Montag, 2. August 2010

Der Formulierflatteur


Was brauchen Schriftsteller reisen, so lange sie Phantasie haben?“ Schrieb zwar Robert Walser, aber um die Gasse in Zürichs Altstadt, das seinen Namen trägt, entdecken zu können, musste ich schon dort hin fahren. Das nicht befahrbare, sehr schmale Gässchen führt vorbei an einem Gasthof, in dem Goethe war, verrät die Fassade. Sapperlott!

Eine Dichtung muss sein wie ein schöner Anzug, der dem Käufer flattiert.“ Der Flatteur ist nicht nur als Wort etwas aus der Mode, generell sind Schmeichler eher im Rückzug begriffen. Dass aber ausgerechnet Robert Walser dem Käufer flattieren will, das überrascht. Oder meint er mit „eine Dichtung“ nicht seine? Seine Gedichte übrigens, bzw. eine Auswahl davon sind unlängst im Insel Verlag erschienen, zusammengestellt und kommentiert von Urs Allemann.

„Der Schnee fällt nicht hinauf“ heißt das Bändchen, das nicht nur RW-Fans heiß empfohlen sei. Die Lacrima ex machina beschreibt der grandiose Basler Vorleser, Dichter und Kommentator Allemann beispielsweise so: „Die Träne, die, um den gewünschten Melancholieeffekt heraus zu wirtschaften, dem Auge durch äußere Stimulierung entlockt werden muss.“

Zum Abschluss tröstende Walser-Worte für jene, die sich Sorgen um den sich schleichenden Sommer machen: „Sorgen haben müssen, das verfeinert das Leben und gibt dem Tag einen, wenn auch engen und kleinen, so doch innigen Anstrich. Es ist doch ganz gut so.“