Arbeitslosigkeit kommt vor dem Fall. Alles steht und fällt mit dem Job. Lebensrhythmus und Lebensqualität werden vom Job vorgegeben. Angelika Reitzer hat darüber einen unter die Haut gehenden Roman mit dem Titel unter uns geschrieben.
Am Anfang steht ein Familienfest. Die Eltern von Clarissa ziehen sich zurück in den emotionalen und beruflichen Ruhestand. Was von der Familie bleibt, sind alte Filme. Clarissa war Assistentin der Geschäftsführung und Loftbewohnerin, nun ist sie arbeitslos und in Untermiete bei Freunden.
Vom Loft über ein WG-Zimmer im Hochparterre in den Keller der heilen Familie von Klara und Tobias. In unter uns macht Reitzer Auflösungstendenzen beruflicher, persönlicher, und partnerschaftlicher Art evident und übt dadurch implizit Gesellschaftskritik. unter uns ist auch ein Roman über die relative Freiheit von Freischaffenden, über das Prekariat, die Generation Projektarbeit und die Job-auf-Zeit-Falle.
So offen wie die Zukunft der Protagonisten ist auch die formale Umsetzung des Textes. Reitzer erzählt nicht linear, sie verwebt verschiedene Ebenen miteinander, wechselt laufend die Perspektive, lässt Episoden ineinander fließen und ist dabei stets unaufgeregt im Ton aber sprachlich äußerst präzise.
Die Lebensentwürfe im weiten Feld der Kreativitätswirtschaft haben eigene Gesetze. Hohes Ansehen aber keine Absicherung. Selbstausbeutung steht auf der Tagesordnung und ist ebenso Voraussetzung wie hundertprozentige Flexibilität. unter uns ist ein sprechender und mehrdeutiger Titel dieses Romans mit der Hauptfigur Clarissa. Clarissa ist unter uns, verschwindet aber mehr und mehr, geht unter.
Es wird einem mehr bekannt vor kommen, als einem lieb ist. Lesen!