Sonntag, 31. Oktober 2010

Zug abgefahren, Zeit um!


Oktober, Sommerzeit und Ptuj
na svidenje!
Auch Pragersko (im Bild das Bahnsteigklo in Pragersko) adieu!
Tschüss Thermalbad Ptju
(vier Punkte des 10er Blocks hab ich noch).

Auf Wiedersehen Bahnhofskneipe in Ptuj
(best Pljeskavica und Piacetto Espresso in town).

Habe die Ehre Kulturhauptstadt 2012.
Auf nie mehr Wiederhören all ihr nach außen gerichteten Lautsprecher mit Privatradiorotz.

Hvala lepa, adio se vidimo!

Samstag, 30. Oktober 2010

Ptujbetonung

Was wäre der Kommunismus ohne Beton gewesen?, fragt man sich immer wieder.
Parkbänke aus Beton, Terrassenbalustraden aus Beton, Straßenbeleuchtungshalterungen aus Beton, Balkonverdecke aus Beton, vormals Stuck, Holz, Schmuck aus Beton, vormals Ideen, Ein- und Vorstellungen aus Beton, Blumentröge aus Beton.
Gut, dass Beton nicht wieder nach wächst, sondern kaschiert werden kann.

Ptuj geht in die Blumentrogoffensive!
We proudly present the Kulturhauptstadtblumentrogcover!
Zu entdecken im Modell "Flotter Langquadersarg inklusive Blumenschmuck" (siehe Bild) und im Modell "Flowered Octogonoverkill"(bleibt uns hier erspart!)

Freitag, 29. Oktober 2010

Schild des Tages

Achtung Luftbrücke
für Schwanenbrot
oder
Achtung fliegende Brotprügel
oder
Achtung Haus spuckt Brotwecken
oder
Achtung Baguetteflugbahn
oder
Achtung hier führt wer was im Schilde
gesehen in Maribor am Ufer der Drava
welches sich im Übrigen von gut 50 Schwänen
geprägt und kotübersät präsentiert
doch kein Dreck der Welt kann diesen Tieren die Anmut verkacken.

Jandl würde wohl dichten:

schwanen schwanen
schwanen schwanen ahnen
schwanen ahnen bahnen
schwanen ahnen statt
schwanen pissen wasser
schwanenahnen pissen besser
schwanenstadt satt

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Suppensack


"Super Suppe" müsste auf slowenisch eigentlich
"Juhui Juha" heißen
Wobei "Juhui" zugegebenermaßen mehr ein
Begeisterungsausruf ist
als ein Adjektiv
Aber Sprachspekulationen anzustellen
muss erlaubt sein
Und hier sehen wir
Eine Pimmelwurst mit Sack im Darm
Eine Fersenfußwurst mit Bürzel
Eine Kühlvitrine mit allerlei Innereien
und all das in der Galerie mitten im Zentrum Ljubljanas
Martes Bathori heißt der Gute
In pork we trust - Utopia Porcina
die Ausstellung
Lecker!

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Hosenbundraffer

Das ist das Rathaus von Ptuj.
Da standen am Sonntagabend so richtige Fernsehübertragungswägen
mit großen Schirmen, Leuchtdiodenspektakel und allerhand Pling-Pling
Bürgermeister Stichwahlen
Weiß noch nicht, ob der Richtige gewonnen hat
Hab mir von beiden Kugelschreiber schenken lassen und von einer Seite auch einen
neongelben, reflektierenden Hosenbundraffer (quasi Anti-Hosenkettenfress)
Einer hat einen Schnauzer und der andere keine besonderen Merkmale

Dienstag, 26. Oktober 2010

Reputationsdesaster


Sie ist nicht sonderlich rühmlich
die Reputation Österreichs
im Ausland

Fritzls
allerorten

Und als ich mich neulich
in einer Bar
als Österreicher zu erkennen gab
bekam ich zwar ein Bier spendiert
musste aber für den Rest des Abends
Heil-Hitler-Grüße über mich ergehen lassen

Nicht lustig!

