Donnerstag, 27. November 2025

Indien - das wahre Mulitversum

Jaja, Jesus! Colva Beach
"Truth shall prevail" steht am Wappen - nix mit Gott, sehr erfreulich. Es folgt der Versuch eines wahrhaften Indien-Blog-Beitrags. Nix mit stringent und so. Ein assoziativer Wust, ein Synchron-Supergau. Everything, all at once, everywhere - now!
In Kolkata ist die größte Buchmesse der Welt, der größte Bahnhof Indiens, der zweitgrößte Bazar, der größte Blumenmarkt. Indien ist Superlative.
India is great. Indien ist unglaublich. Inda is an Idea. Indien ist Vielfalt. Indien ist das alles. Indien ist mulit-alles, ist das wahre Multiversum.
Da dreht wer Zuckerrohr durch die Mangel, dort hängt wer Wäsche auf einem Zaun auf, da spielen Jugendliche in einer Seitenstraße Cricket, dort hat einer auf seinem Fahrrad circa 30 ungerupfte, tote Hühner. Die Park Street wird auch Mother Teresia Street genannt. Dass ich da eher an Innsbruck als an Nordmazedonien denke, muss man mir verzeihen. 

Pre-Wedding-Shooting im Lodi-Park
Am Fluss, egal an welchem, spielt es sich ab, da wird gebadet, sich rundum frisch gemacht, da finden auch diverse Dienstleistungen statt: da sitzt wer mit einem Messer und will dir nur insofern an die Gurgel, als er dich rasieren will. Dort hat wer Bälle aus Flussschlamm geformt und bietet sie zum Verkauf an, wohl für Entspannungsmasken daheim. Da die unvermeidliche Waage, dort einer, der die die Ohren putzt. Ganze Schwälle lösen sich da zum Teil. Ich schaue und staune. Was für ein Holz es ist, das als Zahnbürstenersatz verwendet wird, muss ich noch rausfinden. Es enthält aber alles, was die Zähne brauchen (Harz, das reinigt), so das Wasser im Fluss alles enthält, was der Körper braucht. 
Die Essen-Lieferservices heißen hier swiggy und zomato und sind orange und rot und arbeiten wohl auch hier mehr als nur im grauen Bereich. Motorräder aufgebüschelt wie Kühe beim Almabtrieb. Lastwägen behübscht und bunte Stoffbahnen spannen sich vom Balkon bis zum Eingangstor, einfach so. Weil es schön ist in all der harten Gegenwart.
Und die Inder erfinden die "Sackelwirtschaft", die single-use-sessions, die Einzelportionen, die verpackt in Ketten zum Abreisen über alles mögliche gehängt werden können, denn Regalraum wurde ihren Produkten von den westlichen Platzhirschen keiner eingeräumt - daher brauchte es eine neue Geschäftsidee und sie hat sich bewährt. Es braucht nicht viel und schon ist ein Stand eröffnet. Hängende Prodkute die Menge. Einzeln abgepackt zum Abreißen und viel zum Wegschmeißen. 
Narendra Modi (Premiermenister) hat die Vision eines Hindustaates, er wurde 2024 wieder gewählt und Muslime sind unter seiner Führung bedroht.
Finaly found Paradise

