Mittwoch, 18. Oktober 2017

Über Kübelübel und Naturtrübes

Man hat mich kurz und blau geschlagen. Mir ist schwarz-türkis vor Augen. Es juckt ein pinker Ausschlag. Die Hoffnung zerfällt mir wie Pilze im Mund. Die Augen reizgerötet, wein ich grüne Tränen. Herbst kann Melancholie. Ob die künftige Koalition regieren kann?
Es erst lernen zu müssen, kann kosten. Aber das leisten wir uns offenbar lieber als Solidarität. Missgunst hat die Wahl entschieden. Anderen nichts, sich selbst alles gönnen. So viel Missgunst #gönndir.
Wählerinnen und Wähler sind volatil, Parteien out. Alles scheint sich zu bewegen, doch ist die Bewegung in Wahrheit bloß ein Mauern. Mit mir sind keine Mauern zu machen. Da halt ich es mit Element of Crime und singe: „Bring den Vorschlaghammer mit, wenn du heute Abend kommst. Dann hauen wir alles kurz und klein. Der ganze alte Schrott muss raus und neuer Schrott muss rein. Bis morgen muss der ganze Rotz verschwunden sein.“

Ach, wenn es doch so einfach und vor allem so schnell ginge. Aber fünf Jahre können sehr, sehr lange sein. Mir wird schlecht, mir ist schlecht. Sag nicht Kotzeimer, sag Kübelübel, das klingt lieblicher und macht's erträglicher. Aber harte Fakten müssen ausgesprochen und nicht verniedlicht werden. Sag nicht Actionfilz, wenn du Seilschaften meinst. Sag nicht Seilschaften, wenn du Burschenschaften meinst. Nur 0,4 Promille der österreichischen Bevölkerung sind Mitglied bei einer schlagenden Verbindung, aber in der FPÖ schaut das ganz anders aus. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus sind Mitglieder der Vandalia. Norbert Hofer ist bei der Marko-Germania, Harald Stefan bei der Olympia, Manfred Haimbuchner bei der Alemannia. Schlagende Verbindungen sind elitär, reaktionär und rechtsextrem. Diese Tatsachen entnehme ich dem Buch „Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften“ des Historikers und Journalisten Hans-Henning Scharsach.
Die Buchpräsentation im Welser „Freiraum“ war sehr gut besucht, es wurde auch rege diskutiert, nur die Anwesenden waren sich ohnehin einig. Immerhin. Das Welser Wahlergebnis lässt mich rot werden und schmunzeln. Ich bin ein Schmunzellhaufen und verzieh mich in die Nacht und in
Fragwürdiges.

„Ich arbeite in einem Tonstudio“, höre ich und frage mich: Techniker oder Töpfer? Kann man statt: „Nimm Riechspur auf“ auch sagen: Folge deinem Urinstinkt? Ich radle und es rattern die Gedanken. Bunte Blätter tanzen in den Himmel und ich denke mir: Mit Verlaubkescher und Löschblattfeger müsste doch eine Marktlücke gefüllt werden können. Herbstgedanken.
„Die Sprache verkleidet den Gedanken“, sagt Ludwig Wittgenstein. Mir ist so philosophisch zumute. Die Philosophie ist ein Gedankenklärwerk. Die Aufgabe der Philosophie ist es, naturtrübe Gedanken klar zu machen. Ich fühl mich naturtrüb und bin der Meinung, dass es höchste Zeit ist, eine Abkürzung für das Getränk „Naturtrüber Apfelsaft mit Leitungswasser“ zu erfinden. Wie wär's mit „Natrübileitung“?
Mir ist eher nach Schnaps als nach Saft zumute. Aber klar bleiben ist gerade jetzt wichtig. Demzufolge empfiehlt Ihr StaTTschreiber für die kommenden Wochen und vermutlich Jahre: Klare Gedanken statt klare Getränke. Und generell einfach nicht unterkriegen lassen.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Über Rollen und Aufnahme