Foto: Lubljana (Uninähe)

Montag, 25. Oktober 2010

Thermoskanne meets Kittelschürze

Das Zimmer ist des Autors Schreibzimmer und war früher das Reich von Onkel J um den es in diesem Roman geht. Das Haus riecht nach dem Silagegeruch Js. Im Keller die eingebildete Werkstatt des Onkels. Da werkelt und schraubt er zwar rum, macht aber eigentlich nichts, denn hauptsächlich ist Onkel J ein Idiot, eine Zangengeburt, von Geburt an zurück geblieben, zeitlebens ein Kind, zu Schulzeiten das Opfer und auch das Erwachsensein wird ihm nicht leicht gemacht. Onkel J darf nicht im elterlichen Betrieb arbeiten (sein Vater züchtigt ihn mit dem Lederriemen und mag ihn nicht recht). J arbeitet bei der Paketpost in Frankfurt.
In Frankfurt das Paradies (Frauen!) - zuhause das Gesetz!

J ist fasziniert von technischen Dingen, beobachtet gerne Baustellen, Heino und sein VW Variant (den er vorwiegend dafür hat, um Botendienste für die Familie zu erledigen) machen ihn glücklich und im Wald oder in einer Wirtschaft fühlt er sich wohl. Dazugehören ist die Sehnsucht seines Lebens und wenn er in diversen Gasthäusern einkehrt und anderen etwas zahlt, fühlt er sich dazugehörig. J spricht in der „Wetterauer Geniesprache für eingebildete Ingenieure“ (S. 27). Das heißt, er hat ein Faible für Superlative, würde gerne Fachsimpeln können, ist aber nichts weiter als die „Wunde der Familie“.

Heimatfilme und Bergrettung, Jäger und Frauen sind die großen Leidenschaften des Onkel Js, dessen Leben neben der Sehnsucht auch von der Ehrfurcht geprägt ist und vom Warten. „Immer hatte er gewartet. War niemand da, war er wie abgeschaltet, ausgenommen im Keller, ausgenommen im Wald,“ (S. 61)

Andreas Maier stellt sich einen Tag im Leben seines Onkels J vor und bricht seine Beschreibungen immer wieder mit der Thematisierung seines Tuns. „Ich stelle mir vor...“ Und dadurch wird eine ganz eigene Atmosphäre geschaffen. Eine besondere Nähe zwischen Erzähler und Figur. Das ist zwar ein simpler aber äußerst wirkungsvoller Trick. Er wählt einen Herbsttag im Jahre 1969 blickt vor und zurück und kommentiert gleichzeitig die gesellschaftlichen Veränderungen. Es ist dies die Zeit des „großen 'noch'“. Man rauchte noch – immer und überall – man trank noch – so gut wie immer und überall – beides gerne auch in der Arbeit. In die Arbeit ging man noch mit Brotzeitdosen und Thermoskannen. Die Frauen tragen noch Kittelschürzen, die Kinder schlachten Meerschweinchen und auf der Kaiserstraße kommt langsam richtig Verkehr auf, sodass alle auf einmal an das Wort „Ortsumgehung“ denken müssen (So lautet übrigens auch der Arbeitstitel eines groß angelegten Zyklus. Das Zimmer ist davon der erste Teil.).

Es wäre leicht, diese Onkel Figur verächtlich darzustellen, so wie es für den Erzähler und seinen Bruder leicht war, den Onkel zur „Weißglut“ zu bringen, doch Andreas Maier liegt vielmehr daran, den Choleriker, Stinker und Kellergeist den Lesenden so näher zu bringen, dass ihn diese mit Fortlauf der Geschichte regelrecht lieb gewinnen müssen. Denn wirklich große Dummheiten begehen ja andere. Maier hebt die Gemeinsamkeiten zwischen Onkel und Erzähler hervor, beide Außenseiter im Dorf, beide naturverbunden. Darüber hinaus geht es in Das Zimmer um die Brutalität der menschlichen Natur, um die sukzessive Zerstörung der Heimat und Umwelt und dass Onkel J da nicht mit macht, ist eine seiner großen Qualitäten, da ist er frei von Schuld. Wenn denn Heimatdichtung als Genre eine Belebung notwendig haben sollte, dann bitte so!