Das Podium ist bunt gemischt, alle haben ihre Migrationshintergründe, es muss niemand was sagen, ich erkenne die deutsche Kollegin. Es ist nicht die Kleidung. Es ist was anderes: es gibt einen einen Gesichtsausdruck, eine Kopfhaltung, ein Minenspiel, das einfach typisch deutsch ist. 
Für mich ist das Indische Englisch schwer zu verstehen, für die Inder ist das österreichische Englisch schwer zu verstehen. 14 Autor*innen - eine mit englischer Muttersprache - alle sprechen ihr regional gefärbtes Englisch. What should possible go wrong?
Egal wo. Funkmikros haben immer Aussetzter - immer. Die Verwirrung, die Löcher und folgenden Reaktionen und Irritationen, die sorgen für Unterhaltung. "Can you here me" ist noch das Natürlichste. Anfangs wird darauf reagiert, dann eher nicht mehr. Dann wird es was Einzigartiges: Wörter fehlen, es wird ein Lückentext.
Eigen für Delhi ist das Räuspern und Husten, weil die Stimme von der Luft angegriffen wird. 
In Kolkata sind noch die alten "The Ambassador" Taxis unterwegs, in Delhi Stadt-E-Busse. Den besten Kardamom-Ingwer-Milch-Tee (ohne Zucker) trank ich auch in Kolkata. Kingfisher hab ich bis dato noch viel zu wenig gekriegt und Seafood auch. Aber Achtung: Pamfret heißt Fisch! und Paneer ist nichts Paniertes sondern Käse.
Mantras sind Zauber- und Murmelsprüche: Ram, Ram... und der Klang ist die Saat des Kosmos. Ein Mantra ist das, was dich schützt, wenn du daran denkst. Dabe schlägt Kraft Bedeutung: Aum mani padme hum, Aum mani padme hum... und alles, was dreifach ausgesprochen wird, verwirklicht sich: Schnitzel, Schnitzel, Schnitzel!
Der Chef neulich zur Sperrstundenzeit, der an einem Tisch neben mir Platz nahm,  hatte mehrere Kulis mit goldener Spange in seiner Hemdbrusttasche stecken. Brusttaschenschweimmen ist auch nur ein anderes Wort für Busenkraulen. Der Chef, hatte Geld in der Hand, das er zählte. Wohl die Tageseinnahmen. Er hatte ein Heft vor sich liegen und trug Zahlen in Spalten ein. Viele Zahlen, viele Spalten. Die Briten hätten die Bürokratie nach Indien gebracht, erzählte der Guide. Die Inder haben sie behalten. 
Was sonst noch. Wohl auch das mit der Milch im Tee. Einen im Tee haben ist aber gar nicht so leicht hier. Womit wir wieder bei Kingfisher wären: The King of good Times. Was ist das für ein Vogel auf dem Kingfisher-Etikett? Ein Kingfisher. Ist das ein Eisvogel? Warum assoziere ich den mit Eiskonfekt? Gab es da ein Motiv auf Hofer-Eiskonfekt in den 1980er Jahren? Ist es ein Kolibri? Nein, das war das Motiv auf Memorykarten aus den 1980er Jahren. Es muss ein Eisvogel sein. Beim Reisen wabern die 80er Jahre immer so in mir. Ich werde auf mein früheres Ich zurückgeworfen. Dass sie neuerdings auch in indischen Hipsterbuden auf Retrosound schwören (ich höre und kann nicht weghören: Modern Talkings Brother Loui, Dr. Albans It's my life, By the rivers of Babylon von wem noch mal?), verstärkt das nur noch. In Lokale, die dem Hotel, in dem ich abgestiegen bin, entsprächen, kann ich nicht gehen, da fühl ich mich nicht wohl. Kingfisher, Oaksmith - lustige Namen, so kolonialistisch. Kingfisher britisch, Oaksmith mehr deutsch! Eichenschmied. Der Eichelschnitter wäre ein guter Titel für einen Gay-Revench-Thriller-Porno. Ob es das Genre Schwulen-Racheporno-Thriller schon gibt? Sicher. Kingfisher: The King of good Times.  Der König guter Zeiten. "Kaiser im Reich des Geschmackes" lautet der Slogan von Paradise Pickles & Konserven in "Der Gott der kleinen Dinge" von Arundhati Roy. Der Roman spielt in Kerala. So weit werde ich es eher nicht schaffen. Aber ein paar königlich gute Zeiten sollten sich noch ausgehen. 

