Dienstag, 31. Oktober 2023

Blau-weiß-Wurst

Alle immer so: Currywurst und Grönemeyer, Kohle und Stahl. Aber man muss doch auch mal über Opel und Aral reden. Ja, der legendäre Opel Kadett wurde in Bochum produziert und zwar von 1962 bis 1991. Der Opel Kadett hätte der neue Käfer werden sollen. Das gelang zwar nicht ganz, aber mit 7,5 Millionen in Bochum vom Band laufenden Kadetts, hatte man schon was geschafft. Der Slogan der Markenkampagne lautete: "Jung und schwungvoll" 

Das ist die Slamily auch, noch immer. Das ist schön. Jetzt gibt es sogar endlich mal wieder eine Siegerin und sie ist noch dazu Bestagerin, also aufgewachsen mit Opel Kadett und Aral. Denn Aral wurde auch in Bochum erfunden. Ja, Aral ist eine Tankstelle und blau-weiß wie Bochum, aber der Name kommt von den Hauptbestandteilen des neuen, 1924 in Bochum hergestellten, Kraftstoffs: Aromate (Benzol) und Aliphathe (Benzin). Aral erfand den weltweit ersten Superkraftstoff, Aral erfand Super und war lange Marktführer im Sektor Kraftstoffvertrieb. 

In Nassereith gab es in meiner Kindheit eine Aral und eine Esso-Tankstelle. Super verringerte das gefürchtete Motorklopfen und war teurer. Wer Super tankte, fuhr besonders gern und gern schnell. Die Aral-Tankstelle in meinem Heimatdorf war mitten im Dorf beim Maibrunnen und wurde von einer Tankwartin betreut. Die Esso-Tankstelle war gegenüber von unserem Haus an der Fernpass Bundesstraße. Ich habe dort viel Zeit verbracht, wohl passiv Benzin schnüffelnd. Es hat mir nicht sehr geschadet. Dass ich zweimal beim Überqueren der Straße an- und umgefahren wurde, war schon eher lebenseinschneidend. 

Unser Kadett war giftgrün und wurde von meinem Vater irgendwann mit schwarzen Rallyestreifen die sich vom Kofferraumdeckel, über das Dach, bis über die Kühlerhaube erstreckten. Er war das Familienauto in den 1980er Jahren und leider sehr reparaturanfällig. Aber dafür kann Bochum nichts. 

Bochum hat neun Parkhäuser in der Innenstadt und wenn ich vor dem Hotel steh, seh ich, wie viel grad frei sind in der Tiefgarage: 1140, 1137. 

Zadek und Peymann dürfen auch nicht unerwähnt bleiben. Durch sie wurde Bochum, das Bochumer Schauspielhaus zu einem Begriff in der Theaterwelt. Auch das war in den 1970er und 80er Jahren. Dann ist sowieso der Starlight Express ab- und über alles drüber gefahren. 

Seit 1988 rollen die menschlichen Züge auf Rollschuhen Tag für Tag durch die Halle. 12.000 Vorstellungen, 13 Millionen Zuschauer*innen, das erfolgreichste Musical an einem Standort weltweit. Und dieses Starlight Express Theater war die Spielstätte für das Slam23 Finale. Hui!  


Montag, 30. Oktober 2023

Ärpel und Schlaat

 

"Bochums Dreiklang, merk ihn Dir: Kohle, Eisen, Schlegel-Bier." So wurde früher geworben. Schlegel-Bier gibt es nicht mehr. Aber das Schlegel und den Schlegelturm. Das Schlegel ist die After-Show-Location und da gab es gestern allerhand zu feiern. Gleich drei Teams aus Österreich im Finale der deutschsprachigen Meisterschaften (Süßholz & Schnitt, Team MYLF und Annika & Tommy) und - Trommelwirbel - Annika & Tommy (Christoph und Julia) sind souveräne Team-Meister*innen. 

Das Schauspielhaus war voll und es ist ein großes, schönes Schauspielhaus. Ich saß auf Platz 960 in der 6. Reihe des Ranges und blickte auf eine begeisterte Menge. Im finalen Stechen mit der Nummer 1 am Start legten Annika & Tommy eine Wertung von 89,9 (von 90) vor und das Publikum spendete standing ovations - zu Recht. 