Andreas Maier: Das Zimmer (Suhrkamp 2010)

Pragersko-Vertäfelung

„Hinweis: Längerer Aufenthalt“ steht dezent bei den Fußnoten auf dem Fahrplanauskunftsausdruck. Fürwahr, fürwahr: Ankunft Pragersko 15Uhr58, Abfahrt Pragersko 19Uhr40, Ankunft Ptuj 19Uhr53. Kein Scheiß! Mein Reiseführer kennt Pragersko nicht, im Internet findet man keine Unterkunftmöglichkeit, es ist ein Bahnknoten, das weiß ich, da zweigen sie ab all die Züge, in alle Richtungen nur nicht in meine. Will denn gar niemand nach Ptuj? Keine Busverbindung, kein Taxi, 3Stunden40 Bahnhofskneipe Pragersko. Ein krönender Wochenabschluss.

Was hab ich denn verbrochen? Warum mir? Warum hier?
Dass sich der Musikgeschmack der Lokalbetreiberin nicht mit dem meinen deckt, brauche ich glaube ich nicht näher erläutern und es fällt mir schwer, in der vermutlichen Einmaligkeit mehrere Stunden hindurch slowenische Schlager- und Dancefloorknaller hören zu dürfen, etwas Positives zu sehen. Ich werde mich den Gegebenheiten fügen und einfach brav Bier trinken. Vielleicht vergeht die Zeit so ja etwas schneller.
Zwei Stunden später.
Hab jetzt lang auf die Wandvertäfelung gestarrt und ins Glas geschaut. Tadellose Vertäfelung. Tipptop. Das Glas ist von Fruchtfliegen umschwirrt, das gibt auch was her. Bemerkenswerte Tiere diese Fruchtfliegen. Jaja, Langeweile kenne ich nicht. Ich hab ja mich.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Flausenkreislauf

Es herrschte hochkonzentrierte, gespannte Beiläufigkeit.
Da plötzlichte etwas in den Raum, was erst nicht auszumachen aber schließlich auch nicht abzustellen war.

Eine Aporieattacke in Camouflage, an Unwägbarkeiten kaum zu übertreffen, weil überdies gepaart mit apodiktischer Arroganz.
Das Ziel war von vornherein am Ende, ans Erreichen nicht zu denken.
Man hätte kotzen mögen, ob dieser verzwickten Lage.

Die Hoffnung auf Glimpflichkeiten dahin, Verlässigungen und Verlockerungen schwer vorstellbar, unzulängliche Verbalverbreiterungen nicht auszuschließen.
Da kann man Fährnissen noch so nicht abgeneigt sein, derartig In-den-Rückenfälle sind dann doch keine Quisquilien für die leichte Schulter.
Quitten und Granatäpfel, Quarkquellen und Grammelschmalz, sind als Vorläufigkeitspräparat durchaus adäquat, Soldat, ließe sich dazu sagen, kennte man Soldaten.
Und ein Handschmeichler im Hosensack hilft immer, ja, ein Handschmeichler gehört heutzutage in alle großen Hosensäcke.
So wie in jeden Kopf Flausen rein und aus jedem Kopf Flausen raus müssen.
Das ist der natürliche Flausenkreislauf, gegen den kommt man nicht an, das sind höhere Mächte, dem muss man sich ergeben, um irgendwie zu einem Schluss zu kommen.

Sonntag, 17. Oktober 2010


Zugfahren in Slowenien ist lustig.

Neulich war ich in Ljubljana. Davon bald mehr. Einstweilen: Winke-winke!