Bananenschalen und Kuhscheiße

Mein Taj Mahal Ersatz - war ja auch das Vorbild
"Ich glaube, junge Autoren habe es heute schwerer. Die sind nervös bei der Frage, was zu sagen und schreiben erlaubt ist. ich gebe einen Scheiß drauf.", sagt Salman Rushdie im Interview mit Volker Weidermann. Rushdie ist laut Eigenaussage 78einhalb. Ich bin 50 und vier Monate und habe noch gut eine Woche hier in Indien. Wenn alles gut läuft, sehe ich heute noch das Meer. Habe jetzt zwei Nächte in einem Hotel verbracht, das vorwiegend davon lebt, am Flughafen spät Ankommende aufzunehmen und dann am nächsten Morgen wieder loszuwerden. Denn an sich hat hier niemand länger was zu suchen. Ich suchte. Vergeblich. Mit der Zeit ging sogar das Internet verloren. Alles was nicht .com URL hat, lässt sich nicht öffnen. Mein Mailprogramm stürzt andauernd ab. Fotos hochladen unmöglich. Aber ein fabelhaftes Frühstück. Man kann sich hier stundenlang alles Mögliche bestellen, dazwischen mit frischen Mangos oder Melonen neutralisieren und dann wieder weiter machen mit Dosas aller Art und heute hab ich per Zufall auch Erdäpfelkrapfle kredenzt bekommen, die mich sehr an meine Kindheit erinnerten. Jaja, immer wieder Kindheit, ich weiß. Ob "Heimat, Kindheit, Missbrauchtum" ein guter Titel für ein noch zu schreibendes Buch wäre? Jedenfalls habe ich Schreiblust. Nochmal kurz zu Rushdie: "Träume nur auf dem Papier.", sagt er auch. Das gefällt mir. Wobei ich heute sehr spannend träumte: Agententhriller-Style. War so spannend, dass ich glatt zehn Studen durchschlief. Mit einer Unterbrechung, die der Spannung aber keinen Abbruch tat. Denn wie immer in den letzten Tagen brannte mein Hintern und wollte gelöscht werden. Wie über die Verdauung und die Wichtigkeit derselben im "Der Gott der kleinen Dinge" von Arundhati Roy geschrieben wird, hat mir auch sehr imponiert. Das Buch war wirklich die ideale Reisebegleitung und ich werde mir auf jeden Fall was mitnehmen für kommende, eigene Projekte. Z. B.: Die Zwillinge (im Buch) glauben, wären sie im Bus geboren worden, hätten sie lebenslang gratis Busfahren dürfen. Und sie glauben auch: wer auf einem Zebrastreifen überfahren wird, dem wird das Begräbnis bezahlt. Das sind schöne Kleinigkeiten und überdies sehr originell humorvoll. Auf Sätze, die für die Reise wertvoll siind stößt man ohnehin permanent: "Nichts war sehr wirchtig. Nicht viel war wichtig." Oder auch: "Quelle seiner brüchigen Hochstimmung war die relative Geringfügigkeit seines Unglücks." Auf Sätze, die für das Leben insgesamt wertvoll sind stößt man aber auch: "Und wieder wurden nur die kleinen Dinge gesagt. Die großen Dinge lauerten unausgesprochen im Inneren." Und schon wieder bin ich in der Heimat, Kindheit, Habmichgern.
Um aber auch noch auf die Bananenschalen und die Kuhscheiße zu kommen. Nachdem wir neulich den Tempel mit sehr vielen Svastikas überall gefunden hatten, in dem fotografieren leider verboten war. Wagten wir (der ukrainische Kollege und die deutsche Kollegin) uns auf eigene Faust weiter und suchten einen Park, in dem wir gemütlich den Sonnenuntergang über uns gehen lassen konnten. Wir kamen dem Park sogar nahe, doch die Bananenschalendichte am Boden mehrte sich. Immer mehr flanierende Rindvieher schissen drauf und wir wählten unsere Schritte vorsichtig, glaubten aber immer noch, unser Ziel erreichen zu können. Doch dann ein Schrei. Die Luft zerteilte sich, das Bild fror ein, wir hielten inne. Da kam er, der Boss der Affengang. Er schrie noch mal, tänzelte elegant auf der Parkmauer rum, zeigte uns seinen knallroten Hintern und seine Armee, der nicht nur 12 Monkey sondern unzähligen, ihm hörigen Affen. Eine ukrainische und meine Brille verschwanden umgehend in unseren Hosentaschen. Wir waren gewarnt. Die Affen nehmen sich, was sie greifen können und verhandeln dann hart. Wollen mindestens Bananen, lieber aber noch Süßigkeiten und wahrscheinlich nehmen sie auch DRUK Bier, aber das zeigten wir ihnen nicht. Wir respektierten ihr Reich und zogen ohne weitere Verhandlungen ab. Rückzug auf der Straße der Bananenschalen und Kuhscheiße. 

Happy Pestizide

Fröhliches Haus in Dabolim
Rieche nach Kindheit, Hallenbadkindheit. Chlor setzt sich in der Nase fest und nagt an der Haut. War im Hotelpool schwimmen - ganz allein. Jetzt warte ich auf das Essen. Es ist noch kein Jucken, aber ein Spannreiz und dazu der leicht stechende Geruch. jetzt fehlen nur noch Pommes aus der Frittöse. Es wird aber ein Fisch Tikka Masala mittelscharf werden. Das Hotel "Argo by Trance" bezeichnet sich als Boutique Hotel und die Angabe auf Booking.com behauptete: 0,8 km ins Zentrum, 2,5 km zum Strand. 0,8 km ins Zentrum ist relativ, wenn's im Zentrum nichts gibt. Strand ist hier weit und breit keiner, das Meer kann man sich nur mit viel Vorstellungskraft herholen. Der Kellner meint 5 km. 
Im Grunde ist das ja die richtige Annäherung ans Meer. Von der Großstadt erst mal in die Einflugschneise von Goas. Mein Balkon schaut nicht auf die stark befahrene Straße, dass aber gegenüber von der Hoteleinfahrt die streng abgeriegelte "AGRO CHEMICALS LDT" ihr Unwesen treibt, ist fast schon ein bisschen zu viel Urlaubshorrorklischee. Kreischen die Vögel deshalb so schrill, weil sie von chemischen Dämpfen ganz verweht sind? Sind die Hunde etwa nicht bloß friedlich sondern ruhiggestellt? Sogar die Mücken sind eher damisch als lästig. Was hat diese Krähe um den Schnabel für komische Flecken? Wieso sind die Tauben so zutraulich? Hätte ich vielleicht doch nicht im Pool schwimmen sollen? Was sind das für rote Punkte auf meinen Unterarminnenseiten, Oberschenkelunterseiten, Fußrücken, Handflächen - Himmel, ist das mein Gesicht, das da grad vom Tisch platscht? Oder ist etwa nur das Tikka Masala so scharf?
Ich enstpanne mich langsam. Der Schreibknoten löst sich, mir platzt der Phantasikragen und das mit der Düngerfirma gegenüber passt insofern, als es eine Klammer schließt, denn der wirklich sehr, sehr gute Guide, den wir in Kolkata hatten, bekannt, dass er beruflich Gift verkaufe ("I sell poison"), also Kunstdünger im großen Stil vermarktet, aber in seiner Freizeit eben gerne liest und spezielle Führungen macht. So ist das hier. Alles sehr gegensätzlich. 

