Montag, 30. März 2020

Schutzmaskenball

Bestandsaufnahme Status Quovid-19 Nummer 3

Schutzmaskenball from Markus Köhle on Vimeo.

Sonntag, 29. März 2020

CorOnaNie wieder!

 Wir sprechen durchschnittlich 16.000 Wörter pro Tag.
Das sind elf pro Minute.
CorOnaNie wieder“, rufen sich die Nachbarn neuerdings beim Akt gerne zu.
Das sind elf Wörter.
In der gleichen Zeit erhält Google 2,5 Millionen Anfragen.
Anfragen wie zum Beispiel diese: Coitus intermammorius
Anfrage klingt ja viel zu ausgefeilt.
Man hämmert ja bloß ein zwei Wörter ins Google-Fenster.
Coitus intermammorius zum Beispiel.
Und dann liest man, bzw. schaut man.
Ein Coitus intermammorius ist nichts weiter als Verkehr mit den Brüsten.
Wer Empfindungswörter wie „Oh!“ Symptominterjektionen nennt, muss vom Fach sein.
Wer Verkehr mit den Brüsten Coitus intermammorius nennt auch.
Wer hingegen glaubt, Sauna käme von sau nah, von sau nah dran am Ofen, von sau nah dran an den Pobacken und Rücken der Mitsaunierenden, der ist kein Fachidiot sondern bloß ein Trottel.
Sau nah, sau heiß, so weit so gut!
Was gerne nach Corona so bleiben könnte wie aktuell:
Öfter Sex haben, als in die Sauna gehen.

Samstag, 28. März 2020

Zeitverreib

Die perfekte Löffelung!

Nicht nur wir Menschen haben gerade sehr viel Freude daran, dem Menschen, dem wir per Verordnung nah sein dürfen, viel Nähe zu geben. Denn es hat sich etwas angestaut und aufgebaut bei all dem social distancing.
In der Öffentlichkeit herrscht der Abstand, daheim ist Kuschelherrschaft angesagt. Es wird munter gelöffelt, geherzt, geliebt. Das ist schön uns sei auch den Dingen, die grad verstärkt im Einsatz sind, gegönnt. Eine Reibe sein, ist hart genug. Reiben haftet etwas Schroffes an. Reiben sind gute Aufreißerinnen aber nichts für länger. Bei Reiben will niemand bleiben. Anders in Krisenzeiten wie diesen.
Neuerdings wird die Parmesanreibe von der Nudelkelle umworben. Der Suppenschöpfer pirscht sich ebenfalls an, ja Löffel aller Größen werden ihrer Bestimmung gerecht und löffeln die Reibe nach allen Regeln der Kuschelkunst. Das macht die Käsereibe glücklich, da strahlt sie über die ganze Reibfläche, da spiegelt sie sich mit dem Topfdeckelgriff um die Wette.
Da ist die Reibe im gesiebten Himmel. Da geht es allen gut. Da stellt man sich morgen gerne wieder in den Küchendienst. Das freut auch den Hausmann, den, um es internationaler auszudrücken, den 24/7-Home-Homme.

Freitag, 27. März 2020

Schotterblume

Die Tulpe des Tages!

Blüten statt Schotter

Frohsinn statt Depression

Frühling statt Winterfarce

Ottakringer statt Corona

Schüttbilder statt Schottergärten

Hoch- statt Kiesbeete

Rote Bete und Rübe

Rote Tulpen und gelbe

Rote Nasen und blaue

Kunterbuntes Drunterunddrüber

hoffentlich bald wieder

Donnerstag, 26. März 2020

Lebensentzugserscheinungen

Ich bin zum Morgenmenschen mutiert.
Heute um 6 ausgeschlafen aus dem Bett gesprungen. Die letzten Tage auch immer gegen 6 oder 7.
Das mag für viele normal sein, für mich war es vor Corona die Ausnahme.
Aber momentan gibt es einfach keinen Grund, die Nacht zum Tag zu machen, weil die Tage schon lang genug sind.
Ich verdiene kein Geld, aber ich brauch auch keins.
Das Lebenswerte findet momentan nicht statt.

