige Eisenbahn, weil es hölzerne Schienenstränge gab. 14 Stunden musste man seinerzeit für den Transport einplanen. Ich will also nicht jammern.

Dienstag, 27. März 2012

Oltenblockbuster

Pedro Lenz lebt in Olten als Dichter, Schriftsteller und schreibt als Kolumnist für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (u. a. NZZ, WoZ).
Lenz schreibt im Berner Dialekt und auf Hochdeutsch. Lenz ist als Autor Mitglied des Bühnenprojekts „HOHE STIRNEN“ und der Spoken-Word-Gruppe „BERN IST ÜBERALL“.
Lenz hat Texte für verschiedene Theatergruppen und für das Schweizer Radio DRS verfasst, war von 2007-2010 Mitglied des Teams der „Morgengeschichte“ von Radio DRS1 und war Slammer der ersten Stunde. Es gibt zahlreiche Bücher und CDs von Pedro Lenz, ganz druckfrisch ist die Übersetzung von „Der Goalie bin ig“ (einem, wie der Verlag wirbt, „Blockbuster der Schweizer Literatur“; übersetzt hat Kollege Raphael Urweider).
„Der Keeper bin ich“ ist auch in seiner hochdeutschen Variante durch und durch in mündlicher Sprach verfasst. Raphael Urweider hat Pedro Lenz die Übersetzung auf den Leib geschneidert, hat den Rhythmus des Originals wunderbar übertragen. Das ist natürlich eine Kunstsprache, aber eine äußerst gelungene. Hat man sich eingelesen, dann wird man vom vertrauten Redestrom wohlig umspült und von den lieblichen Satzschlaufen sanft eingewickelt. Man gewinnt den Keeper, der aus dem Knast kommt, lieb, erfreut sich an seinen nebenbei eingestreuten Lebensweisheiten und wünscht sich mehr solche Geschichten. Wenn man auch noch in den Genuss einer von Raphael Urweider am Klavier begleiteten Lesung von Pedro Lenz kommt, dann ist ohnehin alles perfekt.

Montag, 6. Februar 2012

Realitätsspamüberflutung


Nikolai Vogel aus München hat mit Spam Diamond im bei Haymon tb (Taschenbuch) sein Debüt vorgelegt. Vom Cover soll man sich nicht abschrecken lassen und der Titel passt schon.
Alles beginnt mit einer überraschenden Überweisung von € 3.000. Dann ein Mail mit Anweisung: Ab nach Antwerpen zur Übergabe. Der Erzähler lässt sich tatsächlich darauf ein, packt Rucksack und Zelt und steigt in den Zug. Das ging zwar alles mal leichter aber Thomas Vogel ist nach Abwechslung. Er wird nämlich älter und ist nicht ganz zufrieden mit seinem Leben. Abenteuer willkommen.
Vogel wird Geldkurier für eine dreckige Diamanten-Bande und bekommt (quasi als Spesenwesen) die schöne Veronique zur Seite gestellt.
Thomas Vogel verfällt Veronique vom Stand weg. Thomas vergisst seine Christine in München und hat nur mehr Veronique und Antwerpen im Kopf. Christine in München promoviert. Veronique in Antwerpen verführt (und prostituiert sich). Wein mit Christine – Bier mit Veronique. Schlechtes Gewissen und Spam da – Hochgefühl und Sperma dort. Aber zum Umkehren ist es zu spät und Christine in ihrer schwierigen Phase mit der ganzen Sache zu konfrontieren, geht halt auch nicht.
Das kann nicht gut gehen, denkt man sich und sieht dem Helden dabei zu, wie die Schlinge immer enger wird. Die Story bleibt unvorhersehbar, das ist schön. Es gibt überaschende Wendungen und einen guten Schluss. Soviel zum Inhalt.
Zur Sprache: Das Ganze beginnt vertraut schleppend und wird dann verstörend soghaft. Vogel spart mit Worten. Macht Klartext. Kommt fast forward zur Sache. Es geht um Unmittelbarkeit. Das zieht rein, saugt und zischt wie eine Bahntoilette. Wir sind im Kopf des Erzählers. Die Gedanken fliegen. Einflüsse schießen kreuz und quer. Und was liest der Held? „Keine weiß mehr“ von Rolf Dieter Brinkmann. Das gefällt dem Helden zwar gar nicht, färbt aber ab und hat schließlich doch auch auf die Geschichte Einfluss. Wie? Das sei hier nicht verraten. Eine Empfehlung darf aber ausgesprochen werden.