Mittwoch, 26. November 2025

Einflugschneise

Reiseplanung geht anders, schon klar. Man reserviert nicht einfach am Tag vor der Abreise ein Hotel und bucht den Flug dort hin auch nicht in letzter Sekunde. Aber scher ich mich, wie man das richtig macht? Nein. Höre ich in meinem Zimmerchen in der Tschechischen Botschafts Residenz nach meinem letzten Termin Tocotronic "Pure Vernunft darf niemals siegen" und buche relativ planlos drauflos? Ja. Ginge das besser? Ja. Ist es arg daneben gegangen? Naja. Bin ich am Arsch der Welt gelandet und hab dort nicht mal ein Hotel? Nein. Aber. 
Der Tuk-Tuk-Transport zum Flughafen ist spektakulär. Die Wendigkeit der Fahrzeuge und Frechheit der Piloten beeindruckt. Für den Laien grenzt das ja an Todesmüdigkeit aber was weiß ich schon von indischem Straßenverkehrsverhalten. Eine Maske jedenfalls empfiehlt sich für das luftige Tuk-Tuk-Fahrgefühlerlebnis. Delhis Flughafen ist natürlich riesig und schon vor den Eingängen sollte man wissen, bei welcher Schlange man sich anstellt. Ich probier einfach mal mit Pass und Mailbestätigung mein Glück. Der Soldat ist höflich aber abweisend. Der Selfe-Check-In-Automat ist auch höflich aber abweisend. Er aber schickt mich immerhin zu einem Ticket-Schalter. Am Schalterverhalten der Menschen lässt sich schon viel ablesen. Bei mir geht's ruckzuck. Ein Papier wird abgestempelt und schon wird auch mir Einlass gewährt in den Flughafen. Nächste Schlange: Kofferabgabe. Mein Koffer hat kontinuierlich abgenommen. Es geht ihm da gleich wie mir, denke ich. Zwar esse ich, wann immer es geht, nur ging es bisher nicht sehr oft. Mein Koffer hat in 11 Tagen 12 Bücher verloren. Da kann ich zwar nicht mithalten, ich werde aber daran arbeiten, dass sowohl der Koffer (Hemden, Gewürze, Souvenirs) als auch ich (Seafood, Seafood, Seafood) in Goa ordentlich zunehmen. 
Der Sicherheitscheck ist in Indien immer ein Erlebnis. Man weiß nie, was einem diesmal abgenommen wird. Hätte ich eine Kokosnuss dabei, sie würde mir eingezogen werden. Darf man nicht. Weder im Handgepäck noch im Koffer, E-Zigaretten auch nicht. Das schmerzt schon mehr, hat meine deutsche Kollegin getroffen. Powerbanks kann es auch erwischen. Sogar Streichhölzer werden konfisziert. All das Abgenommene Gut eines Tages muss eine beträchtliche Anhäufung an elektronischem, entzündlichem und essbarem Gut sein. Was passiert damit? Wird es gespendet, versteigert, zwischengelagert? Vor mir schimpft ein Tourist, was sie ihm genommen haben, kann ich nicht sehen. Ich hoffe, es ist nicht die Würde. Im Flieger dann das reinste Schreikonzert. Brüllorgien von gleich mehreren Kleinkindern alle in meiner direkten Umgebung. Wäre ich nicht schon so lange in Indien, ich hätte nebenbei nicht "Den Gott der kleinen Dinge" fertig lesen können. Der Monohar-Flughafen ist erstaunlich neu, freundlich und das Förderband erfreut mich auch recht bald mit meinem Koffer. Nur ist es nicht der Flughafen, an dem ich glaubte anzukommen. Es ist der GOX nicht der GOI. Der Flughafen Mopa in Monohar ist vom alten in Dabolim circa 60 Kilometer entfernt. Das erinnerte mich schlagartig an mein Norwegen-Taxi-Erlebnis. Da musste ich vom "normalen" Oslo-Airport so schnell wie möglich zum "Ryan-Air-Airport Oslo" und das kostete mich 400 Euro (ging aber immerhin gut). Diesmal ist der Schaden geringer. Denn mein Hotel ist zwar in Dabolim, aber die Fahrt kostet mich nur umgerechnet 20 Euro und ich seh schon mal allerhand von Goa by night. 
Als wir dann mal in eine dunkle Seitenstraße abbogen, es kurvig bergauf ging, erstaunlich wenig zu sehen war, außer Bäume und Büsche, das Navi aber behauptete, dass wir in wenigen Minuten am Zielort ankämen, wurde mir kurz etwas mulmig. Dann aber erreichten wir wieder so etwas wie einen Ort, die Straße war eine Buckelpiste, nein, eine einzige Baustelle, so auch der Ort, der vermutlich Dabolim ist, und nichts zu bieten hat, außer den Flughafen. Der freundliche Taxler findet das "Argo by Trance", ich am selben Abend im ganzen Ort allerdings keinen Platz mehr, wo ich einen Absacker hätte trinken können. Im Hotel, das sehr okay ausschaut, wird kein Alkohol serviert. Aber immerhin. Ich habe ein ordentliches Zimmer mit Balkon und Blick auf Palmen, Pool und Brunnen. Meer ist hier natürlich weit und breit keines, aber wer mehr will, als bloß schnell raus aus der Stadt, muss halt auch mehr Zeit investieren, um endlich am Meer anzukommen. Das werde ich. Versprochen.