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Verstandnuss

Kühe werden in Ställen gemolken, geben dort ihr bestes her. Mich melkt mein Netbook, ein Kaffeehaustisch ist mein Brutkasten und ein Café in Ptuj mein aktueller Tippstall.
Produktives stottern und wortabtasten, permanentes Gestaltwandeln, hergeludert, hingeballt. Mein Rumpfkarpfen ist fett, es wird wohl Weihnachten werden.
Mein Kopf ist eine Saubohne, mein Schwanz ein Schmalzpinsel, komm her, Wamselkanne! Amelie seilt Perlschnursabber ab, passt genau so gut hier her wie aparte Dattereien einer Sprachrüstung mit Schmettergestell und Panikfratze. Überrascht von den drolligen Rüstigkeiten einer Wortwummse mit Schnippelgrips und Krümelpoetologie? Nicht. Oder? Wer knackt meine Verstandnuss? Eine Wusstseinsmachung im Türsturz der ästhetischen Bandscheibenvorfälle schieß ich jederzeit aus der Titanhüfte. Andersrote Blauäugigkeit oder keine Schwarzweißprahlerei liegt mir fern. Ferner Verbale Pentimenti (das sind Übermalungen, die früheren Farbschichten sichtbar belassen, lehrt der Kunstgeschichtsführer). Dann plötzlich schreibt mir mein geistiges Auge die Wörter Schnürschuh mit Gamsbärten vor, und ich weiß nicht, wo diese Kapitalhirschkarambolage herrührt. Zu Hülfe, fleh ich! Und was hör ich? Jenun, wenn dem so ist, dann mach ich doch heut einen auf Rettungsboje in der Kummerbucht, die einen Leuchtturm mit Schwarzlicht sucht. Auf-, nicht einlaufen und Schnauze halten ist erwünscht. In diesem Sinne: Klappe zu!

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Tobogan

Habe mir einen 10er Block für das Thermalbad zugelegt. Damit ich es schön warm habe, wenn es kälter wird und es wird schon. Nun möchte ich nicht weiter über einen herkömmlichen Badbesuch berichten, es gibt Schwimm- und Sprudelbecken genug, in der Sauna zieht man sich nicht aus, was bedingt dadurch, dass ich keine Brille auf habe anfangs skurrile Bilder in mir erzeugte, da ich das, was die Person auf der Brust hatte als Behaarung ansah und mich zwar über die außergewöhnliche Wölbung wunderte aber eben erst nicht registrierte, dass das ja Verhüllstoff. Nun ja. Die Rutsche jedenfalls heißt Tobogan und hat speed. Und nach Badebesuchen träume ich dann recht eindrücklich. Versuchtes Traumprotokoll respektive gefundene Wörter für einige Traumbilder der vergangenen Nacht.

Ich solle eine Liegestuhlstützregatta ins Leben rufen. Das sei ein sportnaher Wettbewerb bei dem man sich bäuchlings auf einen klassischen Hallenbad Liegestuhl zu positionieren habe und dann durch Wippen erreichen müsse, dass sich der Stuhl in den Entspannungsstand begebe. Worauf man sich dann mit eleganter und kräfteschonender, synchroner Armbeugestreckbewegung möglichst sanft wieder in den Aufrechtstuhlstand zu schubsen habe. Zu vermeiden seien laute Bodenaufschlaggeräusche der Gumminoppen, zu trainieren die Bauch- und Gesäßmuskeln sowie jene der oberen und unteren Extremitäten. Fortgeschrittene setzten sich einen Schuldschindelnimbus auf, was natürlich ungemein sanftere, kontrolliertere Bewegungen erfordere. Ein Hohlkreuz ist von Vorteil.
Macht alle mit, die Liegestuhlstützgeratta macht fit!

Ach ja, das Foto.
Das Foto würde ich "Floral-geometrische-Blumentrogimpression" nennen.

Tabu tabula rasa


Bei meinen Streifzügen durch die Buchhandlungen im deutschsprachigen Raum sind mir seit Sommer vier auffallend kantig, aufwändig bibliophil gestaltete und äußerlich unverwechselbare Bücher ins Auge gestochen. Haptisch erinnern diese an bereits ziemlich erfolgreich vom Fortschritt gefressene Videokassetten aber sie sind schwerer, liegen gut in der Hand und die Vermutung liegt nahe, dass hinter dem Verlag für Literatur „seccession“ alte Profis stecken dürften. Also nichts wie rein in „Mein Leben in Aspik“ dem Debütroman von Steven Uhly.

