Dienstag, 29. Oktober 2013

Hinreißend

Meine Bankberaterin bastelt gern
"Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" von Tilman Rammstedt ist ein Roman, den man gerne selbst geschrieben hätte. Tolle Idee, tolle Ausführung, großes Kino!
Das Buch besteht aus Mail an Bruce Willis und Miniaturen über den ehemaligen Bankberater, die gleichermaßen skurril wie poetisch sind.
Der Autor bittet Bruce Willis, eine Rolle im Buch zu übernehmen. Der meldet sich nicht zurück, aber die Geschichte nimmt ihren Lauf. Der ehemalige Bankberater gerät ins Schlamassel und wenn Bruce Willis nicht einschreitet, schaut es schlecht aus.
Schlecht geht's auch dem Autor. Der hat an allen Fronten zu kämpfen, muss schauen, dass auch eine Katze eine Rolle im Roman spielt, um die Katzen am Cover zu rechtfertigen und die Melancholie seines ehemaligen Bankberaters setzt ihm auch zu.

Bei einem denkbaren Banküberfall würde der natürlich verletzt und landete im Gefängniskrankenhaus, Rammstedt und Will aber gelänge die Flucht. Allein die Lustlosigkeit des verletzen Action Helden strapaziert die Phantasie des Autors. Der tote Hund ist mit von der Partie (aber der ist leider keine Katze) und der finale Gefängniseinbruch samt Tunnelgrabung hat natürlich so nie stattgefunden, ist aber herrlich irre und ein metafiktiver Höhenflug.
Dass das alles klappt - auch über knapp 200 Seiten - und zudem sowohl zart humorvoll als auch literarisch verschmitzt-gewitzt ist, macht die große Kunst dieses hinreißenden Romans aus. Formal experimentell und exzeptionell gelungen.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Weichselbäder im Wodkadunst


Gut, der Kulturpalast stand da auch schon bei meinem letzten Besuch. Stalinstachel wird das Ding noch immer gerne verächtlich genannt. Ist halt ein Vermächtnis Stalins und nicht recht gemocht.
Beeindruckend schaut der Koloss noch immer aus. Obwohl er mittlerweile von vielen Wolkenkratzern umgeben ist, die allerdings alle etwas billig ausschauen. Da dürfte dann doch oft noch in der Oberflächengestaltung gespart worden sein.

Der Liebeskind-Bau wurde sogar - krisenbedingt - eine Zeit lang eingestellt.
UWAGA bleibt mein polnisches Lieblingswort, vor allem deshalb, weil ich es aussprechen kann. Tak geht auch und wenn man das Tschechische überzeugt anwendet, klappt das schon auch.
Endlich gelüftet hab ich das Geheimnis, warum der polnische Speisewagen WARS heißt. Laut Legende stammt der Name Warschau nämlich vom Fischer Wars und seiner Frau Sawa, denen eine Nixe ans Herz gelegt hatte, an der Weichsel eine Stadt zu errichten.
Diese Nixe ist ziemlich präsent in der Stadt. Gegen Nixen gibt's ja echt auch nichts zu sagen. Nichts zu sagen gibt es auch über die Unterbringung, die mir das Österreichische Kultur Forum angedeihen ließ. Polonia Palace Hotel. Mein Reiseführer führt das Hotel in der Kategorie Luxusklasse und behauptet:

"Eines dieser Hotels, in denen man einen Salon mieten kann, die Harfe für die Hintergrundmusik steht bereit (...) ein Frühstücksbuffet für Könige."
Wenn Könige Wodka zum Frühstück trinken, stimmt das sogar. Das heißt, es gab wirklich alles zum Frühstück und ich fühlte mich fast etwas ausgeschlossen, weil ich zum Frühstück nichts Alkoholisches trank. Das mit der Harfe möchte ich auch leicht revidieren. Das an dieser Stelle schön öfters thematisierte Hintergrundmusikproblem ist nämlich vor allem eines von Hotels der gehobeneren Klasse.
Von Harfe keine Spur aber das Saxophon und seine Hitnivellierung allgegenwärtig. Ich sag nur: nicht meins aber in der Früh war ich eh noch benebelt und sonst ja nicht viel im Hotel. Ich hatte ja zu tun - quasi Dienstreise.
Wir Reisepoeten sind ja immer im Dienst.
9. Spoken Word Festival in Warszawa
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Freitag, 4. Oktober 2013

Körperherbstbefindlichkeiten

Die Augen tun so,als hätten sie nicht genug Schlaf gekriegt, brennen ist zu viel gesagt, vielleicht sind  bloß die Augäpfel etwas aufgeschwollen und wollen raus aus ihrer Höhle, weil's dort zu feucht, kühl und dunkel ist.
Der Hals stellt Schalforderungen und appelliert gegen Ausschnitte. Die Zehen machen einen auf tiefgekühlte Spinatzwutschgerl und vom Schuhrand bis zum Hosenstulp ringeln sich zwar Socken aber die Knöchel scheinen das nicht zu spüren, die wollen offenbar mehr: Wolle oder gleich Leder.
Sogar die Kniescheiben spielen sich cool-beleidigt in den Vordergrund. Dafür glühen die Backen übetrieben. Ob das mit den Augäpfeln zu tun hat? Jedenfalls ist der Kreislauf gestört.
Der Rumpf hat die Schotten dicht gemacht und ist bereit, Füße und beine zu opfern. Ob das kein Fehler ist? Auf welcher Seite ist die Blase? Die könnte Probleme bereiten. Tee hat jetzt ja Hochsaison. Ach, wenn bloß alle so genügsam wären wie die Schienbeine. Die haben zwar auch kalt aber mucken nicht. Die sind schon froh, wenn sie nicht getreten werden.
Den Fingern muss an dieser Stelle mal ein Lob ausgeschrieben werden. Die sind ja Tag und Nacht allem ausgesetzt und schrunden nicht mal. Im Bauch- und brustbereich schnurrt alles zuverlässig. Der Magen hat nichts gegen Schlechtwetterzuschläge, knurt aber nicht.
Den Haaren in Nase und Ohren behagt das Klima sogar, die spriesen regelrecht und sichtlich. Zwischen den Augen ein Schuppenfeld aber die Nasenflügel gut gefettet. Barthaareinzelgäger an verwegenen Stellen und Lippen in spröder Abwehrhaltung.
Oktober: eine Ganzkörpererfahrung.