Sonntag, 24. Februar 2013

Plov, Kurt und Hotelbarbier

TAG 1: Bis 11 lässt man uns ruhen. Dann steht der Dekan persönlich parat, um uns Tashkent zu zeigen. Kristina, die uns abgeholt und im Vorfeld alles organisiert hatte, ist mit von der Partie. Wir fahren an allen Monumenten der Neustadt und schmucken Plattenbauten vorbei, schrammen kurz auch der Altstadt entlang, steigen aus, um das Kaffal-Shashi-Mausoleum und die Medrese Barak Chan und den Ort, mit dem berühmten Lederkoran zu sehen und stürzen uns sodann ins Basar-Getümmel. Die Entdeckung sind schrill-bunte Salatberge und die Kurt-Abteilung (Kurt ist Trockenkäse). 
Brot wird in alten Kinderwägen am Straßenrand angeboten und ist heilig (immer zwei kaufen, nie verweigern oder irgendwo liegen lassen!), nur leider am Hotelfrühstücksbuffet nicht in dieser Form zu kriegen. Vor dem Basar ist eine Handwerkerstraße. Spezialisiert ist man hier auf Kinderbetten mit integriertem Topf und einem Leitungssystem, das Kleinkinder windellos schlafen lässt. Dann geht’s heim zum Dekan: Plov essen. Der Dekan der Weltsprachenuniversität Tashket wohnt mit Frau, Sohn und Schwägerin in einer Fünfzimmerwohnung in einem Plattenbau direkt an einer viel befahrenen Straße. Töchter hat er auch, alle haben studiert und arbeiten. Die Frau kocht. Wir essen. Es schmeckt.

Wir schneidersitzen auf diesem Riesenbettgestell mit Tisch in der Mitte. Uns wird reichlich Tee gereicht. Süßigkeiten und Trauben sind schon da und wollen verkostet werden, obschon das Essen erst beginnen wird. Salate in allen Farben. Die rote Rübe wird hier hoch gehalten und mit Walnüssen, Bohnen, etc. veredelt. Krautsalate mit massig Kräutern. Karotten mit Kreuzkümmel, dazwischen Radieschen und Kohlrabi in besonders knackiger Form und grellem grün. Mariniert wird mit Kefirsoße und Eingelegtes dominiert. Dazu natürlich Brot – äußerst schmackhaft. Und dann Plovts. Der sympathische Dekan erzählt von seiner Zeit in der DDR, von seinen Kindern, dass er eines von zwölfen war, etc. Das ist alles sehr ungezwungen, relaxed und interessant. Dann wechselt er auch noch bei einem Freund Dollar und Euro für uns und kommt mit einem ganzen Sack voll Geld zurück. Wir sind eingeschüchtert und lernen den SUM kennen. 
Die Zugtickets hätten wir ohne seine Hilfe wohl nur unter Aufbringung von viel Zeit und Gestikgeschick erstanden. Die Bahnhöfe sind abgesichert wie Flughäfen. Wir sind in einem -istan, einem Endsilben -istan-Land. Bedrohung ist nicht virulent aber jederzeit möglich. Dass wir am ersten Abend ein Lokal in Hotelnähe finden, das an sich einen noblen Eindruck macht – Luster, Teppiche, schweres Gedeck – in dem das Bier aber nur sensationelle 2000 Sum kostet, ist ein genehmes Wunder. Im Hotelfernsehen dann ZDF Sonntagnachmittagsport (weil vier Stunden Zeitverschiebung). Die 7000 fürs Hotelbarbier zahlen wir dann gar nicht gern, zumal es in der „Hemingway Bar“ endlos trostlos ist.

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