Man kann dieses Buch an einer beliebigen Stelle aufschlagen, daraus vorlesen und man wird sich prächtig unterhalten. Das ist eine große Qualität und auf jeden Fall ein Verkaufs- und auch Kaufargument für „Mein Leben in Aspik“. Der Held der Geschichte wird von seiner Großmutter „Jungchen“ genannt und dieses Jungchen macht alles, was von ihm verlangt wird und nimmt auch alles hin. Eine tragische Figur, ein Opportunist, wie er im Buche steht und wie wohl so viele, die für die jeweiligen politischen Entwicklungen verantwortlich waren und sind.
Wir verfolgen die „Entwicklung“ des Helden in etwa von den 1960er bis in die 1990er Jahre. Als Kind wurde er von den Erzählungen seiner Großmutter geprägt und gleich gehörig verstört. In der Liebe ginge es darum, wer das Sagen habe und böse Menschen müssten schon mal gewaltsam um die Ecke gebracht werden. „Sie ist schon sehr wild, meine Oma, dachte ich (...)“

Die Oma deckt schamlos auf, wer in der Familie mit wem was hatte und das nimmt inzestuöse Maße an, die man nicht einmal bei den Habsburgern oder in diversen geheimen österreichischen Kellern kennt. So ist beispielsweise Natascha Jungchens Schwester, Tante und Frau. Jungchen macht sich eh so seine Gedanken, zieht nur keine Lehren daraus.

„Meine Familie erschien mir wie ein Strudel, der mich rückwärts in die Vergangenheit zog, je mehr ich erfuhr. Was würde mein Vater und meine Schwester erzählen? Natürlich war ich sehr neugierig, zugleich aber überkam mich eine unbestimmte Angst vor neuen Abgründen.“ (S. 27)
Abgründe ist ein wichtiges Stichwort, Abgründe und das Drehen an der Realitätsschraube, davon lebt der Text. Das macht ihn skurril, witzig und herrlich durchgeknallt. Man kann sich in der ersten Hälfte des Buches oft kaum halten vor Lachen. Stilsicher geschrieben, scharfe Dialoge mit jeweils wertvollem Hintergrundpersonal oder -geschehen, das dann lust- und effektvoll mit dem Gesagten zusammenprallt und Humorfeuerwerke ergibt.
Inhaltlich ist „Mein Leben in Aspik“ ein hakenschlagender Parforceritt durch die Zeitgeschichte und in die Tiefen der menschlichen Existenz. Hier werden Tabus gebrochen, wird auf Werte geschissen und das traditionelle Weltbild aber schon so was von aus den Angeln gehoben, dass es eine reine Freude und wahre Lust ist, dem Helden weiter auf seiner Irrfahrt durch sein Leben und in die Vergangenheit seiner Familie zu folgen.
Doch irgendwann, und es lässt sich gar nicht einmal genau sagen wann, hat man das doch satt. Die Inzestverwicklungen sind es nicht, da ist mir als Österreicher doch nichts fremd, was möglich ist und da kann man schon froh sein, dass in Jungchens Familie keine Tiere im Spiel sind. Auch die Gefängnisepisode und die Familienzusammenführung am großen, runden Tisch im Indischen Restaurant, deren Folgen hier aus Spannungsgründen nicht verraten seien, nimmt man gerne hin und lacht sich ins Fäustchen, dass die Geburt von Schantal Maria José (und dass sie so heißt) ein Massenspektakel auf einem Bürgersteig ist, ist ebenfalls ein humoristisches Highlight, dass Geld nie eine Rolle spielt, weil der Opa eine große Nummer im Pornobusiness war, soll auch sein, dass sich der Vater dann plötzlich als die Rotlichtfigur Nummer eins in Berlin entpuppt und Jungchen in einem seiner Etablissements zum Barkeeper wird, weil er nun ja Vater ist, und auch Geld nach Hause bringen muss, ist dann aber vielleicht langsam genug des Immernochschlimmer.
Doch Jungchen wird selbst noch zum Zuhälter (ein braver), muss schließlich (weil auf der Flucht vor den bösen Zuhältern) untertauchen und wird so zum Obdachlosen, der dann bald mal durchdreht und seine Zehen verliert. Irgendwann ist da keine überdrehte Realitätsschraube mehr, sondern ein anything goes, das von nichts mehr zusammengehalten wird außer von den Lügen aller. Weil gar alles möglich ist, ist einem als Leser halt auch allmählich alles ziemlich egal.