Toleranzverdikt

 

Essensausgabe im Sikhspeisesaal
Endlich vier Kühe auf der Stadtautobahn gesehen: große, schwarze, prächtige Exemplare. Sie teilten den Verkehr, wie Moses das Meer. Dann eine "Anti-Smog-Gun", eine Art Schneekanone, die Wasser auf die Straßen feuert - ein Tankwagen und dahinter ein Anhänger mit mobiler Anti-Smog-Gun. Eine Maßnahme der Stadtregierung für den Smog. An dem ja nicht der Verkehr und das generelle 30 Millionen-Großstadtleben schuld ist, sondern das Verbrennen der Felder in den Kornkammern rund um Delhi. Das sei vor allem im November so. Deshalb lohnt auch ein Tagesausflug nach Agra nicht: Taj Mahal gestrichen. Wenn ich den Tempel eh nicht gscheit sehen kann, warum dann die Mühen in kauf nehmen? Besser eine Buchhandlung besuchen und zwar die erste, die es in West-Delhi gab und West-Delhi hat immerhin fast so viel Einwohner wie Österreich. "MAYday. LeftWord Books" wurde in den 1980er Jahren gegründet und baut auf lokale Organisation. Man widersetzt sich der Gentrifizierung und veranstaltet Kindertheater, verkaufte neue und gebrauchte Bücher, Kaffee und ist deklariert links. Einer der Mitgründer erzählt von den Anfängen und Anfeindungen und bewirkt, dass wir alle ordentlich einkaufen. Hab jetzt ein Buch von Namdeo Dhasal "A Current of Blood" - das scheint mir, nach dem ersten Reinblättern, so etwas wie Spoken Word Poetry zu sein. 