Ja, gemeinsam kochen ist eh schön. Gemeinsam essen gehen aber auch.
Daheim trinken ist eine Totalniederlage. Außerhaus etwas trinken oft ein Gewinn.
Netflixen ist eh okay, aber ins Admiral Kino ginge ich lieber, ich ginge sogar lieber in die Lugner City, also ins Lugner Kino. Einzwei Lesungen/Theaterstücke/Konzerte streamen ist eh lustig, aber das Liveerlebnis halt doch was anderes.
Ich weiß schon: Minimalbetrieb.
Notbetrieb trifft es besser.
Kulturkonsum am Bildschirm macht mich auf Dauer traurig.

Mittwoch, 25. März 2020

Sesselreisen

Letzte Woche wurden Schreibtischsessel durch die Straßen und ins Home-Office geschoben. Diese Woche werden große Dinge verschoben. Kann ich alles verstehen. Gut sitzen ist wichtig, wenn man von zuhause aus arbeiten soll. Die Olympischen Spiele also erst 2021. Der Lyrik-Preis-Meran also erst 2021. Die Fußball EM also erst 2021.
Irgendwie hab ich das Gefühl, 2021 könnte ein sehr dichtes Jahr werden. Ist okay, ausgeruht, wie wir nach dem Coronaurlaub wider Willen alle sein werden. Meine Absagen reichen jetzt schon mal bis Mitte Mai. Bin gespannt, ob in der ersten Jahreshälfte noch was möglich ist an Auftritten. Bis Mitte Mai ließe sich durchstehen, die zweite Maihälfte ist start mit guten Terminen belegt. Wenn das alles wegfällt, dann habe die Ehre! Nein, dann habe ich viel Freizeit und keine Einkünfte.
Schreibtischsessel sind dann wohl dieses Jahr die einzigen, die auf Reisen gehen. Denn ein Urlaub im klassischen Sinn ist wohl nicht drin heuer. Ist nicht schlimm. Schlimm wäre nur, wenn wir auch noch im Juni in der Wohnung zu sitzen hätten. Denn ab Juni wird es sehr, sehr heiß in unserer Wohnung. Da ist an Arbeit, Kochen, Es-fein-haben in der Wohnung nicht zu denken, da muss man die Wohnung flüchten. Hoffentlich ist das in absehbarer Zeit möglich.
Um diesen Text etwas abzukühlen, sei hier ein Foto von DUM-Kollegen Martin eingefügt. Gestern gemacht in seiner Hood. Das kühlt und tut gut!

Dienstag, 24. März 2020

Tirol: Coronaherz der Alpen

2019 Ibiza – 2020 Ischgl. Dass Massentourismus böse ist, ist evident. Er ist aber vor allem sehr dumm. Menschen in Massentourismusorten lassen sich offenbar zu hirnrissigen Äußerungen hinreißen. Man muss aber gar nicht irgendwo hin reisen, man kann auch daheim Blödsinn verzapfen. Man kann sich auch mit einem Interview im Landesstudio Tirol für immer und ewig blamieren. Man muss dabei gar nicht unter Drogeneinfluss stehen, es genügt oft schon die Machthörigkeit, die bedingungslose Untergebenheit. Bedingungslos klingt nicht umsonst so wie besinnungslos. Besinnungslosigkeit fällt Menschen im Massentourismus sehr leicht. Den Zustand der Besinnungslosigkeit herzustellen, ist eines der Hauptziele im Massentourismus á la Ischgl und Ibiza. Besinnungslosigkeit und drumrum schöne Landschaft. Zwar immer mehr versiegelte Landschaft, zu betonierte, zu asphaltierte, vershoppingcenterte Landschaft. Aber im Grunde – haha – im Grunde sind die Gründe, ist die Gegend schön, ist das Grüne schön im Sommer, ist das Weiße schön im Winter, sind das Grüne und das Weiße Grund genug für einen Tirol-Urlaub. Das Rote und das Klare, also der Glühwein und der Schnaps, also das Blausein ist aber wichtiger und berauscht sind nicht nur die Gäste, berauscht sind auch die Touristiker. Die sind im Geldrausch. Die können auch gut schlucken. Sind Gierschlünde erster Güte und so ein Geldrausch macht zwar nicht betrunken, aber um so mehr besinnungslos, bedenkenlos und verantwortungslos. Er macht aber zudem mächtig. Macht in der Hand von besinnungslosen, bedenkenlosen und verantwortungslosen Menschen im Geldrausch, mit einem Harnisch aus Präpotenz und Provinzialität, einem Granitschädel und einem gut gewachselten Selbstbewusstsein führt zu Ischgl 2020. Ob es Rücktritte geben wird? Schwer vorstellbar. Denn an der Tiroler Vorstellbar ist Vernunft selten zu Gast. In der Tiroler Vorstellbar hat immer noch ein Massentourismuskonzept der 1970er Jahre das Sagen. Transparent ist dort nur der Obstler. Aufklärung ist dort ein Sex-Gags-Automat am Männerklo. Und die Universalstrategie lautet: Augen zu und durch. Möge ein Untersuchungsausschuss Augen öffnen. Mögen Recherchen von europäischen Zeitungen mit den Fingern in den schwärenden Wunden pulen.


