Donnerstag, 24. Juni 2010

Sanssouci


Unlängst sind ja Andreas Maiers „Neulich“ Kolumnen erschienen. Sein letzter Roman allerdings ist aus dem Vorjahr und heißt so, wie dieser Park in Potsdam. Sanssouci ist spannend, schlau und ungehörig ironisch. Da bleibt alles unausgesprochen und in der Schwebe. Da darf man sich alles selbst ausmalen. Die Farben werden allerdings bereitgestellt.
Die Erzählperspektive macht's aus. Die ist zwar auktorial aber doch immer einer Figur sehr nahe. Da wird dann sachlich große Jugendnaivität beschrieben oder blumig die Öko-, Vegetarier- und Demo-Szene. Das ist eine geglückte Gratwanderung. Nie verächtlich machend, immer im Dienst der Erzählung aber schon mit Unterton, der kontinuierlich anschwellt. Bis Majas Perspektive auf die Dinge endet. Das Personal geheimnisvoll, seltsam und interessant. Da haben wir also:
Nils: das Genie der Klasse. Faul, subversiv aber aktiv für das Gute
Maja: seine Freundin, die hübsche Kürbisfrau
Heike und Arnold: die zentralen Zwillinge; Geister, Boten, Mysterien
Merle: die Vegetarierin und Domina
Jesus: ihr Sohn
Alexey: der russisch-orthodoxe Mönch mit Detektivfunktion
Grigoris: der wahnsinnige Bulgare mit Hausaltar
Hofmann: Wodkatrinker, Russe, Gärtner, Mitwisser, Vater von
Anastasia: strebsame 2. Generations-Russin, kommt etwas vom Weg ab
Das haben wir da noch den Nachlassverwalter und Kümmerlingtrinker Dr. Mai, einen Punk mit Ziegenmeckerlachen namens Pöhland, den seltsamen Baron und noch ein paar Gestalten.

Und Hornung der Regisseur der Fernsehserie Oststadt kam bei einem Unfall im Park um. Wie? Nicht klar. Ominös. Der Park insgesamt: oben schön, unten rätselhaft und voller geheimer Kammern. Woher haben auch alle das Geld, um so unbeschwert leben zu können. Dass da gewisse Dienste ausgeführt werden, ist anzunehmen. Mitwissende schütteln den Kopf, mehr nicht. Das zwiespältige Verhältnis der Potsdamer zu Oststadt sorgt für zusätzliche Spannung. Der Kleinstadtkosmos überhaupt wird sehr erhellend dargestellt. Vom Buchhändler über den Oberbürgermeister bis zum Aussteiger (der alles weiß).
Und überdies ist dieser Roman formal, obwohl linear dahin erzählt, auch ziemlich eigen. Vor allem, was die Reden betrifft. Es wird viel geredet und das unkonventionell markiert bzw. bunt gemischt. Direkt, indirekt, direkt ausformuliert aber meist bloß Name/Er/Sie Doppelpunkt. Ach ja, jetzt soll wohl ein Resümee folgen, also nochmal Doppelpunkt: In Summe wieder ein toller Maier-Roman. Der Mann kann das.