Mittwoch, 24. März 2010

Der Tod und die Fotostory

Problem-Problem. Ich in Basel und das Das Alphabet der Zeit in Wien. Das heißt, den letzten Abschnitt (ab Seite 757) muss ich nachliefern. Es ist ohnehin Zeit für einen Zwischenbericht: Wie eine Träne im Ozean hab ich brav im Jänner bewältigt. Der Mann ohne Eigenschaften war (sehr optimistisch) für Februar vorgesehen, da häng ich natürlich noch immer mitten drinnen. Das März-Buch von Gerhard Roth hab ich zwar fertig gelesen aber eben grad nicht dabei. Ich bin also noch nicht hoffnungslos im Verzug aber habe wohl Erklärungsnotstand.

Also aufgepasst: DMoE soll mich einfach noch länger begleiten bzw. in den Schlaf wiegen, weil zum Rumtragen ist die Kante einfach zu sperrig. Um den Rückstand wieder aufzuholen, nehme ich mir ein dünneres dichteres Buch vor.
Raoul Schrott schreibt (so zumindest steht's in der Verlagswerbung geschrieben):

„Ein wunderschönes Buch: ich lese es häppchenweise, damit es nicht so schnell fertig wird, denn so etwas Poetisches finde ich nur selten.“
Das ist durchaus eine Ansage und Vorgabe. Die Rede ist von Das Fenster von Richard Obermayr. Ja, der mit dem stieren Blick auf dem Autorenfoto. Ja, der, der „Der gefälschte Himmel“ geschrieben hat. Ja, das ist zwölf Jahre her. In der Zwischenzeit gab es einige Stipendien und wohl viele ups and downs. Jetzt jedenfalls lüftet Obermayr seine Poesiekammer wieder mal. Das Fenster ist zu öffnen, zu lesen, zu haben und bei Jung und Jung erschienen. Ich gehe das recht entspannt an und notiere parallel zur Lektüre:
Part 1; bis Seite 40.

Frontispiz

Die Konterbande der Zeit, der Gegenparabdruck, der verglühte Stern und die gepresste Blume. Vergänglichkeit schlägt einem entgegen. Der Sommer in dem sie das Leben verloren schwebt von Anfang an in der Luft. „Aber wie soll man lügen“, heißt es auf Seite 8 „wenn man die Wahrheit nicht kennt?“

Wahrheitssuche also und Erinnerungen bahnen sich Weg. Die Vergangenheit schlingert in der Auslaufrille, auf-auf im Gänsemarsch in die Wirklichkeit. Das ist nicht einfach. Nicht nur der Sommer hängt in der Luft, der Freitag, der 14. August 1979, sondern auch ein Schuss. Und das Warten auf das Einsetzen der Wirkung des Schusses ist eine Tortur. Derweil unterzeichnen die Vögel den Sommerhimmel, fließt die Zeit, begehren Erinnerungen auf und bisweilen werden aus Augenblicken Superzeitlupen. Überhaupt die Augenblicke. Ständig ist von diversen Augenblicken die Rede. Doch ein Schuss knallt, es gefriert die Zeit, die Umgebung, der Schuss hallt, die Vergangenheit wird durchschlagen, die Ordnung der Dinge auf den Kopf gestellt. Geschichte und die ausgesperrten Jahre betreten ein Museum, Gemälde haben ihre Zeit, ihren Augenblick, in dem sie wahr werden. Und plötzlich hebt sich der Schutz der Zerstreutheit auf und machen sich Fragen breit: Was merkt sich das Leben alles? Was lebt nach dem Tod weiter?

Das Leben will angetreten werden. Doch beschäftigen gewichtige, aufrichtige, verschobene und gereifte Augenblicke, die die Zeit stolpern lassen, alles verunsichern. Entgangene Augenblicke, die alles verändern. „Was geschieht mit solchen Augenblicken, für die die Welt keine Verwendung hat?“ (S. 32) Für diese Augenblicke sucht Obermayr eine Sprache und die Geschichte soll beginnen im Moment in dem die Vergangenheit ihr Ende hat – so weit so gut. Gehen wir es an: „Ich weiß, ich sollte längst vergessen und vergangen sein.“ (S. 39) Er ist aber geblieben in jenem Sommer.