Dienstag, 16. April 2013

Schwere Kost und Leichtsinn

Ohne Worte. Flughafen Wien.
Da kommst du also erstmals in der Stadt an, vor der du als 16-17-18jähriger viel gehört hast, denkst dir, 20 Jahre, das ist lange her, da muss sich doch einiges getan haben, landest vorfreudig, eine neue Stadt kennenzulernen und dann merkst du recht  bald, dass das kein ganz gewöhnlicher Städteurlaub gepaart mit Workshop und Slamauftritt wird. Sarajevo verlangt dir mehr ab. Sarajevo beschäftigt dich. Sarajevo katapultiert dich zurück in die 1990er Jahre, lässt dich an den Teenager denken, der du damals warst, ruft dir in Erinnerung, dass in deinem Elternhaus ja auch eine bosnische Familie wohnte, dass die geflüchtet sind, war dir schon klar, viel mehr aber auch nicht.
Sarajevo betrübt dich. Sarajevo hat diese Kraft, vermutlich noch länger. Du kommst am Flughafen an, bekommst mit, wie zentral dessen Funktion in der Zeit der Belagerung war, wirst in das Zentrum gefahren und sofort wird dir klar, wie spürbar die Folgen des Krieges hier noch sind. Dass Häuserfassaden Einschusslöcher aufweisen, die noch immer nicht geflickt sind, findest du anfangs erstaunlich, mit der Zeit dann immer trauriger. Du wills davon jedenfalls keine Fotos machen. Du versuchst dir in Erinnerung zu rufen, wie das damals war. Du hast gewisse Bilder vor Augen, du hast gewisse Aussagen im Kopf, von einer gewissen Eigenschuld ist da immer die Rede.
Ja, das Museum ist geschlossen. Nein, fragt nicht warum.
Du fühlst dich unwohl in deiner Haut. Du dachtest, du wärst ein kritisch reflektierter Jugendlicher gewesen. Dir wird bewusst, dass du eigentlich nie mit einem Betroffen geredet hast, obwohl du welche in deiner Umgebung gehabt hättest. Gut, sagst du dir, die wollten ja auch nicht darüber reden. Ja, das mag stimmen, es wird wohl noch lange dauern, bis dieser Krieg halbwegs verdaut ist.
Deine Verdauung hat es hier auch schwer. Du bestellst Cevapi wie es sich gehört, du langst auch bei den rohen Zwiebeln zu, das solltest du bereuen. Du trinkst besser vorausbeugend mehr
Sarajevsko. Du schläfst dann ja auch besser. Du hast ja auch Zeit dich auszuschlafen. Du schaffst die paar wirklichen Aussichtspunkte und Sehenswürdigkeiten ja auch am Nachmittag, du musst feststellen, dass das Wetter in Sarajevo am Vormittag immer besser ist. Du hast an sich ja nichts gegen Regen, du willst aber auch keine nassen Füße haben, du darfst dich ja nicht verkühlen, du musst ja fit sein, für die Workshops und die Moderation. Du schonst dich also. Nein, du isst viel und gut und du trinkst mehr und besser vor allem Espressi zum verlieben. Du könntest dich auch in beinah alle Studierenden verlieben. Du findest nicht nur, dass sie perfektes Deutsch sprechen, du findest sie auch sympathisch. Du magst, dass sie schreiben und vortragen wollen, dass sie etwas zu sagen haben, dass sie die Bühne für sich reklamieren. Das versöhnt dich mit vielem. Du freust dich über deine Reisebegleitung (Doris) und du freust dich über den Organisator der ganzen Sache (Florian). Du bedankst dich an dieser Stelle mit einem großen HVALA. Du schreibst vielleicht später noch was. Du sagst vorerst ZDRAVO und auf Wiedersehen.
Florian und Doris