Montag, 20. November 2017

Wels dackelt

Der November macht es einem vorübergehenden Teilzeitflaneur ja schwer. Nebel. Niesel. Nass. Dabei bewegte ich mich doch so gerne durch die Gassen und Plätze und schaute der Erbauung von Weihnachtswunderwelten zu. Am Stadtplatz beispielsweise ist grad der größte Dackel Europas aufgestellt worden. Alles scheint im Zeichen des Dackels zu stehen. Selbst in den Auslagen wird gedackelt auf Teufel komm raus. In der Landesregierung wird gedeckelt, in Wels wird gedackelt.
Dass dem Dackel in Wels gehuldigt wird, finde ich sehr löblich. Der Dackel ist ein gemächliches, sehr österreichisches Tier. Dackel gibt's von schwarz über schokoladenbraun, creme, loh, blau bis zu rot. Dackel sind stur, verspielt, hingebungsvoll, tapfer und klug. Dackel sind keine Sauhunde. Dackel sind Dachshunde und beliebte Familienbegleithunde. Dackel haben, wie Lügen, kurze Beine aber große Ohren. Der Dackel ist der Afrikanische Elefant unter den Hunden. Nicht wegen des Rüssels, nicht wegen der Statur, bloß wegen der Ohren.
Des Pudels Kern der Dackelapotheose muss ein politischer sein. Es herrscht Sehnsucht nach einem Heilsbringer. Sein Kommen wird freudig erwartet. Es wird begleitet von Phrasen, die wie Glühweinschwaden das Land überziehen. Allein: er wird Kürzungen bringen und ein böses Erwachen.

Mittwoch, 15. November 2017

Über Kulturarbeit und Firmenpolitik

Dass es in den nächsten zwei Jahren wieder von der Stadt finanzierte StadtschreiberInnen geben werde, ist mir zu Ohren gekommen. Weil man selbst bestimmen wolle, wer über Wels schreibe, lautete der Nachsatz. Das werte ich als Kompliment gleichermaßen wie als Drohung. Einerseits also: Auftrag erfüllt. Andererseits: Was heißt hier selbst bestimmen?
Die Auswahl obliegt hoffentlich einer Jury, die nicht willkürlich von höchster Stelle bestimmt wird, sondern von fachkundigen Menschen aus der Szene. Bisher war es so, dass der oder die StadtschreiberIn des aktuellen Jahres im Folgejahr in der Jury saß. Ich gehe davon aus, dass das auch für den StaTTschreiber gilt und freue mich jetzt schon auf die Tätigkeit.

Ich freue mich ja auf und über so Vieles: auf weitere Kinoabende im MKH und Konzerte im Schl8hof; auf das YOUKI Festival; auf den Weihnachtsmarkt in der Alten Rahmenfabrik; auf heiße Debatten an diversen Theken und heiße Aufgüsse in der Welldorado-Sauna. Ich freue mich über eine extrem rührige Kulturszene mit vielen ehrenamtlich tätigen Menschen, die zum Beispiel zum Gelingen des in seiner Weise einzigartigen Music Unlimited Festivals beitragen, die es herzlich, familiär und nicht rein kommerziell machen (was auch auf das Projekt StaTTschreiberin zutrifft). Ich freue mich auf ein weiteres spannendes und abwechslungsreiches Monat in Wels.

Aber ich ärger mich auch über allerhand. Dass die Stadt wie eine Firma zu führen wäre, ist mir zu Ohren gekommen. Das geht doch so nicht! Eine Stadt ist kein Betrieb. Eine Stadt ist ein vielfältiges soziales Gefüge. In einer Stadt kann es nicht nur um Produktion, Leistung und Profitoptimierung gehen. Der Profit, die Lebensqualität einer Stadt lässt sich nicht in Zahlen messen. Eine Stadt ist reich, wenn sie reich an Vielfalt ist.