Montag, 23. März 2020

Käsehunger

Bestandsaufnahme Status Quovid 19 Nummer 2, am 23. März 2020

Gassi gegangen werden from Markus Köhle on Vimeo.

Sonntag, 22. März 2020

Fastenzeit by Accident

Zweiter Sonntag mit Ausgangsbeschränkung. Spielplätze und öffentliche Sportgeräte sind gesperrt. Absperrbänder sind per se etwas Besonderes. Sie haben die Kraft, Dinge im Nu zu verwandeln. Hat Christo je was mit diesen rot-weißen-Absperrbändern gemacht? Ich nehme an, ja. Öffentliche Sportgeräte sind ja auch etwas Besonderes und zusammengeschnürt haben die dann schon etwas von einer Skulptur im öffentlichen Raum. Wüsste man es nicht. Es könnte auch ein "No Sports" Statement sein. Spazierengehen dürfen wir in Wien ja noch. Auch Joggen ist noch erlaubt. In Tirol ist die Lage da schon weit dramatischer. Das will ich mir nicht vorstellen. Wir haben keinen Balkon, keinen Garten, keine große Wohnung. Die strikte Quarantäne träfe uns schon sehr hart. Diese Woche war ich ja dreimal Laufen, das hab ich schon ewig nicht mehr geschafft, ist also ein positiver Effekt der Corona-Krise. Außerdem essen wir gesund, weil wir nur selber kochen und gute Zutaten einkaufen und saufen, ist grad auch kein Thema, denn wir trinken nur auswärts, haben kein Bier im Kühlschrank. Dass ich mich auf ein frisch Gezapftes irgendwann dann sehr freue, ist unbestritten. Das soll dann aber in einer Kneipe sein.
So beschert und die Corona-Krise eine ganz besondere Fastenzeit. Meine Hosen sitzen jetzt schon locker. Es ist also nicht alles schlecht, was gerade so zu tun ist. Einiges ist in die Zeit danach mitzunehmen. Noch kann von der Zeit danach allerdings nicht einmal spekuliert werden. Noch ist noch lange Notbetrieb.

Samstag, 21. März 2020

Schinken-Käse-Trost

Zitate, die grad wenig Trost spenden, aber doch gut sind:
„Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster.“
Antonio Gramsci
„In der Weltanschauung der indigenen Völker der Anden, blickt man vorwärts in die Vergangenheit.
 Der Zukunft kehrt man den Rücken, denn man weiß nicht, was kommt.“
Philipp Weiß
„Nur die Phantasie kann zur Wahrheit vordringen.“
Doris Lessing

Und zur Beruhigung ein Zitat, das grad Trost spendet, aber an sich ungut ist:
„Es ist schwieriger, sich das Ende des Kapitalismus vorzustellen als das Ende der Welt.“
Slavoj Žižek

Freitag, 20. März 2020

Das hilft garantiert gegen Corona!