Der StaTTschreiber fühlt sich wohl. Er verrichtet seinen Dienst nicht nach Vorschrift. Er denkt nach und verfasst dann eine Nachlese. Ums Denken ging es auch gestern bei „Die Menschen“ im Kornspeicher. Die Menschen gibt es seit 1986, das muss man so erst einmal geschrieben haben. Die Gruppe „Die Menschen“ stellt Texte zu einem Thema zusammen und trägt diese dann vor. Gestern waren die Gedanken frei und wurde der Bogen von Büchner über Orwell bis zu Nestroy und Morgenstern gespannt. Das ist löbliche Denkarbeit zum Wohle des Publikums. Denkarbeit lohnt sich immer. Aber Vordenker möchte momentan wohl wirklich niemand bezeichnet werden. Das Vordenkertum disqualifiziert sich grad via Plakat. Der StaTTschreiber fragt sich ja schon, warum so etwas ankommt, fühlt sich aber selbst angekommen und in die Welser Gemeinschaft aufgenommen.

Der StaTTschreiber wird bestens betreut und in allerlei Abendaktivitäten eingebunden. Er gibt sein bestes. Gerne schlüfe er weniger. Er arbeitet daran. Es ist dies wohl der große Unterschied zu bisherigen, ähnlich gearteten Tätigkeiten des StaTTschreibers. Er war bereits Dorf-, Markt-, Stadt- und Hotelschreiber, fühlte sich aber selten so gewollt wie in Wels. Das mag damit zu tun haben, dass er nicht im Dienste der Stadt steht, sondern eben von der Menge ermöglicht wurde. Das mag damit zu tun haben, dass er nicht nur als StaTTschreiber, sondern auch als Individuum wahrgenommen wird und insofern braucht hier gar nicht so unpersönlich geschrieben und kann getrost zum Ich gewechselt werden. Ich also.

Ich, so es stimmt, der erste und letzte StaTTschreiber von Wels, fuhr ein Monat lang ein Bäckerfahrrad aus den 1950er Jahren und fahre jetzt ein Klapprad aus dem 21. Jahrhundert (Danke Bikerei!). Ich zeche im Black Horse Inn und in Sonis Extrazimmer auf Kosten der Crowdfunding-Initiative von pro.viele. Ich habe einen Schreibtisch im Schl8hof mit Zugang zur Kaffee- und Waschmaschine sowie zum hauseigenen Zeitschriftenarchiv und generell zu Informationen aller Art von rundumkundigen Menschen vor Ort. Ich habe nichts gegen Transparenz. Wie man hoffentlich lesen kann, wenn man liest. Ich habe nichts gegen Denken. Wie man hoffentlich lesen kann, wenn man liest. Ich habe nichts gegen Wiederholung. Wie man hoffentlich lesen kann, wenn man liest. Ich habe aber etwas gegen die Vereinnahmung der Sprache.

Der Eine ist kein Vordenker. Der Andere tut nicht, was richtig ist, er macht sich nur wichtig. Der andere Eine lässt sich von den Seinen seine Kernkompetenz verspielen. Und alle anderen spielen grad Nebenrollen, die nicht oscarverdächtig sind. Wobei, der Oscar für die beste weibliche Rolle geht natürlich an Ulrike Lunacek, weil Konkurenz ist schlicht nicht vorhanden. Da möge sich Griss nicht grämen. Sie hatte ja bereits ihren großen Auftritt im Film „Die Bundespräsident_innen“ der dann zur Dramaserie mit Happy End ausartete. Schreibt man „ausarten“, denkt mein Ich gleich an den Fernsehsender Arte und schreibt man „Die Bundespräsident_innen“, denkt mein Ich gleich an „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab. Womit wir wieder beim Denken wären. Denken. Hingehen. Wählen.