Ein Sikh in blauem Flecktarnanzug und dazu passendem Turban radelt auf einem neonfarbenen Mountainbike an mir vorbei. Ob er seinen Dolch dabei hat, seinen Kamm? Wo ist blau eigentlich die richtige Tarnfarbe - im Meer? Die Sikhs sind ja spannend. Die machen alles anders. Der Gründer war geborener Hindu, aber mehr vom Islam geprägt, lehnte die Rituale der anderen Religionen ab und machte sein eigenes Ding. Im Sikhismus sind Mann, Frau und Menschen aller Schichten gleichwertig - das ist ja schon mal was. Es wird an einen allwissenden Gott geglaubt (nicht die allwissende Müllhalde). Dass diese Religion vor allem Zuspruch von gesellschaftlich Benachteiligten fand, ist nachvollziehbar. Im Zuge der Delhi-Tour besuchten wir natürlich auch einen Sikh-Tempel (Gurdwara Bangla Sahib). Das war ein ganz bezauberndes aber auch sehr verstörendes Erlebnis. 18 Stunden Live-Musik und Übertragung des Ganzen im Netz, da wird fröhlich einlullend getrommelt, gezupft und gesungen. Wir Touris latschen barfüßig durch die Andächtigen durch und (zumindest ich) kommen uns komisch vor. Fotos zu machen, ist nicht erlaubt, weil - der Grund ist interessant - es respektlos wäre, wenn dann welche der Fotos gelöscht würden. Nach dem Tempelbesuch und dem Blick auf das - ich sag mal salopp - heilige Wasser, wird man eingeladen, durch den Speisesaal und sogar in die Küche und die Vorratsräume zu gehen. Denn in diesem Tempel wird täglich Essen für Hunderte (gar noch mehr) gekocht und gratis ausgegeben. Niemand wird gedrängt, dafür zu spenden, aber die Donation-Boxes sind gut sichtbar aufgestellt. Es ist wirklich beeindruckend, zu sehen, wie hier freiwillige ihren Küchendienst machen. Das Wenden der Fladenbrote auf der heißen Herdplatte hatte etwas spielerisch Leichtes. Ich verließ den Tempel und die Sikh-Großküche mit einem positiven Gefühl. Fürs Essen stellten wir uns nicht an, wir hatten schon gegessen - Streetfood - köstliche Momos.
Wenn wir schon bei Religionen und Tempel sind. Der Lotos- oder auch Lotustempel katapultierte mich gleich mehrfach zurück in die Kindheit. Die Lotus-Abziehbilder waren immer besonders schwierig zu kriegen. Die Abziehbilder des englischen Sportwagensherstellers waren rar in der Panini-Sticker-Sammelalbum-Gemeinde. Und dieser an das Opernhaus in Sydney erinnernde Lotustempel in Delhi war auf der Weltreise-Städtekarte von Sydney. Weltreise spielten wir gerne. Da gab es Kurzstrecken- und Langstreckenflüge von Hauptstadt zu Hauptstadt und jede Stadt präsentierte sich mit einem Wahrzeichen. Neu Delhi mit dem Lotustempel der Bahai, der in den 1980er Jahren gebaut wurde (Architekt: Fariburz Sahba) und dann gleich Wahrzeichenstatus innehatte (zumindest für die Weltreise-Spielmacher). Dass da potente Geldgeber dahinter waren, ist eh klar. Die Religion der Bahai ist ers 1844 im Iran gegründet worden und war an sich eine super Sache: Toleranz allen Religionen gegenüber, alle Bücher der großen Religionen werden studiert und respektiert. Aber Anhänger hat diese Religion nur eine Handvoll. Unser Guide behauptete, dass Geld wäre aus Israel gekommen. Reingehen kann man in den Tempel aktuell nicht - Baustelle. Reingehen konnte ich auch ins Lal Quila (Red Fort) nicht, da gab es unlängst einen Bombenanschlag. Ja, religiös motiviert. Schon interessant, dass sich die toleranten Religionen nicht durchsetzen können. Genug der Tempelkunde. Vorerst.

Dienstag, 25. November 2025

Terminverstrudelung

Habe ein offizielles Treffen mit dem Direktor des Österreichischen Kulturforums. Das hätte gestern stattfinden sollen, wurde aber kurzfristig auf heute Vormittag verschoben. Ich reise mit dem Tuk-Tuk an, bin früh dran und wende mich an den Portier, der sagt: "But he is in a meeting." Haha. Trick 17, also eigentlich Trick 0815. Egal, ich darf in der Lobby warten. Ich dachte an Kaffeeverwöhnung und Apfelstrudelumsorgung - nix. Warten in der stickigen Lobby. Kann ja noch kommen, denke ich mir und schaue auf die Goldplakette am Eingang mit der EU-Fahne, drunter steht: Gefördert aus Mitteln des Außengrenzenfonds. Was es nicht alles gibt. Es tönt österreichisch hinter dem Schalter hervor. Behördenbürokratie-österreichische Klänge. Der Bittsteller spricht perfektes Deutsch, ist super höflich und wird beamtshandelt: "Warten Sie hier. Sie werden aufgerufen. Das dauert." Es dauert auch für mich. Es tanzt noch wer an, ausgerüstet mit Dokumentenmappe (pink, Klarsichthüllen) und einem Bündel Geldscheine. Er muss auch erst mal warten, dann darf er zahlen. Es werden viele 5000 Rupien-Scheine gezählt, 5000 ist der höchste Schein (das sind grad mal 5 Euro). 

Dann ein kleines Bürokratiewunder. Die Schalterfrau kommt hinter ihrem Reich hervor und zu uns in die Lobby und ist sehr nett. Sie verspricht, dass das Problem des Ersten bis 13 Uhr gelöst sein wird. He happy. She happy. Ich warte noch immer. Ich nehme mir vor, maximal bis viertel nach zu warten. Kurz vorher kommt einer der Eingangssecuritys und begleitet mich raus und ums Haus und rein in das Österreichische Kulturforum. 

Ich stelle mir vor, dass der Apfelstrudel einfach noch nicht fertig war, jetzt aber Kaffee und Studel dampfend auf dem Tisch stehen und ich unter Applaus der gesamten Belegschaft empfangen werde. Ich kriege einen Nescafe und kann grad noch verhindern, dass er mit Milch und Zucker daher kommt. Ein Glas Wasser gibt es auch und ein Assistent unterhält sich mit mir. Das Meeting des Direktors dauert noch immer. Mir dauert es nach einer halben Stunde höflicher Konversation dann doch zu lang. Ich signiere ein Buch, hinterlege auch ein "Hagel-DUM" und verabschiede mich mit den besten Wünschen und Grüßen. Na, habe die Ehre! 