Freilich posaunt die unermüdliche Oma zwischendurch: „Und lass dich nicht irre machen. Das leben ist verrückt, es kommt nur darauf an, dass du es nimmst, wie es kommt.“ Das macht Jungchen, denn da seine Frau im Koma liegt, nimmt er sich eine andere: It's „Karma“. „War ich eine Art Superödipus?“ fragt sich Jungchen und „War das nicht alles lachhaft?“ Ja, eh. Und daran kann auch die Suche nach dem wirklichen Großvater (den Jungchen ja in Visionen des Öfteren vor Augen hatte) nichts ändern.
Das „Nazi-Schwein“ das als Jude in München lebt, vollbringt das von Jungchen Vorausgesehene, der Schluss funktioniert auf bewährt postmoderne Art (und sei hier auch nicht verraten). Was bleibt, ist allerdings ein komisches Gefühl.

Ja, anfangs viel gelacht und dann vielleicht zu viel erwartet? Ja, es geht um das Lügen und Verdrängen von Dingen und ja, es ist mir klar, dass gezeigt werden sollte, dass diese irren Zustände nur deshalb möglich wurden, weil die Großelterngeneration eben auf Teufel komm raus (und der Teufel ist in diesem Fall das Beschriebene) gelogen hat. Vielleicht sollte man dieses Buch einfach nicht in zwei Tagen sondern häppchenweise lesen, denn den Faden kann man nicht wirklich verlieren und Unterhaltung kann man immer gebrauchen. Wieder zur Hand nehmen und passagenweise lesen, werde ich es bestimmt. Empfehlen kann ich es nun, da ich meinen Zwiespalt dargelegt habe auch.
„Mein Leben in Aspik“ ist ein Buch, über das man lachen und sich Gedanken machen kann. Ob man beides tun soll, weiß ich nicht.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Krompirjeva Juha

Nie, noch nie, selbst in Rom nicht, wurde ich so gut espressoversorgt wie in Ptuj. Ptuj: Espresso-drinkers-paradise. Überall, allüberall, große, fette, richtige Espressomaschinen keine WMF-Automaten (Kübel bin ich geneigt zu schreiben). Überall ausgezeichnete, herzschrittmachende Espressi und nicht nur die gängigen Großitaliener, sondern auch kleinere. Kräftig und gleichzeitig budgetschonend. So kann ich arbeiten oder – wie der Berliner so schön sagt – det lob ik mir. Die Formel ist einfach:

1 € für einen (fabelhaften) Espresso.
2 € für ein Bier (meist Lasko in Flasche, die Zapfhähne sind zwar vorhanden, doch selten in Gebrauch und es gibt ohnehin eine Unions vs. Lasko-Front, wer für was steht, muss ich erst herausfinden und ja, Lasko mit Hashek, den ich auch noch nicht gefunden habe auf meiner Tastatur) und
4 € für ein Mittagsmenü. Einige Stregel kenne ich mittlerweile schon und dober dan, adio und prossim gehen mir schon recht flüssig von den Lippen. Bei hvala verhasple ich mich noch öfters. Irgendwie liegt mir havla und halva immer näher.
Nun ja. Slowenisch werde ich in diesem Monat wohl nicht lernen, aber was hotel, toaleta, penzion, kalamari, pomfri, pire, omlet und park heißen, weiß ich und auch was juha heißt. Hinweis: isst man am besten heiß. Juhui!