Alles, was sich in sechs Minuten sagen und machen lässt, Annika & Tommy haben es gemacht. Inhaltlich, politisch, performativ absolute Spitzenklasse und ein Auftritt, der wohl nicht nur für die neuen Teamsiger*innen sondern auch für 1000 Menschen unvergesslich bleibt. BRAVO!

Dass wir schon um 8 Uhr morgens beim Frühstück nicht nur die Sieger*innen des Vorabends, sondern auch sonst eine ganze Menge Slammer*innen treffen sollten, wer hätte das gedacht. Nicht nur wir wachen früher auf, schlafen weniger, gehen früher heim, trinken weniger, auch gar nicht so wenige Andere machen das. Es ist ja auch ein Kongress und nicht nur ein Festival. Es gibt ja auch Vorträge und Panels. Es gibt also allerhand zu erfahren und zu lernen. 

Es ist aber auch wichtig, Bochum etwas besser kennenzulernen und da das Wetter das heute zuließ und ja auch Montag - und somit wieder alles auf - ist, stürzten wir uns in die Einkaufsstraßen und erforschten den Stadtpark. Das hat sich als äußerst lohnend erwiesen: viele, schöne, alte Bäume; viele, bunte, fallende Blätter. 

Das Abenteuer des Tages war wieder mal eine Briefmarke zu bekommen. 

In der Tourist-Info hatten sie nur Inlandsmarken, die aber dann doch auch nicht. Im Postamt standen 20 Menschen in der Schlange, was mir für eine Marke dann doch auch etwas zu viel Aufwand war. Im Kiosk hatten sie welche, allerdings nur im 10er Set. Musste ich halt doch zurück in die Warteschlange und nicht am ersten Schalter aber schließlich doch nocht konnte ich eine 0,95 Cent Marke mit Blumenmotiv (Flockenblume sagt die Quittung) ergattern. 

Ich schrieb - wie schon in Budapest - gleich vor Ort und gab die Ansichtskarte ab, damit ich mir das Postkastensuchen ersparte. Ja, wer Ansichtskarten schreibt, dem wird es nicht mehr leicht gemacht. Immerhin war es sonst in der Tourist-Info sehr aufregend. Ich lauschte unterhaltsamen Gesprächen und kaufte allerhand Souvenirs: Rührpott Kochlöffel, Glück-auf-Grillzange, schwarze Lakritzherzen (quasi Kohle zum Lutschen vom Köhle). 

Bei Mutter Witting war es diesmal etwas gar zu verschlafen und das Mittagsangebot versprach zwar allerhand - Kapernsoße - aber naja. Hat schon gepasst, war aber nicht preiswürdig. Aber für einen Finaltag, war das ein sehr spannender, erholsamer und ja, fast eine Art Urlaubstag. 

Heute noch in die legendäre Starlight Express Halle und dann wird wieder mal genug sein mit Riesenevents. Vielleicht erleben wir ja noch einen mehr als erfreulichen Sieg aus den eigenen Reihen. 

Wir halten die Daumen.

Ärpel und Schlaat wird seit Tagen als Tagesgericht im Hotelrestaurant angeboten und ist wohl irgendwas mit Kartoffelstampf. Auch Muscheln werden hier mehr gegessen, als vermutet. Bochum die Heimat nicht nur der Currywurst. Bochum auch die Miesmuschel-Metropole.




Sonntag, 29. Oktober 2023

Sei's drum: Bochum

2010 war ich schon da. Da fanden nämlich auch die deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften hier statt. 13 Jahre später weiß ich kaum mehr was von der Stadt. Gut, wo das Freibeuter ist, weiß ich. Aber sonst gilt es die Stadt neu zu entdecken. Gefühlt hat sich allerhand verändert. 0,4 Bier kosten jetzt 4,90 €, 0,5 stolze 5,80 €. Es ist Moritz Fiege Pils. Ich kann die Brauerei vom Hotezlzimmer aus sehen. 