Daheimbleiben. Daheimbleiben und lesen, kochen, essen. Ich koche gerne. Ich rette gerne den Reis vorm Überkochen, ich rühre gerne mit einem Kochlöffel in einer Pfanne rum, ich finde es erhebend, Knödel mit einem Knödelheber aus dem wallenden Wasser zu holen. Ich reibe gerne Karotten, wasche Salat, ja, ich schneide sogar gerne Zwiebel. Allein ich muss mir eingestehen, ich bin nicht sehr versiert im Umgang mit Messern und Reiben. 
Ich schneid oder reib mich täglich. Noch sind zwar alle Finger dran, aber in den letzten Tagen habe ich mir in den linken Zeigefinger geschnitten, die rechte Daumenkuppe leicht angerieben und der rechte Mittelfinger hat sich beim Herausholen eines Küchengeräts in dessen scharfe Schneidezähne gegraben. Momentan blute ich also täglich. Kein Grund zur Panik. Ein paar Blutstropfen fallen bei drei geriebenen Karotten nicht weiter auf. Ich bin nicht blutleer nur winterbleich. An sich also alles noch dran und mit Pflastern versehen.
Das Problem ist nur, dass durch das dauernde Tippen und Händewaschen die Schnitte nicht heilen wollen und immer wieder zu bluten beginnen. Das „i“ schmerzt am meisten. Es ist ohnehin ein Teufelskreislauf. Meiner Meinung nach bin ich nämlich nur deshalb gerade so schneidempfindlich, weil die Hände so weich sind vom vielen Händewaschen. Nicht dass ich sonst Fischerhände hätte. Ich bin Sprachwerker und im Handwerklichen weitgehend talentfrei, habe aber jahrelang Schlagzeug gespielt und an sich nicht so softe Hände. 
Gut, die Reiben und Messer sind neu. Aber früher hat man sich auch geschnitten und da blieb die Reibe dann halt in der Hornhaut hängen oder man zog das Messer ohne Blutspur aus der Fingerkuppe. Jetzt aber an allen Fingerenden leck. 
Ich mag es nicht als Alterserscheinung auslegen, ich hab weniger Problem damit, zuzugeben, dass ich einfach ungeschickt bin und unser Küchengerät früher stumpfer, schlechter war. Außerdem hab ich früher keine Karotten oder rote Rüben gerieben, denn Karotten und rote Rüben verirrten sich nicht in meinen Kühlschrank und Faschiertes war schon zerkleinert. 
Ja, ich lebe mittlerweile gesünder. Ja, Corona veranlasst mich dazu, noch gesünder zu leben. Denn wenn schon kochen, dann mit Rohmaterial. Dosen kommen mir keine ins Haus. An Dosen kann man sich nämlich ganz fürchterlich schneiden. Weiß ich aus Erfahrung von früher. 
So, jetzt muss ich aber aufhören. Der „k“, „i“, „Beistrich“ Finger schickt sich nämlich schon wieder an zu bluten und ich will mir hier ja nicht die Tastatur versauen. 
Eins noch. Warum der Titel? Das hat mit den potenziell nach Rezepten gegen Corona Googlerinnen und Googlern zu tun. Vielleicht bringt mir diese Überschrift mehr Leserinnen und Leser. 
Jedenfalls: Gesund und ganz bleiben! Und: Cut!

Donnerstag, 19. März 2020

Fieberkopf Köhle


Bestandsaufnahme Status Quovid 19 am 19. März 2020



Mittwoch, 18. März 2020

Coronahotspot

Jetzt also auch Sölden und St. Christoph unter Quarantäne. Verdachtsfälle? Der Bürgermeister sagt mal so: "56 Personen sollen jetzt mal daheim bleiben." Wie bitte? Daheim bleiben sollen alle und alle, die mit dem infizierten Barkeeper - auch hier, wie in Ischgl also ein Barkeeper - in Kontakt waren, müssen in Quarantäne.
Ich muss ja gestehen. Ich war von 6. bis 8. März in St. Johann in Tirol. Auch das ein Tourismusort erster Güte. Ich war allerdings beim artacts Improvisationsmusik und Free Jazz Festival. Viel los war auch dort.
Auch am 10. März war ich wieder in Innsbruck, weil ich an sich eine Lesung in der Bücherei Arzl halten sollte, die dann abgesagt wurde. Dann gingen wir halt auf ein paar Bier - auch da kommt man in Kontakt mit Menschen. Nicht ganz so eng wie im "Kitzloch" aber schon auch. Und Barkeeper sind die Coronaschleudern, soviel ist schon mal sicher.
Schlechte Gedichte helfen nicht gegen Corona, aber Humor ist in diesen Tagen ganz besonders wichtig und schlechtes Bier war ja noch nie eine Lösung, kein Bier aber auch nicht. Deshalb hier ein weiteres Gedicht. Mögliche Titel:

Sport spart Sprit

Ausgangsbeschränkung ist ein sperriges Wort
Spazierengehen ist noch kein Sport
Corona ist als Virus besser als als Bier
Und hier steht als Nummer vier

Dienstag, 17. März 2020

Bezuschussung

Es gibt Schönes zu berichten. Klar, wir haben alle Verdienstausfälle. Aber die Literarmechana fühlt sich dafür zuständig und handelt mehr als schnell. Eine einfache Aufstellung der Termine, die ausgefallen sind mit kurzer Beschreibung über Veranstaltung und vereinbartem Honorar reicht und man erhält wenig später die positive Nachricht, demnächst einen einmaligen Zuschuss für die erlittenen Einbußen überwiesen zu bekommen. Das ist unkompliziert und höchst erfreulich. Da sitzt man doch gleich noch lieber am Schreibtisch und haut in die Tasten, auf dass Neues entstehe, für das sich die Literarmechana künftig ebenfalls zuständig fühle. Wir sind nicht allein.
Ein Teenager will man gerade nicht sein. Ich kenne welche. Bin verwandt mit ihnen. Zum Teil sind sie grad in der Sturm-und-Drang-Phase, das klingt mehr nach Literaturgeschichte als es sollte. Sagen wir es grad heraus: Sozialkontaktvermeidung ist das Letzte das sie gerade wollen. Das haben sie die vergangenen 15 Jahre lang gemacht (Familie ausgenommen) und jetzt, da das andere Geschlecht, die vielen anderen Geschlechter gerade so richtig interessant wären, es all die anderen Menschen in der näheren Umgebung nicht nur online sondern for real zu erkunden gälte, jetzt soll man im Zimmer hocken und nichts und niemanden angreifen. Das ist sehr, sehr ungerecht.
Ein billiger Zweizeiler ist  hier alles andere als hilfreich, folgt aber.
Möglicher Gedichttitel:
Smells Like Teen Spirit Corona-Style
Ich bin 18 und will ausgeh'n
Und was muss ich? Daheim bleiben wegen Covid 19

Montag, 16. März 2020

Aufbackbrötchenparty

Beim Laufen am Vormittag in der Kleingartensiedlung auf der Schmelz begegne ich vorwiegend Menschen mit Kinderwägen oder Hunden. Es ist ein wunderschöner Frühlingstag, auf den Bänken sitzt fast niemand. Die Schrebergartenbesitzerinnen und -besitzer machen Gartenarbeit, ein paar Joggerinnen und Jogger drehen Runden. Sonst nicht viel los an diesem Montag, den 16. März ein paar Stunden vor dem Zusperren aller Lokale.
Die Schulen sind weitgehend leer, das Betreuungsangebot allerdings aufrecht. Die Straßenbahnen und Busse sind mehr genützt, als vermutet, aber viele Menschen sind nicht am Weg. Um 15 Uhr dürfte sich das Bild - so sich alle daran halten - noch einmal drastisch ändern. Ich bin gespannt.

Mein dringender Grund, das Haus zu verlassen, ist ein Verhütungsengpass. Die Kondome werden knapp. Packungen in unterschiedlichem Design der Firma "Einhorn" (fair, aus Berlin) sind ausreichend lagernd im BIPA-Nahversorger. Ich wähle eine Pommestüte und eine Packung mit Regenbogen scheißenden Einhörnern und freue mich schon auf den Abend.
Es ist 15 Uhr, ich spaziere die Thaliastraße entlang und schaue, ob die Kebabläden und Wettbüros tatsächlich zusperren, was sie machen. Ich schlendere auch über den Spielplatz vor dem Amtshaus und stelle fest, er ist gänzlich menschenlos. Ich denke mir, jetzt noch in den SPAR, mach es, will mich mit Obst und Gemüse eindecken, was ich mache. Es ist genügend Angebot vorhanden, einzig die Bio-Bananen sind aus. Ansonsten die üblichen leeren Regale: Klopapier, Pastasoße, Dosenmais - aber, neu - auch Aufbackbrötchen erfreuen sich aktuell sehr großer Beliebtheit - und, das ist dann doch eine Überraschung - das Schnapsregal ist leer. Sollen die Menschen ruhig Schnaps trinken und Brote aufbacken, so lang sie zuhause bleiben.