Montag, 11. Oktober 2010

Svotsch


Ja, zum Lesen hab ich natürlich Zeit genug hier. Und warum in Slowenien nicht Schweizer Literatur lesen?
Arno Camenisch hat im letzten Jahr mit dem Roman Sez Ner (auf Deutsch und Rätoromanisch) debütiert. Soeben erschien (ebenfalls im Engeler-Verlag) sein zweites Buch „Hinter dem Bahnhof“.
Stehen im Erstling der Senn, der Zusenn und die Hirterbuben im Mittelpunkt bzw. deren Leben auf der Alp Stavonas am Fuße des Piz Sezner in der Surselva des Kantons Graubünden, so geht es im Zweitling um ein Dorf, in dem der Rhein „Maulwürfe und Fussbälle“ frisst, betrachtet aus dem Blickwinkel eines Kindes.
Das Dorf ist klein, doch es ist immer was los: Die Großmutter (die Tatta) wird eingeliefert, der Bruder von einem Auto angefahren, dem Ich ein Loch in den Kopf gehauen. Das Wibli frisst die Kinkelis (Hund frisst Hasen), Schi- und Verkehrsunfälle auf der Tagesordnung. Raue Sitten im Dorf das mit gezählten „16 Cüalschrancs“ aufwarten kann.
Dem Dorf fehlt es, so klein es auch sein mag, an nichts: Pfarrer, Doktor, Jäger, Dorfpoet (Gion Bi macht Poesias), Mechaniker („So, fertic, haut jetzt hab, sagt der Mehaniker oder ich mache mit euch Cakignoli Cakignoli.“), Exhibitionist (zeigt am Sonntag seinen „Pimperli“) und Eiertoni, alles da. Aber auch andere, der Giacasep zum Beispiel: „Der Giacasep wohnt unter uns. Er hat einen Laden und einen Schnuz. Er verkauft Schrubas. Er verkauft Nägel und Cätisägas.“ Alles klar?
Ja, man muss sich erst gewöhnen an die Sprache und Schreibweise aber dann, wenn man drinnen ist, dann tönt das wunderbar: „Wenn wir mit dem Philip spielen, gibt es Streit. Wenn es Streit gibt und der Vater das sieht, kocht er unsere Kinkelis. Der Philip sagt uns Schaissoberländers und dann bekommt er auf den Deckel.“ (S. 23)
Streiche („Ketschüp in die Schuhe vom Anselmo“) und Strafen („Zähne klopfen“), dann verlässt sogar mal wer das Dorf und selbst die Helvezia Wirtin macht mal Urlaub (und kommt mit Fotos, die sie auf einem Kamel sitzend zeigen zurück) Irgendwas passiert immer. Das klingt nach Kleindorfbusiness as usual und ist doch mehr und vor allem anders. Das Einzigartige und in dieser Form auch äußerst Gelungene ist die sprachliche Umsetzung.
Diese Gratwanderung: da die Hochsprache, dort der Dialekt und in der goldenen Mitte eben dieser schmale Grat, den Camenisch wagemutig und souverän beschreitet. Für alle lesbar aber näher dran an der abgebildeten Dörflichkeit. Und an den Ungeheuerlichkeiten. Denn der „Samiklaus“ bringt den „Gofen“ doch tatsächlich eine Schneeschaufel, dabei hätten sie doch soviel lieber eine „Svotsch“.
Der Winter ist lang im Dorf in den Bergen aber irgendwann wird wieder Frühling und alle Herzen erwärmten sich, wenn der „Tat“ nicht „mit schwarzen Kartoffeln in der Brust“ im Spital läge. Ende?
Nein, das Ich und die Silvana gehen Hand in Hand durchs Dorf, verlassen das Dorf, lassen es verschwinden. Arno Camensch jedoch hebt dieses Dorf auf die Bühne. Ein Dorf, zu einer Zeit, der Kindheit des Erzählers, im Mittelpunkt. Eine schöne Hommage. Genug jetzt? Nein, ein Absätzchen noch: „Der Cravattamensch redet huara lang, dass die Tatta ruft, die Leute haben Hunger. Am Schluss bekommt die Tante einen Blumenstrauss und Küsslis, legt den Strauss in die Küche neben den Fleischwolf und achtungferticlos beginnt die grosse Fressarai.“ (S. 55)
Mögen alle auf dieses köstliche Buch Appetit bekommen haben. 1-2-3-Besorgen-Verschlingen!

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Draußensitztick


Die Ptujerinnen und Ptujer beseelt ein unbedingter Wille zum Draußensitzen. Da kann ich nicht mit. Es ist Oktober. Da ist ein r im Monatsnamen und da war auch schon eines im letzten Monat. Nein, das ist nicht gut für Blase und Hämorrhoiden!
Es ist kalt, es regnet, es ist Oktober. Klar, es gibt dicke Kleidung Schirme und Wärem von innen. Aber, es gibt - außer man ist Kettenraucher - meines Erachtens keinen Grund, jetzt noch demonstrativ draußen zu sitzen. Draußen ist auch nicht keine Musik. Draußen sorgen mächtige Boxen für die Beschallung des öffentlichen Raums. Ich bin immer der einzige, der drinnen sitzt. Nicht dass ich nicht von vornherein als Tourist identifiziert werden könnte, aber so, mit diesem offensiven Drinnensitztick oute ich mich gleich doppelt: Fremder und verweichlicht.
Ojeh, so wird das nichts mit dem Leutekennenlernen. Dabei gefallen mir die Namen doch so: Olena, Tatjana, Bolena,....