Nehru, Lenin, Gandhi

Feierabend. Gestern die Masterclass abgehalten. Jetzt bin ich offiziell im Urlaub. Waren dann doch mehr Termine, als gedacht. Auch der gestrige Tag stand ganz im Zeichen der Veranstaltung. Da ging sich sonst kaum was aus. Aber es hat sich gelohnt. Die Masterclass (eine Mischung aus Auftritt und Gesprächsrunde) fand im Triveni Kala Sangam statt, einem der bekanntesten Veranstaltungsorte der Stadt. Es gab einen Skulpturengarten, mehrere Galerien, ein wirklich angenehmes Café (sie hatten sogar eine Espressomaschine dort!), eine Garten-Lounge (wo dann die Gespräche, das Teetrinken und Samosaessen stattfand) und ein Amphitheater. Ja, große Bühne, ja, große Aufregung - nein, keine deutschsprachigen Menschen im Publikum. Ja, schon Publikum - nein, einfach war es nicht, aber ich hab das gut durchgezogen. Kann jetzt zufriedener Dinge Richtung Süden aufbrechen (wenn ich dann Flug und Hotel irgendwo gebucht haben werde). 

Zwei Dinge allerdings gingen sich schon aus vor dem finalen Auftritt. Bin in den Nehru-Park gegangen und war überrascht, was das für eine Insel der Ruhe ist. Hab dort Baum- und Eichhörnchen-Studien betrieben. Bin auch in den Yashwant-Shopping-Complex gegangen und habe dort Vorkehrungen für den Abend getroffen. 

Mikroständer, Buch, Box und groooße Bühne - Juhui!

 
Kaum dachte ich, die indischen Eichhörnchenschweife wären lichter, dünner, zerrupfter - schon wurde ich eines besseren belehrt und ein Buschelschwanz erster Güte paradierte über das Grün im Nehru-Park, in dem keine Affenbanden ihr Unwesen treiben, aber unzählige Eichhörnchen herumtollen und sichtlich ihren Spaß haben. Es ist ein außergewöhnlicher Park - auf vielen Ebenen. Eben noch mehrspurige Verkehrshölle und Schwupp: Baum, Busch, Grün. Vogelgezwitscher im Vorder- Motorenlärm im Hintergrund. Wasserrauschen von Springbrunnen, kaum Menschen, kein Konsumzwang, einladende Sitzbänke, eine Tartanbahn die zum Slalomlaufen einlädt, weil die weißen Vogelschissflecken eine klare Sprache sprechen. Eine Lenin-Statue, die neulich von den ungarischen Kolleg*innen besungen wurde, als wir nach der Long Night of Literatures Neu Delhi im Haitat Centre (in dem gleichzeitig der WTS Congress stattfand, das Treffen der World Toilette Organization - was braucht es mehr als Literatur und Toiletten?), als wir also nach der Langen Literaturnacht am Nehru-Park und der dortigen Lenin-Statue vorbei fuhren, sangen die drei Ungar*innen mir Unverständliches. Ich versuchte mich erneut im Schmähführen und sagte: Hab ich aufgenommen und schon auf facebook gestellt. No, no, please don't. Just kidding. Jaja, das Humorproblem hab ich natürlich auch mit den ungarischen Nachbarn. Hätte dann doch ganz gerne verstanden, welche Hymne sie da sangen. Wollte den Diplomaten, der mir seine Karte zusteckte, ein "Ganz schön frech" einsteckte, aber kein Bargeld dabei hatte, weil hier niemand Bargeld hat, sondern alle mit QR-Code zahlen (auch den Tee an der Straßenecke), der mir aber versprach, mir zur Masterclass ein Bier als Tauschgeschenk zu bringen, den also wollte ich eh fragen, was sie da sangen. Aber er tauchte nicht auf gestern. Also nichts mit Buch für Bier, nur Buch für ihn. Gut, dass ich mich vormittags schon selbstversorgte.