Eine Firma ist gewinnorientiert. Eine Stadt sollte Gemeinwohlziele haben. Ist Wirtschaftlichkeit das Um und Auf, kommen immer die Minderheiten unter die Räder. Geht es um Kommerzialität, wird Nischenkultur vom Mainstream platt gemacht. Es soll Kultur für alle Welser gemacht werden, ist mir zu Ohren gekommen. Soeben wurde der „Schelmenrat zu Wels“ gegründet. Soll sein. Fasching ist Volkskultur. Fasching ist bunt aber keine Kunst. Kultur und Macht spießen sich. Kultur hat man, Kultur pflegt man, Kultur baut man auf. Wer an Kultur marktwirtschaftliche Maßstäbe anlegt, der ist der Meinung, Kultur lässt sich kaufen. Wer an Kultur marktwirtschaftliche Maßstäbe anlegt, der spricht von Massenkultur, von Kultur in Messehallen. Masse ist immer gefährlich, ich sag nur Massentierhaltung. Im Kleinteiligen gedeiht die Qualität. Die Macht der Masse hat eine eigene, unberechenbare Dynamik.

Weder die Macht der Masse, noch zu viel Macht für einen Einzelnen sind für das Gemeinwohl förderlich. Demokratische Institutionen haben ihren Sinn. Politik ist nicht gleich Wirtschaft. Der Chef einer Firma schaut darauf, dass es seinen MitarbeiterInnen gut geht und wer nicht für ihn arbeitet, der arbeitet gegen ihn und wer gegen ihn arbeitet, wird über kurz oder lang abgebaut. Deshalb darf Firmenpolitik nie Stadtpolitik werden.

Montag, 13. November 2017

Sturmmaskenmodels

Gemeinsam gegen Dämmerungseinbruch, lese ich und denke mir: Schau, da macht wer was gegen die Zeitumstellung. Dann korrigier ich mich, weil da „Dämmerungseinbrüche“ steht und dann erst geht mir das Licht auf.
Hier geht es nicht um das Zwielicht, die Sonnenuntergangs- und Abendanbrechstimmung. Hier geht es um nichts alltäglich Romantisches. Hier geht es um ein strafbares Delikt, nicht um Einbruch der Dämmerung also, sondern um Einbruch bei Dämmerung. Jetzt erst sehe ich das Symbolfoto: Sturmmaske, Türsicherungskette, Brecheisen. Ob es, so wie es Fuß- und Handmodels gibt – auch Sturmmaskenmodels gibt, frage ich mich augenblicklich. Und apropos Augen: Die Sturmmaskenmodels müssen dann wohl besonders böse Augen und bedrohliche Augenbrauen haben. Gibt es sicher: Symbolfotomodels mit entsprechenden körperlichen Besonderheiten.
Für mich ist das ja ein Delikt an der Sprache. Ein unschuldiges, schönes Wort wie Dämmerungseinbruch derartig mit krimineller, negativer Bedeutung aufzuladen. Dem muss entgegengewirkt werden und sei es auch nur dadurch, dass es heute, hier aufgezeigt wird.

Mittwoch, 8. November 2017

WELS - Akrostichon

WELS Akrostichon Teil 2 (Teil 1 nur live zu hören:)

Wieso Eigentlich Lesen Sollen?
Wer erntet Lorbeeren? Sportler!
Warum etwas lernen sollen?
Weil Engel Lesende schützen?
Weil es leidlich sediert?
Wieso etwas lesen sollen?
Weil es lohnt, schlussendlich

Wer ertwas liest, sieht
Wesentliches, entdeckt latent Signifikantes
Wer etwas liest, sinniert
Weitet engstirnige, lahme Sichtweisen
Wer etwas liest, superlativiert
Wuchert euphorisch, liefert Singuläres
Wer etwas liest, sagt:
Wisse: Einfälle lieben Spontaneität
Wisse: Erkenntnisse lösen Sorgen
Wieso etwas lesen sollen?

Weil es Leben/Lieben/Lachen stimuliert

Dienstag, 7. November 2017

Zu Gast bei den angehenden Apotheker*innen

Der StaTTschreiber ist ja immer im Dienst. Gestern war es ein spezieller Dienst. Ich suchte und fand die Berufsschule 3, suchte und fand die Klasse von Frau Christa Weiermair und hatte dann Zeit, mich mit über 20 angehenden Apotheker*innen zu beschäftigen.
Ich lernte neue Wörter, ich konnte hoffentlich vermitteln, was Slam Poetry alles sein kann, ich freute mich und staunte (mit Frau Weiermair) gleichermaßen über die in so kurzer Zeit entstandenen Ergebnisse.
Der Nachmittag an sich war ja verregnet. So war er schön.