Sonntag, 15. März 2020

Katzenstreuengpässe

Nach Hause telefonieren ist weiterhin erlaubt. Nach Hause telefonieren hatte schon ET für sich als Allheilmittel erkannt. Nein, ET hatte Sehnsucht, aber Telefonkabel zu ETs Planeten waren nicht verlegt und Satellitentelefone gab es noch nicht. Man stelle sich vor, das Telefon und Internetz bräche dieser Tage zusammen. Wie lange es die Menschen dann wohl in ihren Wohnungen und Häusern aushielten? Vermutlich nicht lange. Noch sind sie ja auch noch nicht lange in denselben. Kanzler Kurz verkündete heute Vormittag: "Es gilt. Bleiben Sie zu Hause!"
Die Österreichischen Maßnahmen die vor zwei Tagen angekündigt wurden, wurden natürlich von der Bevölkerung nicht ernst genommen. Jetzt aber richtig. Ab Dienstag sind alle Lokale zu. Die Grenzen zu Deutschland sind ab sofort auch zu. Spiel- und Sportplätze zu. Österreich wird runter gefahren. Der Neustart kann dauern.
Bruder Bernhard bekam gestern keine Katzenstreu mehr. Er tröstete sich mit Blumenerde. Blumenerde nicht anstelle von Katzenstreu aber zur Balkonblumengestaltung. Glücklich, wer einen Balkon hat. Glücklicher, wer einen Garten hat. Am glücklichsten, wer Haus im Grünen hat. Aber permanentes Glück ist ja, kann ja kein Ideal sein.
Persönliches Glück, also die Beziehungstragfähigkeit wird sich in den kommenden Wochen, in den jeweiligen circa vier Wänden weisen. Wahrscheinlich ist der Faktor "Quadratmeter Wohnfläche" (qmwof) in der  Beziehungsglücksformel relevant, der Faktor "Zeit" (t) sowieso. Weitere Faktoren stellen sich mit der Zeit erst heraus. Das heißt, von einer Formel kann noch nicht gesprochen werden. Die Entwicklung ist aber im Gang.

Die Palmkätzchenkur

Mache meinen wöchentlichen Gang auf den Yppenplatz zum Bauernmarkt. Mache alles wie immer. Es ist aber nicht alles wie immer. Der Brotstand und auch mein Kartoffel- und Rübendealer sind bereits ausverkauft. Es ist viel los, es wird viel angeboten. Ein Standler interpretiert die Situation für sich sehr verhaltensoriginell, er verlangt für das Kilo Zwiebel 5 Euro, für das Kilo Karotten 6 Euro. Sein Geschäft hält sich noch in Grenzen. Manche Menschen legen ihren Charakter sehr schnell bloß. Beim Anstehen und Behaupten, an der Reihe zu sein, gibt es die "Ich, ich, ich"-Schreier, die dann auch noch blöde Fragen und Sonderwünsche haben. Es gibt aber auch viele Menschen, die ganz gelassen anstehen und versuchen, Abstand von einander zu halten. Ja, die, die einem in den Nacken atmen gibt es leider auch.
Noch ist das ja alles offiziell erlaubt. Ob sich das Verhalten am Montag massiv ändern wird, wage ich zu bezweifeln. Telefonieren jedenfalls ist gut und tut niemandem weh. Bruder Thomas berichtet aus Nassereith - nicht sehr weit von der Quarantäne-Zone Paznauntal entfernt. Ein Arzt aus einem Nachbardorf hat sich infiziert und das Virus sicher weiter verbreitet. Die Straßen sind verlassen. Die Leute bleiben in den Häusern. Die Schule - er als Schulleiter - hat offen zu sein. Der Bürgermeister hat ihm geflüstert, dass das wohl nicht bloß wochenlang so sein wird, dass den Gemeinden wohl nahegelegt wurde, keine Investitionen mehr zu tätigen, sondern Rücklagen zu bilden.
Es geht die Runde vom Barkeeper in Ischgl, der wohl noch tagelang weiter arbeiten musste, wissend, dass er infiziert war. Er ging quasi viral - international. Dahinter stand ein großer Tourismus-Boss, der wohl auch durchsetzte, dass die Skigebiete nicht so schnell wie die Kulturbetriebe geschlossen wurden.
Bruder Bernhard bringt uns Brot, er kriegt dafür Bücher. Das ist ein Tauschsystem, auf das wir uns verstehen. Er bringt auch Palmkätzchen und Forsythien - es ist ja nicht bloß Corona-Time sondern schon auch Frühling. Um hier auch mal ordentlich abstruse Theorien zu verbreiten: Palmkätzchen und Forsythien in einen 0,5 Liter Donauinselfest-Becher gesteckt, gewässert und auf den Küchentisch drapiert hilft gegen Coronainfizierung, sofern man selbst sich ebenfalls an den Tisch platziert und den Palmkätzchen und den Forsythien beim auf- und verblühen zuschaut. Ist gar nicht mal so abwegig geworden, denn Daheimbleiben hilft ja wirklich.
Bernhard wirft ein, dass es jetzt eine gute Zeit dafür wäre, über ein Grundeinkommen zu reden. Es ist auch eine gute Zeit dafür, hervor zu heben, was politisch alles möglich ist. Ob das zum Wohle der Maßnahmen gegen desn Klimawandel ist oder genau das Gegenteil, auch das wird sich weisen. Vermutlich fallen diese sowie auch die Steuerreform aber den Auswirkungen der Corona-Krise zum Opfer. Krise scheint in diesem Fall das passende Wort zu sein.
Zum Bild: Wasser trinken ist gut, hilft aber nicht gegen Coronainfizierung, selbst wenn eine Zirbenkugel das Wassergefäß ziert und eine Kristallsäule das Wasser auflädt. 

