Samstag, 5. März 2011

Setz-Satz-Sapperlott

Habe mir vorgenommen, in meiner Berlin-Bleibtreu-Zeit u. a. meine Sezt-Lücke zu schließen und brav beim Erstling begonnen, auch seinen Bachmanpreis-Auftritt angeschaut und heut schon nach den Frequenzen gesucht in der Literaturhaus-Buchhandlung. Hatten sie leider nicht. Schade. Zu Söhne und Planeten von Clemens J. Setz (Residenz 2007):

Vier Abschnitte, viele Kapitel und Figuren, ein Ereignis, das alle Erzählungen zusammen hält. Der Tod des jungen Autors Victor Senegger. Aber mal langsam. Da haben wir zuerst René Templ, Schriftsteller, als Vater ein elendes Scheusal, ein schwindelanfälliger Jammerlappen, der durchdreht, wenn sich sein Sohn beim Arzt aus Angst einnässt. Templ geht fremd und verschwindet gerne im Raum zwischen Realität und Traum. Autoren sind auch Senegger senior, der an der Herausgabe vom Nachlass seines Sohnes arbeitet (herrlicher Briefwechsel mit dem Verleger); Mauser, dessen Frau stirbt und dessen letztes Buch von der Kritik nicht gerade wohlwollend besprochen wurde. Der Altautor am absteigenden Ast, der sein Landhaus aufgibt …

Eindringlich die Altherrenszene im Schwimmbad. Der Literaturbetrieb geht baden, es ist etwas zu kalt, den meisten steht das Wasser bis zum Hals und man spricht zwar miteinander aber kann sich doch nicht recht leiden, lästert lieber hinter dem Rücken des jeweils Betroffenen (die multiperspektivische Erzählweise macht's möglich).

Templ ist in der Öffentlichkeit nicht auszuhalten, nur im inneren Monolog blitzen oftmals seine poetischen Qualitäten auf, das gilt auch für die anderen Protagonisten. Nach außen selbstherrliche Arschlöcher, im inneren aber doch mit ein wenig Herz und etwas Hirn ausgestattet. Nein, vom Hirn bedeutend mehr als vom Herz bzw. von der Sozialverträglichkeit. Sprüche und Weisheiten klopfen funktioniert besser als Beziehungen aufrecht zu erhalten und das trifft nicht nur auf Vater-Sohn-Beziehungen zu.

Dieser Roman ist an ernsten Themen reich, ist sprachlich originell und in der Textgestaltung äußerst vielfältig. Eine alles überstrahlende Sonne gibt es in diesem aufgespannten Kosmos nicht, niemand ist Sympathieträger aber dennoch zieht es einen in diese Welt, nimmt man gerne den so souveränen Blick des Erzählers auf die Ereignisse ein (oft erst weit weg aber klar auf Verbindendes zu zielend). Alles darf dieser Erzähler: klugschwäzen, kalauern, abschweifen und immer wieder in Traufgefilde abtauchen. Man fühlt sich als Leser dennoch stets in guten Händen und lässt sich bereitwillig belehren, verwirren, ärgern, unterhalten auf andere Gedanken bringen.

Allein wie hier diverse Schreibstile vorgeführt werden ist eine Wonne. Von den immer überzeugenden Dialogen einmal ganz abgesehen und wenn dann auch noch überzogene Figuren (wie das hochbegabte Kind Ninas) ins Spiel kommen, dann vergisst man oft tatsächlich die Gesamternsthaftigkeit des Erzählten (und auch das ist gut so).

Dass der Text zudem mit klugen die-schreib-ich-mir-in-mein-Zitate-Heft Sätzen gespickt ist und auch mit wunderbar eigenständigen Vergleichen und Metaphern aufwarten kann, ist sozusagen das Sahnehäubchen auf dem lecker Erdbeertörtchen. Ich bin entzückt, schwer begeistert und Frequenzen-vorfreudig.

Den aspekte-Preis für das Debüt des Jahres 2007 hat Setz leider nicht gekriegt, nominiert war er. Der, der ihn eingeheimst hat, heißt Thomas von Steinaecker und von dem hab ich mir heut ein Buch gekauft. Aber dazu bald mehr.