Dienstag, 24. Januar 2012

Stimmenfang


„Ida oder das Delirium“ von Hélène Bessette ist ein Roman oder ein Langgedicht. Jedenfalls ist es keinesfalls konventionelle Literatur. Die Lesegewohnheiten werden gebrochen, der Blocksatz auch. Das Buch ist verspielt gesetzt und tischt von Anfang an die Tatsache von Idas Tod auf. Dann aber geht es los. Dann greift die Autorin nach den Stimmen in der Luft.
Denn man kannte sie ja eigentlich gar nicht. Dieses Dienstmädchen, das sich als „Vogel der Nacht“ bezeichnete aber keine Flügel nur übergroße Füße hatte. Diese Magd, die nur einmal im Leben wirklich abhob und zwar, als sie von einem LKW erfasst und acht oder neun Meter weit in die Luft gewirbelt wurde. Tot. Selbstmord?
Man weiß es nicht, man weiß so wenig, hat aber viel zu fragen und vermuten über die Sechsundsechzigjährige Magd der Familie Besson. Auf einmal reden alle über sie, glauben alle, etwas zu wissen.
Da blühen Floskeln, Vorurteile und Sprachmuster. Da greifen alle in die Plapperkiste, ziehen Phrasen raus und stülpen sie der Toten posthum über. Wer spricht, ist nicht wichtig und nicht zuordenbar.
Es spricht die Gesellschaft. Der Ton ist bitter, die Handlung evident und eine Erzählhaltung gibt es nicht. Das ist nicht linear, das ist nicht montiert, das ist polyphones Gezwitscher und Hélène Bessette vermag es, all das herumschwirrende Gerede zu fassen. Hélène Bessette geht auf Stimmenfang und bringt die Kakophonie in Form, rhythmisiert das Gerede, komponiert daraus lyrische Prosa.
„Ida oder das Delirium“ war Hélène Bessette letzter Roman, der 1973 in Frankreich erschienen und nun erstmals auf Deutsch in der Übersetzung von Christian Ruzicska zu lesen ist. Hélène Bessette gilt als Vorreiterin des Nouveau Roman, dennoch blieb ihr der Erfolg zu Lebzeiten versagt, sie verstarb vereinsamt und verarmt 82jährig in Le Mans.

Montag, 9. Januar 2012

Matrosenchose


Judith Schalansky hat ein Gespür für schöne Worte, ein Faible für Fortbewegungsmittel und eine eindeutige Lieblingszeit.
"Blau steht dir nicht" ist ein sehr eigenwilliges Buch in 6 Kapiteln, die nur insofern zusammen hängen, als entweder immer über Meer, Inseln und Matrosen oder Fremde, Ferne und Eindrücke erzählt wird. Dazwischen gibt es immer wieder Fotos, die sich aufs Erzählte beziehen. Mal erzählt eine erwachsene Ich-Erzählerin von Reisen, mal wird von der heranwachsenden Jenny erzählt.
Die Heimatinsel von Jenny ist Usedom, das war einst im Osten, ist noch immer an der Ostsee und die Nachbarinsel von Rügen. Jenny lässt sich dort von den Großeltern die Welt respektive das Meer erklären. Das ist interessant und schön.
Dem Spülsaum begegnet man als Älpler ja kaum. Doppeldecker und Zeppeline als Kind der 1970er Jahre auch nicht. Aber Opas wissen davon ein Liedchen zu singen, das gut klingt in neugierigen Kinderohren.
Die Reiseberichte der Ich-Erzählerin sind alles andere als kindlich. Es sind poetische Sinnesräusche, dichte Schlaglichter auf einen Ausschnitt Welt, denen das Suchen, die Lebenssehnsucht anzumerken ist.
Mögen viele historische Fakten nach der Lektüre wie Schaumkronen wieder zerfallen, was bleibt, sind zahlreiche Seesterne, Bernsteinwetter und eine eindrückliche Schilderung der Berufsbild-Bedeutung: Matrose (Uniform inklusive)

Dienstag, 3. Januar 2012

Die Burzeltage der Mohrrübe


Kirsten Fuchs ist die Größte (Lesebühnenautorin).
"Eine Frau spürt so was nicht" heißt die Sammlung von Texten, die das zahlreiche Publikum der legendären Lesebühne "Chaussee der Enthusiasten" schon zu Gehör bekommen haben dürfte und die die LeserInnen des Magazins "Das Magazin" zum Teil schon gelesen haben sollten. Jedenfalls ist die diese Textzusammenstellung das reinste Vergnügen und dass das Buch, wie alle Voland & Quist Bücher, mit CD ausgeliefert wurde, ist natürlich das Tüpfelchen auf dem i. Jetzt sollte eigentlich ein Eigenschaftswort mit i folgen, um das gebührend zu unterstreichen, aber da ist die Auswahl insgesamt ja leider beschränkt. Irre? Nein. Irre gut, das ja.
Kirsten Fuchs macht aus jeder Alltagssituation einen originellen, lesbaren, untehaltsamen Text, der oft auch formal überrascht. Die großen Themen: Liebe, Männer und Kinder werden erschöpfend, erheiternd und erleuchtend abgehandelt. Erhellend auch die psychohygienische Funktion von Burzeltagen oder auch die Mohrrübe als patentes Tool die Welt zu erklären.
Mehr Beispiele sollen an dieser Stelle gar nicht gegeben werden, ein Leseratschlag allerdings schon. Bitte das Buch nicht ohne Absetzen lesen. Da setzt der Übersättigungsgrad zu früh ein und es kann nicht alles gebührend gewürdigt werden.
"Eine Frau spürt so was nicht" gerne am Nachtkästchen, unter dem Kissen, am Spülkasten oder wo auch immer es leicht griffbereit ist, ablegen und immer wieder aufschlagen, zuschlagen und nachschlagen (alte Lexikon-Lesart). Und obwohl die große Geschenksverbreitungszeit grad vorbei ist, dieses Buch gerne lieben Menschen schenken.