Dienstag, 5. Oktober 2010

DJ Badewaschel


Das mit der Musikbeschallung ist wirklich eine Plage. Höre gerade zum wiederholten Male die Easy Listening Version von "Time of my life"und denke an tanzen, obwohl ich doch frühstücken will. Neulich im Thermalbad wollte ich saunieren und entspannen, da gab's allerdings gleich doppelte Soundbedienung.
Der Badewaschel dürfte eine eigene Anlage installiert haben und weil Sonntag Nachmittag und viel los war, wollte diese mit Proletenprügeltechno getestet werden. Kann man ja ausweichen, dachte ich aber selbst im Saunabereich plärrte - zwar nicht des DJ Badewaschels - doch auch Musik bzw. das, was Radiostationen halt so senden aus den gut versteckten Boxen: Werbung, Blabla und Plätscherplätscher.
Verlasse ich also meine Dichterkammer, so erwartet mich immer gleich 100%iges Kontrastprogramm. Denn dort ist's grabesruhig. Keine Lärmquellen, nicht mal der Boden knarzt, nur vor dem Fenster maunzt eine Katze, was mich fröhlich sehnsüchtig stimmt und an Mieze Medusa denken lässt.

Ach ja, dass Gotovina kein Name sein dürfte, wurde mir heute klar, denn heute hieß die Stregel von gestern Olena.

Montag, 4. Oktober 2010

Filzpuschen


Die Schuhgeschäftdichte im Zentrum von Ptuj ist überwältigend. Gut, dass ich ohnehin Hausschuhe brauchte. Die Wahl fiel mir schwer, aber eine im Hintergrund des Schaufensters lockende Filzpuschen-Wühlkiste dirigierte mich förmlich zu Natajas Laden und nachdem ich mich bepuscht respektive bepatscht hatte, konnte ich auch in Erfahrung bringen, dass Stregel nicht Kellnerin heißen kann, denn in Schuhgeschäften wird ja eher geschuht, als gekellnert.
Ich bin geneigt, anzunehmen, dass Stregel Bedienung und Natakar Kellnerin heißt. Gotovana (Espresso) ist nämlich Stregel und Natakar 2!


Der stolze Turm da ist übrigens der Stadtturm von Ptuj und das mit dem blauen Himmel war grad Zufall.

Natakar, Stregel, Znesek

Die ersten drei Frauen mit denen ich zu tun hatte, hießen: Maja (Kontaktperson), Darja (Steinpilzsuppe), Sonja (Espresso). Dreimal JA, das ist doch ein guter Anfang!, dachte ich mir oder womöglich gar ein Zeichen?, fragte ich mich.
Ich wollte es genauer wissen und trank mein erstes Pivo (Lasko, ja, klar, mit Hashek über dem s) und wer servierte mir das? Tatjana. Eine Wende schien eingeleitet (JA-NA) Ich ließ es gut sein und nachdem mir heute morgen SimoNA das Müsli mit Weintrauben kredenzt hatte, schaute ich nicht mehr auf die Namensschildchen bzw. Angaben auf den Kassazetteln.

Was mir nicht klar wurde, da ich bisher drei verschiedene Hinweise habe, ist, ob Kellnerin "Blagajnik", "Stregel", oder "Natakar" heißt. Ich werd's in Erfahrung bringen.
"Znesek" jedenfalls scheint sowas wie Betrag oder Summe zu heißen. In diesem Sinne: ich werde weiter Summen. HVALA!

Sonntag, 3. Oktober 2010

Ptuj ahoi!


Eben noch in Basel – jetzt in Ptuj
Juhui!!!

Dem Land Niederösterreich (Abteilung K1) und dem Unabhängige Literaturhaus NÖ sei Dank. Erstmals wird heuer ein Stipendium im neuen slowenischen Schriftstellerhaus in Ptuj/Pettau (25 km südlich von Maribor) vergeben, das der Arbeit an einem bestehenden literarischen Projekt oder der Erarbeitung neuer Texte dienen soll.
Ptuj ist die Heimatstadt des bekannten slowenischen Lyrikers
Aleš Šteger.