Und weil ich nicht nur dozierte, sondern auch selbst mitschrieb, sei hier einfach das hingestellt, was mit dem gemeinsam erstellten Wortpool bei mir rauskam.

Oma, keine Salben- meine Launenauffrischmaschine

Lachen ist kein Hund, sagte meine Oma noch, dann biss sie ins Gras.
Ja, sie biss ins Gras, sie wusste nicht, dass Gras geraucht wird.
Improvisieren, sagte ich und rief: Ziehen, Oma, ziehen.
Das heißt inhalieren, Dummerl, meine Oma nur und fragte dann:
Bua, wo kommt die Kuah her?
Interessant, dachte ich mir. Oma beißt das Gras und spürt es doch.
Da war nämlich keine Kuah nur ich und mein Kater.
Ich sag nur fortgehen mit Thomas Bordy Sangsta am Samstag.
Eistee mit Rum und Penne mit Sedativum frisch aus dem Umquator.
Das haut dich um, das haute mich um und deshalb heute meine Lieblings-Sonntag-Nachmittagsbeschäftigung: Kiffen mit Oma.
Für eine Oma ist meine Oma noch guat woam, will heißen goa ned verkalkt oder sonst irgendwie jenseits. Nein, meine Oma ist radikal guat drauf.
Meine Oma rettet mi, wenn i sauf.
Meine Oma scheißt sich nix.
Meine Oma rockt – Bam, Oida, zefix!
Bua, wo kommt die Kuah her?, fragte Oma erneut, nahm ein Keks aus der Patene, schnüffelte an ihrer Knopflochrose, machte „mmhhAlliterationen.
Visionen, sagte ich, Oma, du hast Visionen.
Ned wirklich, meinte Oma nur, aber die neueste Kreation vom Apotheker-Sohn haut ordentlich rein. Hoitaus! Hoitaus! Boah!
Ach, Oma, Oma ist und bleibt das beste Sonntag-Nachmittags-Programm. Umschalten ist kein Thema und es bleibt zo hoffen, dass sie sich noch lange nicht für immer ausschaltet.

Freilich. Meisterwerke entstehen nicht unter Zeitdruck und in der Gruppe. Aber wir hatten Spaß und Spaß ist ein guter Antrieb für mehr. Ich bin mir sicher, dass demnächst eine oder einer aus der Gruppe beim U20 Poetry Slam im Phoenix Theater in Linz oder beim Poetry Slam im MKH Wels die Bühne entern wird.

Montag, 6. November 2017

Kulturland retten

Im letzten Eintrag hab ich über Kürzungen geschrieben, hier darf natürlich der Hinweis darauf nicht fehlen, dass es Menschen gibt, die versuchen, dem entgegen zu wirken. Das klingt jetzt komplizierter als beabsichtigt. Einfach jedenfalls ist es, sich die Seite kulturlandretten.at anzuschauen und die Petition zu unterschreiben.
Denn an Oberösterreich können wir wohl die Zukunft des ganzen Landes ablesen. Die Kultur ist von Budgetkürzungen existenzbedroht, deine Unterschrift kann das möglicherweise verhindern. https://kulturlandretten.at/

Zum Foto: Das ist kein schwarzer Riss im blauen Himmel über Wels. Das ist die Hebebühne, die den Lederertrum sein Lichterkettenhemd anlegte. Jaja, die Menschen im Korb der Hebebühne taten dies, schon klar.
Jedenfalls blinkt und strahlt der Ledererturm in den nächsten Wochen, heute wurden auch die ersten roten Riesenkugeln montiert. Wels verwandelt sich. Wels wird zum Christkindlmarktplatz Leuchtwunderland. Ich freu mich schon auf viele Punschhüttenkonversationen.