Das Tier der Stunde - der Hamster

Seit Freitag, den 13. März ist also klar, dass ab Montag, den 16. März noch nie da gewesene Maßnahmen in Kraft treten, die das Leben ganz schön auf den Kopf stellen werden. Ich mache mich also auf den Weg, um zu schauen, ob schon nach Bekanntgabe der drastischen Einschnitte sichtbare Veränderungen in meiner Umgebung spürbar sind.
Mein Weg führt mich vorbei an meinem Nahversorger. Ja, auch hier ist das Klopapier ausverkauft. Menschen aller Altersschichten tragen so viel Klopapier sie tragen können in ihre Wohnhöhlen - als ob es sich beim Corona-Virus um eine Magen-Darm-Grippe handelte. Taschentücher gehen nicht so gut. Klopapier ist der Renner. Das größte Leid, dass sich der Mensch akutell vorstellen kann, ist offenbar Klopapierknappheit. Meinetwegen. Sagt auch schon genug. Außerdem aus: Dosenmais und Pastasoßen. Ich sehe sie vor mir: Sugo in den Topf gekippt mit Dosenmais aufgepeppt, Nudeln gekocht (Nudeln sind nicht aus, nur die Billigware), reingeschaufel und dann bloß drauf wartend, endlich aufs Klo gehen zu können, um den Scheiß loszuwerden. Wenn immerhin dieses Bewusstsein vorhanden wäre.
Gönne mir am Yppenplatz mein letztes Bier nach vier, versuche zuerst "GRM" von Sibylle Berg zu lesen, lausche dann aber doch lieber meiner Umgebung die kursierenden Geschichten ab. Von "übertrieben" ist die Rede. Es wird viel geredet und irgendwie ist Corona der neue Fußball: alle haben was zu reden, alle glauben, sich auszukennen, laufend gibt es zu kommentierende Neuigkeiten, Italien ist wieder mal meilenweit voraus, Spanien zieht aber nach, Deutschland ziert sich noch.
Sehe Menschen mit Wasserflaschen durch die Gegend laufen. Kann Zufall sein, kann aber auch sein, dass sie daran glauben, dass es gegen Corona hilft, wenn man alle 15 Minuten Wasser trinkt. Weil sich so die Magensäure verdünne und blablabla. Das mag gegen das Bier Corona helfen nicht aber gegen das Virus.
Andere Leichtgläubige vertrauen auf den Selbsttest: 10 Sekunden die Luft anhalten, dann weiß man ob man das Virus hat oder nicht. Echt? Wenn man nicht zehn Sekunden lang die Luft anhalten kann, dann hat man auf jeden Fall ein Problem, Covid-19 muss dieses aber nicht heißen.