Wir sind gut untergebracht im Mercure-Hotel direkt am Hauptbahnhof. Beste Ausgangslage, alles fußläufig erreichbar. Das Bermuda3eck quasi vor der Nase, die Fußgängerzone mit Shopping-Allerlei auch. 

Aber ich bin ja da, um der Slam-Szene zu huldigen. Da bleibt gar nicht so viel Zeit für große Erkundungen, zumal wenn das Wetter macht, was es halt Ende Oktober so macht. Es regnet immer wieder - soll sein. 

Ich bin in einer Stadt, die 370.000 Einwohner hat. Die städtegeografisch ein Stückwerk ist, weil laufend eingemeindet wurde. Grumme, Hamme, Wattenscheid - ein Fleckerlteppich aus ehemaligen Ortschaften, jetzt Stadtteile. 

Die Stadt trägt ein Buch im Wappen, das ist schon mal nicht schlecht. Die Gegend war wohkl mal das Heim der Buchen. Ein Name eines Adeligen spielt auch eine Rolle. Aus Cobbos Buchensiedlung wurde Cofbuokheim und irgendwann dann Bochum. Blau-weiß war Bochum schon immer. Das Buch im Wappen hatte vermutlich einen Buchendeckel, denn im Mittelalter hatten Bücher Deckel aus Holz. Was bleibt ist ein überraschendes Wappen mit Buch für die Stahl- und Kohlestadt Bochum. 

Bochum wird gerne "Stadt mit Pfiff" genannt. Das hat mit der Hymne der Stadt zu tun, dem "Bochumer Jungenlied" vom Dichter August Friedrich Ferdinand von Kotzebue. Das ist doch mal ein  Name. Im Refrain dieser mehrstrophigen Hymne kommt "dreifacher Pfiff" vor und weil Strophe vier so gut zum Grund meines Bochumaufenthalts passt, sei sie hier zitiert:

"Wir sitzen so traulich beisammen und haben einander so lieb, erheitern einander das Leben, ach, wenn es doch immer so blieb."

Das passt ganz gut zum Slamily-Treffen dieser Tage. Es sind sehr viele "Altspatzen" gekommen, viele sind nur kurz gelandet und nach ein-zwei Tagen wieder weitergeflattert, aber sie waren da. Man trifft sich jetzt eher im Frühstücksraum so gegen 9, als in der After-Show-Location so gegen 2. Ist okay. 

Mein Arbeitstag war der Freitag. Da moderierten Doris und ich im Union Kino die Vorrunde #7 von 9. 9 x 9 Poet*innen im Einzel, 2 x 9 Teams im Team-Slam. Fabian und Elena und Süßholz & Schnitt, Team Julia und Chris (Stoner!) und MYLF weiter. Toll! Das heißt: Nichts wie raus und rein in die Kammerspiele und Daumen drücken und in die Hände Klatschen und morgen mehr.



Donnerstag, 19. Oktober 2023

Dunaj Poetry-Slam-Tour


 "Diese Scheine sind nicht mehr gültig", sagte sie vielleicht. Sie sprach ungarisch. Ich wollte einen Espresso. Wir hatten beide gute Absichten. Ihre waren berechtigter. Wir waren ja immerhin in Budapest.

Ja, ich war von Montag auf Dienstag (16./17. Oktober) 23 Stunden in Budapest. Eigentlich ja nur in Pest, auf die Buda-Seite hab ich es nicht geschafft. Aber ich habe viel gesehen, viel erlebt, wenig getrunken und gar nicht mal so wenig und auch gut geschlafen im Hotel Benzur. 

Aber zurück zu den ungültigen Scheinen.


Voll stolz hab ich meine Forint-Scheine aus der Lade mit den Fremdwährungen genommen und mir vorgenommen, diese nach Ankunft in der ungarischen Hauptstadt gleich in Kaffee umzusetzen und dann das. War ich wirklich so lange nicht mehr hier? Vermutlich. Jedenfalls peinlich. Der Kaffee war schon bestellt und nachdem klar wurde, dass ich kein Ungarisch sprach, war mit "No!" auch recht bald geklärt, dass meine Scheine nicht gewollt sind. Münzen hatte ich auch aber zu wenige. Ich verzog mich also unkoffeieniert und leicht geniert. Kein Einstand nach Maß. Es ging aber aufwärts. 