Mittwoch, 1. November 2017

Über Kürzungen und Überlegungen

Wels macht was mit mir. Wels gibt mir einen Takt vor. Wels hat mich langsam im Griff. Wels wickelt mich um den Finger. Wels verwöhnt mich. Wels klatscht mich voll mit Veranstaltungen. Wels mag ich. Wels mag mich. Wels füllt mich ab. Wels nimmt mich auf. Wels verdaut mich. Wels wird mich im Dezember wieder ausscheiden. Wels hat eine gute Verdauung. Wels hat schon vieles überstanden. Will ich mehr Wels? Will ich mich noch mehr auf Wels einlassen? Will ich mich in Lokalpolitik stürzen und in Bierlokalen auffangen lassen? Will ich Spuren in Wels hinterlassen?

Ja, ich würde gerne im Gefängnis gegenüber vom Schl8hof eine Lesung machen, befürchte aber, dass sich das in der noch verbleibenden Zeit nicht ausgehen wird. Das Gefängnis heißt sicher nicht Gefängnis sondern vermutlich Landestrafvollzugsanstalt oder so ähnlich. Aber ich seh kein Schild mit der entsprechenden Auffschrift, ich seh nur Gitter und deshalb schreib ich Gefängnis. Vermutlich sähe ich ein Schild, bewegte ich mich weg vom Schreibtisch oder googel-viewte ich. Mach ich aber nicht. Ich stell mir lieber vor. Ich denke nach und stell mir vor und stell mich dann, diese Kolumne schreibend, als Nachdenkenden und Vorstellenden vor.

Der Herbst ist ja auch die ideale Nachdenkzeit. Wenn was dabei rauskommt – gut. Wenn nicht, dann ist die Zeitumstellung schuld. Die Zeitumstellung ist als Universalausrede bis Dezember allgemeingültig und anerkannt. Danach tritt der Vorweihnachtsstress an die Stelle der Zeitumstellung. Dem Vorweihnachtsstress möchte ich dieses Jahr entkommen. Ich sorge vor. Ich mach mir Gedanken, mit was ich wen überraschen und beschenken könnte. Das Nachdenken macht mich so also zum Vorausdenkenden und bewahrt mich vor zukünftigem Stress. Eigentlich mehr als bedenklich, dass Stress so ein Modewort geworden ist. Vor allem in der Weichnachtszeit. Die sollte doch eigentlich alles andere als stressig sein. Aber zur Besinnung kommt man inmitten der bald aus dem Boden schießenden Glühwein-, Geschenk- und Punschhütten nur schwer. Da steht dann doch eher Benebelung der Sinne am Programm. Wels benebelt. Wels berauscht mich. Wels überrascht mich aber auch.

Kaum bin ich ein paar Tage weg. Hängen plötzlich Fransen an den Straßenlampen. Die klimpern im Wind und glitzern im Sonnenschein. Die Straßenlaternenbefransung ist vermutlich die Vorhut der Weihnachtsbeleuchtung. Die kommt so sicher wie Schwarz-Blau. Das ist keine Überraschung und Geschenke sind auch keine zu erwarten. Minus zehn Prozent ist wohl nur ein Vorgeschmack. Kürzte ich diese Kolumne um zehn Prozent, müsste ich jetzt dann langsam aufhören. Aber nein, das ist kein guter Vergleich. Denn kürzen tut Texten meist gut. Aber Kürzungen im Förderungsbereich sind schmerzvoller. Die verdichten nicht, die zerstören. Die zerstören Kulturarbeit genauso wie ein Text zerstört wird, nimmt man ihm jedes zehnte Wort. Das hinterlässt Lücken, ergibt keinen Sinn, macht Aufgebautes kaputt. Beispiel gefällig? Voilà:

Wels macht was mit mir. Wels gibt mir einen vor. Wels hat mich langsam im Griff. Wels wickelt um den Finger. Wels verwöhnt mich. Wels klatscht mich mit Veranstaltungen. Wels mag ich. Wels mag mich. Wels mich ab. Wels nimmt mich auf. Wels verdaut mich. wird mich im Dezember wieder ausscheiden. Wels hat eine Verdauung. Wels hat schon vieles überstanden. Will ich mehr? Will ich mich noch mehr auf Wels einlassen? Will mich in Lokalpolitik stürzen und in Bierlokalen auffangen lassen? ich Spuren in Wels hinterlassen?