Sonntag, 7. Februar 2010
Schere, Stein, Beton
Basel ist eine sehr schöne Stadt.
Offen, international und historisch.
Ich logiere in einem Haus, das das große Erdbeben von 1376 überstanden hat. Es gibt dort eine Fruchtschütte, original mittelalterliches Mauerwerk und sogar keltische Spuren.
Basel kann aber auch anders.
Auf dem Weg zum Schwimmbad habe ich nebenstehenden Ziegelstadel zu passieren, der, so mutmaße ich, von der untenstehenden Stammkundenmaurerei (Wort des Tages) vollbracht wurde.
Die Stammkundenmaurerei ist ja ein etwas in Vergessenheit geratenes Handwerk, das nur den treusten Kunden zuteil wurde. Heutzutage liegt die Betonung bei der Treuebelohnung vielmehr auf Kundenkartenbetonierungsbindung.
Geistiger Umsturz
Robert Musil. Der Mann ohne Eigenschaften (Seite 54-79)
Wissenswertes über Walter und Clarisse, der ekelerregende Fall Moosbrugger und ein briefliche Ermahnung des Vaters. Damit endet der erste Teil des ersten Buches.
Walter ist ein Mann mit Eigenschaften. Für Walter ist Ulrich einer vom Menschenschlag, den die Gegenwart hervorgebracht hat und er ist sich sicher, dass Ulrich keinen guten Einfluss auf Clarisse ausübt. „Er verschlimmerte ruchlos in ihr, woran Walter sich nicht zu rühren getraute, die Kaverne des Unheils (...)“ (S. 63)
Was ist nun Ulrich für ein Mensch?
„Könnte man die Sprünge der Aufmerksamkeit messen, die Leistungen der Augenmuskeln, die Pendelbewegungen der Seele und alle die Anstrengungen, die ein Mensch vollbringen muß, um sich im Fluß einer Straße aufrecht zu halten, es käme vermutlich – so hatte er gedacht und spielend das Unmögliche zu berechnen versucht – eine Größe heraus, mit der verglichen die Kraft, die Atlas braucht, um die Welt zu stemmen, gering ist, und man könnte ermessen, welche ungeheure Leistung heute schon ein Mensch vollbringt, der gar nichts tut. Der Mann ohne Eigenschaften war augenblicklich ein solcher Mensch.“ (S. 12)
Ein Möglichkeitsmensch also?
„Solche Möglichkeitsmenschen leben, wie man sagt, in einem feineren Gespinst, in einem Gespinst von Dunst, Einbildung, Träumerei und Konjunktiven;“ (S. 16)
„Und da der Besitz von Eigenschaften eine gewisse Freude an ihrer Wirklichkeit voraussetzt, erlaubt das den Ausblick darauf, wie es jemand, der auch sich selbst gegenüber keinen Wirklichkeitssinn aufbringt, unversehens widerfahren kann, daß er sich eines Tages als ein Mann ohne Eigenschaften vorkommt.“ (S. 18)
Über die Dummheit: „Es gibt schlechterdings keinen bedeutenden Gedanken, den die Dummheit nicht anzuwenden verstünde, sie ist allseitig beweglich und kann alle Kleider der Wahrheit anziehen.“ (S. 59)
Über Österreich, über K.u.K.: Kakanien: „Und in Kakanien wurde überdies immer nur ein Genie für einen Lümmel gehalten, aber niemals, wie anderswo vorkam, schon der Lümmel für ein Genie. (…) Es war nach seiner Verfassung liberal, aber es wurde klerikal regiert.“ (S. 33)
Über die Geschwindigkeit: „Wenn uns die Sache mit der Geschwindigkeit nicht gefällt, so machen wir doch eine andere! Zum Beispiel eine ganz langsame, mit einem schleierig wallenden, meerschneckenhaft geheimnisvollen Glück und dem tiefen Kuhblick, von dem schon die Griechen geschwärmt haben.“ (S. 32)
Über Gefühle von Frauen: „Ihr Gefühl hat noch nicht gelernt, sich ihres Verstandes zu bedienen, und zwischen diesen beiden liegt ein Unterschied der Entwicklung, der fast so groß ist wie der zwischen Blinddarm und der Großhirnrinde.“ (S. 37)
Über die Gefühle von Männern: „Denn die zarteren Gefühle der männlichen Hingabe sind ungefähr so wie das Knurren eines Jaguars über einem Stück Fleisch, und eine Störung darin wird sehr übelgenommen.“ (S. 42)
Über Ingenieure: „Warum gefällt es ihnen, Busennadeln mit Hirschzähnen oder kleine Hufeisen in ihre Halsbinden zu stecken?“ (S. 38)
Über den Wandel der Zeit: „Man liegt nicht mehr unter einem Baum und guckt zwischen der großen und der zweiten Zehe hindurch in den Himmel, sondern man schafft;“ (S. 39)