Mittwoch, 10. März 2010

Jugend mit Gullivers Reisen, Doktor Dolittle und Wichsen

Gerhard Roth: Das Alphabet der Zeit: Seite 409-563

Mit der neuen Umgebung kommt Gerhard nicht so schnell klar. Nachbarn, Mitschüler, Lehrer; alles eine Qual. Aber die Leute waren ja allerhand gewohnt:

„Die immer vorhandene Rohheit hatte sich durch den Krieg einen kürzeren Weg vom Gedanken bis zur Tat gebahnt, und das Wegschauen hatte zur Überlebensphilosophie gehört. (…) Offenbar hatten sie in ihrer eigenen Kindheit und Jugend nichts anderes erlebt, und der Nationalsozialismus war nur ein 'Betriebsunfall' in einer verklärten schönen k. u. k.-Geschichte gewesen.“ (S. 421)
Der geschundene Held flüchtet sich nicht nur in Bücher, sondern auch vermehrt ins Kino und um ins Kino zu kommen, wurde alles unternommen, war jedes Mittel (jeder Schwindel) recht. In der Schule nämlich geht Gerhard durch die Hölle und wäre da nicht der Sport, seine Schnelligkeit und Waghalsigkeit beim Fußballspiel, wäre er gänzlich geächtet.

In diese Zeit fällt auch sein erstes Statement gegen die Kirche. Er heitert die Fronleichnams-Prozession durch einen Wasserbombenabwurf aus dem Wohnungsfenster auf. Das sorgt zwar kurzzeitig für Unterhaltung, dennoch will er sich immer öfter umbringen und übt sich im Luftanhalten, bis er entdeckt, dass man sich auch anders befreien kann. Ja, die Masturbation bestimmt künftig sein Dasein und alles ist ertragbar.

Ja, Gerhard setzt sich gar gegen seine Mitschüler zur Wehr, schlägt ungestüm um sich und wird daraufhin nicht mehr gedemütigt. Wichsen kann das Selbstbewusstsein eines orientierungslosen Jugendlichen erheblich stärken.

Österreichisches Erziehungsphänomen: „Ich beging den gleichen Fehler, den meine Eltern gemacht hatten: am wichtigsten zu nehmen, was die anderen über etwas dachten.“ (S. 519)