Dienstag, 3. Oktober 2017

Regenzeit ist Zitatzeit (plus ein eingenestroytes Couplet)

Wenn's regnet bei den Kattas. Wenn's regnet, was es nun mal momentan ganz gerne tut, dann treffen wir uns im Tiergarten bei den Kattas, denn denen kann man wettergeschützt beim Kuscheln zuschauen und das wärmt. Walter Benjamin schreibt in „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“ im Abschnitt Tiergarten: „Sich in einer Stadt zurechfinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.“ Mein Wald ist Wels. Meine Schulung mein StaTTschreiber-Aufenthalt. Mein Tiergarten der Welser Tiergarten. In einer halben Stunde beim indischen Pfau, sagte ich zum Deutschlandfunk Reporter, er lachte, verstand und war pünktlich. „Und die Nilpferde kochten in ihren Becken“ heißt ein Buch von William S. Burroughs und Jack Kerouac. „Die primitive Kunst der Zunge. Warum Laurie Anderson William S. Burroughs und Computer liebt“ heißt der Artikel, der gerade vor mir liegt. Ja, es regnet. Nein, keine Lust, auf Kattas. Besser im Schl8hof „Konkret“ aus dem Jahre 1987 lesen. „Der Grundlohn für Frauen betrug im Jahr 1939 nur 63 Cent gegenüber jedem Dollar, den ein Arbeiter verdiente. 1986 verdienen die Frauen 64 Cent gegenüber jedem Dollar eines Mannes. Das macht einen ganzen Penny in 40 Jahren. Ich habe ausgerechnet, daß wir im Jahr 3624 Parität erreichen wereden.“ Laurie Anderson äußerst sich aber auch darüber, dass sie die Schnelligkeit der Computer und einprägsame Stimmen liebt. Ein Plädoyer für die Oralität, für mündliche Literatur. Das kommt mir sehr entgegen, zumal ich seit 17 Jahren für mehr Oralität in der Literatur kämpfe.

Am Wochenende war ich übrigens auf einem Barbara-Frischmuth-Symposion im Kunsthaus Muerz in Mürzzuschlag und es traf sich, dass gleichzeitig die Steirischer-Herbst-Produktion „Die Kinder der Toten. Der große Dreh“ in Neuberg an der Mürz ihren Auftakt erlebte und da war ich untergebracht und was schreibt eine Gabriele Riedle 1987 im Konkret im Artikel „They call her Elfie“? „Elfriede Jelineks Texte sind feministisch, aber nicht so gemeint. Sie stylt nicht nur sich, sondern auch ihre Texte. Sie ist obszön, weil sie immer recht hat. (…) Die Aura der Künstlerin im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Das Intrview verspricht so die medientechnische Bannung des fernen und lederbemiederten Literaturstars mit dem Appeal der Madonna made in Hollywood ins heimatlich vertraute Votivbild einer blattgold-geschminkten Hausheiligen, geboren und in Gnade gefallen zu Mürzzuschlag/Steiermark anno 1946.“ 1987 – das war nach „Burgtheater“ und vor „Lust“. Das war im Jahr, in dem sie auch die Neubearbeitung „Präsident Abendwind“ des Nestroy Stückes „Häuptling Abendwind“ zur Aufführung brachte. Ich verbeuge mich vor Jelinek und Nestroy und bearbeite meinerseits neu.

HÄUPTLING ABENDWIND (ein Systemerhalter guter, alter, österreichischer Schule; ein sprachlicher Kompromissverschnitt aus Pröll & Häupl, Charme und Bauchstich; singt in Nestroy Couplet-Manier):

Mei Insel is ganz guat versteckt / Die liegt linksrechts von Lampedusa / Die hot vor über 100 Joahr der Franz Ferdinand entdeckt / Die ist seither a Abstellplotz für Loser
Mei Insel is mei home, my castle und mei Reich / I scheiß mi nix, i tua, i moch, i sauf wo immer i grod will / Und is aner von de Loser goar zu bleich / Donn friss i'ihn ratzteputz – ka Deal
Mei Insel is in letzter Zeit nur leider etwas oarm dran / Es gabert Trottel eh zwoar grod die Menge / Nur schickt uns Österreich weder Frau noch Mann / Die sog'n die Hypo-Pleite treibt sie in die Enge / I sog nur her mit oi de Wiarschtln / Mei Mog'n is no recht im Schuss / So long's an Spritzwein gibt zum Biarschtln / Beiß i in jeden Hypo-Wiarschtl-Fuß
So long's an Spritzwein gibt zum Biarschtln (in Udo-Jürgens-Mit-66-Jahren-Melodie) Is no long, long nit Schluss / (in Die-Welt-steht-auf-kan-Foll-mehr-long-Melodie) Long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long nicht Schluss