Samstag, 14. März 2020

Urlaub in Quarantänemark

Das ist ein übertriebener Titel. Wien ist nicht unter Quarantäne. Heiligenblut, das Paznauntal und St. Anton am Arlberg sind aktuell unter Quarantäne. Aktuelles ändert sich allerdings gerade sehr, sehr schnell. Deshalb soll hier festgehalten werden, wie sich die Ereigniesse und Erlässe gerade überrollen. Zwei Tage vor der Schließung sämtlicher nicht lebensnotwendiger Geschäfte, zwei Tage vor der Schließung der Cafés, Bars, Gasthäuser um 15 Uhr, vier Tage nach dem Verbot, Veranstaltungen von mehr als 100 Leuten in geschlossenen Räumen abzuhalten. Alles große Einschnitte in unser aller Leben, die bald schon wieder überholt sein können. Deshalb hier ein simpler Bericht der letzten sechs Tage.
Wenn man mitten in ereignisreichen Zeiten ist, kommt einem oft ja das Festhalten des Passierenden gar nicht so wichtig vor. Man hört lieber die gerade laufende Pressekonferenz und erfährt dadurch eh nicht wirklich sehr viel Neues, vergisst aber darauf, was sich schon alles abgespielt hat. Was am Dienstag dieser Woche noch total erzählenswert war, kann ich jetzt niemandem mehr auftischen, alles längst Schmäh von gestern. Aber längst nicht unwichtig für die Entwicklung. Diese Woche ist eine permanente Zuspitzung, es seien die letzten Tage hier nachgezeichnet und dann versuche ich, am Ball zu bleiben.
Der Montagmorgen (9. März) begann so erfreulich. Eine Nachricht aus Meran in Südtirol. Herzlichen Glückwunsch, Sie sind unter den 9 zum 15. Meraner Lyrikpreis geladenen Autor*innen. Die Lesungen finden am Freitag, den 15. und Samstag, den 16. Mai 2020 in Meran statt. Oh, Meran - schön. Lyrikpreis - super. Auch schön, dass sie so optimistisch in die Zukunft schauen. In zwei Monaten wird man schon wieder nach Italien einreisen dürfen, denke ich mir am Montag, den 9. März am Frühstückstisch und freue mich auf die Reise dorthin.
Vorerst aber freue ich mich auf meine Lesung in Arzl am Dienstag, den 10. März in der kleinen Bücherei dort. Im Zug versinke ich fröhlich in Arbeit, ich komme in Innsbruck an und alles hat sich verändert. Seit Dienstag, den 10. März um 11 Uhr gilt ab Mittwoch, den 11. März die Regelung, dass Veranstaltungen über 100 Menschen in geschlossenen Räumen verboten sind. In der Bücherei Arzl hätten sicher keine 100 Menschen Platz, auch tritt die Regelung auch erst einen Tag später in Kraft, aber es wird, was ich durchaus verstehen kann, abgesagt.
Am nächsten Tag - Mittwoch, den 11. März - wäre ich Veranstalter in der Bäckerei: Slammer.Dichter.Weiter. mit Janea Hansen aus Wien und Emil Kaschka. Die Bäckerei würde die Veranstaltung noch erlauben, ich bin mir aber sicher, dass es besser ist, abzusagen. Weil ich keinerlei Überblick darüber habe, wieviel Menschen kommen würden. Tags drauf, geht dann eh die offizielle Meldung raus, dass bis 3. April mal alles abgesagt ist. Dass der reguläre Bäckerei Poetry Slam davon betroffen sein wird, war ohnehin klar. Wie auch immer - alles verständlich. Wenigstens treffe ich am Dienstag-Abend Freunde zum Biertrinken. War ich halt auf Pizza und Bier mit Freunden in Innsbruck (umgerechnet die teuersten Biere - Hotel musste ich ja schon bezahlen).
Am Donnerstag, den 12. März hätte ich einen dreistündigen Workshop im Gymnasium Stainach abhalten sollen. Der fällt natürlich aus. Ebenso die Moderation des Poetry Slams im ccw in Stainach am Freitag, den 13. März. Dafür bin ich seit Mittwoch wieder in Wien und habe vorerst alle Hände voll damit zu tun, Absagen einzufahren und Ersatztermine vorzuschlagen. Vier Termine wären es diese Woche gewesen. Eine Woche, in der ich ganz gut verdient hätte, wird zum Minusgeschäft. Wie es ausschaut, wird nicht nur der März sondern auch der April zur Gänze einkommenlos ausfallen. Das kann ja heiter werden.