In der Folge sollte ich viele sehr freundliche und hilfsbereite Menschen kennenlernen und schließlich im Postamt landen, wo ich nicht nur eine Ansichtskarte frankieren und nach Tirol zu Mama schicken konnte, sondern auch meine alten Scheine 1:1 umwechseln konnte. Eine kleine Reisefreude. Wir reden hier von keinen 10 Euro. Aber es geht ja - wie in so vielem - ums Prinzip.

Der Grund meines in Pest-Seins allerdings war ein anderer. Katharina Wenty hat die Dunay Poetry-Slam-Tour organisiert und nach Wien war Budapest die zweite Station davon. Für das Team Ungarn waren Péter Mészáros und Veroni Gyenge am Start. Die Slowakei schickte Marcel Glasa (Šupazdela) und Diana Renner ins Rennen und mein Austria-Team-Buddy war Ö-Slam-Champ Emil Kaschka. Wir traten dann gemeinsam im Österreichischen Kulturforum auf inmitten einer tollen Ausstellung mit dem schönen Titel "Please give me something I can refuse" und Werken von Yulia Makarenko, Kincsö Bende, Arnold Reinisch, Eszter Szabó, Lotti Brockmann und Nadja Brachvogel. 


Das war eine tolle Kulisse: zerfließende Zuckermasken, schräg verfremdete Selbstporträts, narrische Schwammerlskulpturen und der obligatorische Kultur-Forum-Bösendorfer. Tretete ich öfter in Österreichischen Kulturforen auf, ich würde einen Bösendorfer-Flügel-Text schreiben und die Leute damit zum Abheben bringen. Die diesmalige Textauswahl funktionierte aber auch ganz ausgezeichnet. Das Publikum war bester Laune, die Auftretenden auch und so war es gar nicht groß der Rede wert, dass wir hinterher eine halbe Stunde durch die Stadt latschten, nur um schließlich in einer Kneipe zu landen, in der auf einem Riesenbildschirm ein Pub-Quiz angeschaut wurde. Egal. Dort gab man uns dann Sör: Soproni. Es wurde nicht sehr spät, denn Slammer*innen scheinen international insgesamt vernünftiger geworden zu sein. Dagegen ist auch nichts einzuwenden.

Die Hotelbar war schon geschlossen. Minibarbiere sind immer eine Niederlage, auf die ich zum Wohle des frühen Frühstücks verzichtete und so war ich schon gegen 8 Uhr wieder unterwegs. Strahelnder Sonnenschein aber herbstliche Kühle. 


Im Park Városliget wurde bereits Glühwein angeboten. So ist das nun: vom Spätsommer direkt in den Frühwinter. Der Herbst hat sich geschlichen. Ich streifte durch diesen mit Museen, Lokalen und anderen Kultur-Einrichtungen gespickten Park, staunte über die erfrischende Architektur und was fiel mir dabei ein? Ein Sprichwort: Außen hui und innnen... Denn es ist ja schon so, das Ethnografische Museum ist ein äußerst gelungenes Bauwerk, aber möchte ich wissen, was drinnen propagiert wird? I would rather not.

Viktor Orbán schüttelt gerade in Peking Vladimir Putin die Hand. Putin lobt Orbán. China lobt Orbán. Mir fällt auf, dass immer die Namen der Präsidenten (in diesem Fall nur Männer) genannt werden, außer bei China. Da ist es immer ganz China, das Hände schüttelt. Man stelle sich vor: 1,5 Milliarden Chines*innen schütteln gleichzeitig Hände. Das wäre vermutlich die größtmögliche Völkerverständigung. Jinping lobt Orbán. Da gibt es echt nichts zu loben, Leute! 


Ganz wohl fühl ich mich nicht, wenn ich in einem Land bin, dessen Politik ich so ganz und gar nicht aushalte. Na dann das Unbehagen wenigstens hier festhalten, dachte ich mir und machte ich hier jetzt ja auch.
Denn: Nein, ich möchte kein Schreiber eines vermeintlich höchstrühmlichen Königs (oder sonst eines Kaspers) sein.