Klar, ich will es noch nicht wahrhaben, dass die Flitterwochen vorbei sind. Klar, Kalifornien im Indian Summer wär' mir grad lieber als Wien im Oktober.
Aber es gibt Möglichkeiten, den Amerika-Aufenthalt zu verlängern. Pulphead ist eine Essay-Sammlung von John Jeremiah Sullivan und gerade erst in der Edition Suhrkamp in schöner Klappenbroschur erschienen. Billig ist das Buch nicht (20,60 €) aber es ist Gold wert. Auf über 400 Seiten und in 15 Essays zwischen E und U, zwischen Landes- und Popkultur entführt einen Sullivan ins Innere Amerikas. Das ist nicht geografisch sondern allgemein zu verstehen, es geht ans Eingemachte.
Sullivan schreibt über das größte Christen-Rock-Festival dessen Besucher durchgeknallt sein mögen, aber sie lieben Jesus. Er lässt das zart Pflänzchen Axel Rose aufleben: durchgeknallt, aber er entkam seiner Herkunft. Fördert Erhellendes über Ihre Majestät der Durchgeknalltheit Michael Jackson zutage. Schürft in Archiven über Tiere in Auflehnung (Das Treiben der Lämmer). Geht auf Jamaikareise um mit den Rastafaris abzurechnen. Besucht Disneyland und hebt wahre Familienerlebnisse hervor, besucht Reality TV B-Helden und sucht und findet in allen immer etwas Gutes.
Sullivan geht es nicht um billige Pointen, Sullivan führt niemanden vor, Sullivan fühlt sich ein, fühlt sich der Reportage verpflichtet, berichtet höchst Interessantes, versteht dies dann auch immer persönlich zu verpacken, setzt meist eine Weisheit obendrauf und sprachlich sind diese Essays ebenfalls ein prickelnder Genuss. Leider hab ich nur die deutsche Version, die ist aber gut.
All diese Essays sind bereits in Zeitschriften erschienen. Da ist man kurzzeitig neidisch auf den amerikanischen Zeitschriftenmarkt. Denn mir fällt keine Zeitschrift hierzulande ein, in der man Ähnliches veröffentlichen könnte. Im Fleisch vielleicht, in der Schreibkraft oder im Wespennest, wenn's zum Thema passt. Okay.
Der Untertitel "vom Ende Amerikas" ist zwar Verlagsschwachsinn, aber das Buch unbedingt empfehlenswert.
Montag, 15. Oktober 2012
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