Usbekistan (Land der Usbeken) "-stan" heißt Land oder Platz. Usbekistan ist ein säkularer islamischer Staat. 90 Prozent der Usbek*innen sind sunnitische Muslime. Der Islam ist gemäßigt. Der Kapitalismus stärker. Es gibt aber auch Sufis, die wollen die Kluft zwischen Gott und Mensch überwinden und sogenannte Feueranbeter, die sich zum Zoroastrismus bekennen. Aberglaube ist präsent. Magische Augen sollen gegen den bösen Blick schützen. Aus alten Bauwerken ragen vorsätzlich Pfähle, die Geister fernhalten sollen, weil Geister nur fertige Bauwerke in Besitz nehmen.
Es gibt das neidische Auge, das zweifelnde Wort und den bösen Blick. All das ist bei der Kinderwiegenfertigung zu beachten. Die Kinderwiegen mit dem Kotloch, in die die Kinder reingewickelt werden, dass sie sich nicht bewegen können. Mittlerweile nicht mehr ganz unumstritten, aber immer noch ein Schlager und eine usbekische Besonderheit. Mein persönlicher Touristguide zeigt mir ein youtube-Video, in dem genau gezeigt wird, wie man die Kinder vor allen möglichen Geistern schützt und dann richtig in die Wiege reinschnallt.
Die großen Flüsse Amudarja, Syrdarja und Serafshan kenne ich nur aus dem Reiseführer. Da stehen auch Dinge über heftige Winde, Sandstürme, Trampelpfade, Wüstenpisten und Schlammfurten. Schöne Wörter aber für mich Stadttouristen nicht von Belang. Zum Grenzfluss im Süden - zum Amudarja, komm ich ebensowenig wie zum Grenzfluss im Norden, dem Syrdarja. Nicht einmal den Taschkenter-Fluss Tschirtschik bekomme ich zu Gesicht, nur den Verkehrsfluss beziehungsweise dessen Nichtfluss. Von der Versalzung des Grundwassers lese ich. Das Wasser mit dem ich in Kontakt komme ist stark gechlort. Im Hotel gibt es Pool, Jacuzzi, Dampfbad und Sauna. Der Aralsee ist weit weg von Taschkent und war mal der viertgrößte Binnensee der Erde. Der war 120mal so groß wie der Bodensee. Jetzt ist er ein kümmerliches Restchen seiner selbst. Die Zubringerflüsse versickert. Aus dem See wurde Wüste. Die Aralkum. Alles versalzt. Landwitschaft ist unmöglich, Leben auch. Die Schiffswracks die lange dekorativ für Fotos in verlandeten Gebieten zu bestaunen waren, sind längst abtransportiert, der wertvolle Schrott von Chinesen gekauft.
Usbekistan ist ja reich an Bodenschätzen: Erdgas, Kupfer, Uranium und vor allem Gold. Das mit der Baumwolle war einmal. Freilich baut man noch immer an. Aber das war ein großer sowjetischer Masterplan, der nicht ganz aufging und viel zerstörte. Neulandgewinnung war die Devise. Intensiver Kanalbau und industrielle Baumwollegewinnung. Auf Gedeih und Verderb. Mit vollem Einsatz der Bevölkerung. Vor der Ernte wurden die Felder von Flugzeugen mit Herbiziden besprüht, um die Stäucher zu entlauben. Die Baumwollmonokultur führte zur Bodenüberlastung.
Hier noch ein paar angelesene Baumwollfakten: Um eine Tonne Baumwolle zu ernten, muss ein Pflücker zweihunderttausendmal die gleiche Handbewegung machen. Pro Tag erntet ein Mensch etwa siezig bis achtzig Kilo. Aus hundert Kilo Rohbaumwolle gewinnt man im Durchschnitt vierzig Kilo Fasern, zehn Kilo Baumwollöl (für technische Zwecke aber auch für Nationalgerichte), dreißig Kilo Samenpressrückstände (Viehfutter) und zwanzig Kilo Kapselschalen. Dass Baumwolle für die Landwirtschaft große Bedeutung hatte, kann man noch in einer Metrostationgestaltung sehen und zwar in Paxtakor.Was man auch überall sehen kann ist der legendäre Vogel Semurg, das Symbol der usbekischen Wiedergeburt. Der Semurg ist ein Kranich, den kannte ich gar nich. Fettschwanzschafen bin ich persönlich auch nur in der Lektüre begegnet, finde sie aber des Namens wegen schon sehr aufregend. Zu Lamm hat man hier ja schnell eine enge Beziehung. Womit wir schon wieder beim Essen wären. Was ich gar nicht so häufig mache. Denn das überraschungsreiche Frühstück sowie eine warme, üblicherweise üppige Hauptspeise reichen aus, wenn man nicht 12 Stunden Baumwolle pflückt, sondern nur ein paar Stunden durch die Stadt marschiert, Fotos und Notizen macht.