Zum Lotus-Tempel später


Normales Bier ist hier "light beer", normaler Kaffee ist mit Milch. Normal ist hier Auto- und Tuk-Tuk-fahren, zu Fuß gehen nur Touristen wie ich. Dass es einen hauch anrüchig ist, etwas Verbotens hat, Alkohol zu besorgen, ist eigentlich rührend. Circa 30 Millionen Menschen leben hier, ich glaube nicht, dass die nur Teetrinken (mit Milch und Zucker). Beim Essen neulich gab es offiziell kein Bier, aber nachdem ich danach gefragt hatte, zog der Zuständige eines unter dem aufgetürmten Gemüse heraus und kredenzte es mir stolz. 
Als sich mein ukrainischer Kollege neulich irgndwo im Zentrum, in einem der Kreise rund um den Connaught Place mit einem alten Mann unterhielt und schlagartig kehrt machte, und sich mit ihm vom Straßenacker machte und weg, nicht mehr sichtbar war, hat mein Horrorgeschichtengenerator natürlich sofort auf Hochtouren gearbeitet. Ich sah meinen ukrainischen Freund schon auf einem Operationstisch liegen, sah, wie seine Bauchdecke mit einer Stichsäge geöffnet und sich an den Innereinen bedient wurde. Die ersten paar Male als er "goods" sagte, verstand ich nämlich immer "guts". 
Eigentlich aber wusste ich, dass das Lockmittel, meinen spaßigen Kollegen vom Weg abzubringen, schlicht Bier war: "strong beer" - Druk (wie Druck im Sinne von Buchdruck, er ist auch Verleger und Druck wie Pressure, er hat einen gewissen Drang zu Bier, mehr noch als ich). Die Alkohol-Angabe auf der Dose faszinierte mich: Less than 8 % Alcohol. Das kann auch 0 % sein! War es dann aber nicht. Wir tranken es zum Abschied. Wir haben uns gut verstanden. Wir werden gemeinsam ein Schreibprojekt anleiern. Es wird dabei nicht um Bier gehen, vielleicht aber um Leberkäse, als dessen Freund er sich deklarierte. Wir werden Leberkäse als formale Vorgabe ins Auge fassen und ordentlich Ingridenzien von seiner und meiner Seite reinmischen und das Ganze dann scheibchenweise präsentieren.

 

Montag, 24. November 2025

Bisi Belle Hulli Anna

and 8 hours for books & coffee
Sonntag in Delhi. Die gestrige achtstündige Tour durch die Stadt muss ich erst verdauen und verschriftlichen. Heute ging ich es etwas gemütlicher an und habe mich der deutschen Kollegin und dem ukrainischen Kollegen angeschlossen. Wir uberten in die Stadt und hatten ein klares Ziel: Kunsthandwerksmarkt. Ich bin ja bereit, alles mitzumachen und freue mich, wenn wer das Ganze in die Hand nimmt und ich einfach zwischendurch für Unterhaltung sorge. Zwar ist das mit dem österreichischen Schmäh auf englisch nicht immer ganz so einfach, aber einer von dreien funktioniert dann doch. Keine ganz schlechte Trefferquote. Jedenfalls war das ein Markt, bei dem Eintritt zu bezahlen war, was ja schon einiges aussagt. Natürlich für "Foreigners" wieder das Zehnfache, so wie bei den Sehenswürdigkeiten. Ist schon okay. Die reichen Einheimischen allerdings könnten durchaus auch ordentlich zur Kassa gebeten werden. Aber da ist das österreichische Steuersystem ja nicht anders. Jedenfalls war mit dem Eintritt besiegelt, dass sich nur Touris durch die Standreihen schoben. Dass wir einkaufswillig waren, war klar. Waren wir doch bei den Allerersten und kamen noch in den Genuss des Angebots: "First customer today - special price, just for you". 

Ein Kaschmirschal für mich, ein Pashminaschal für Doris, zwei Hemden und ein Notizbuch für mich, das ich dann auch gleich eröffnete, weil eins ist schon voll und will demnächst ausgewertet werden. Ob der Pashminaschal wirklich aus Pashmina ist, was weiß denn ich. Will ich der Changthangi-Ziege ans Unterfell - an sich nicht. Es fühlte sich wunderbar fein und leicht an - also was soll's. Vertrauen ist gut, Kontrolle kann ich nicht besser. Der Kaschmirschal hat Kuschlefaktor 5000 und ist voll in meinen Farben, auch da vertrau ich voll, dass das Edelhaar ist. Zwar fiel da und dort das Wort "sheep", aber nach Schafwolle wie ich sie kenne, fühlte es sich nicht an, also was kratzt's mich?
Der Händler nannte einen Preis, ich reagierte empört, er fragte, was ich den bieten wollte, ich sagte die Hälfte, er nahm den Taschenrechner zur Hand und tippte 2500. Ich wog kurz ab und willigte dann ein. Beide happy und dem Verhandlungsritual genüge getan. Natürlich habe ich noch immer viel zu viel bezahlt, wahrscheinlich wäre 1500 auch möglich gewesen. Aber 2500 war mir der Pashminaschal auch wert, ist ja für Doris und wenn sie das jetzt liest, freut sie sich sicher schon. 
Der Changthangi-Ziege ist mit dem bezahlten Preis wahrscheinlich nicht mehr geholfen als mit einem höheren oder niedrigeren - aber erneut: das juckt mich grad nicht. Mich juckt's langsam eher in der Nase, in den Augen und in der Gurgl. Weil der Delhi-Smog hat es schon in sich. Ich werde sogar den Ausflug nach Agra zum Taj Mahal streichen, weil der Spanische Kollege, der gestern dort war, berichtete, dass der Tempel kaum zu sehen gewesen wäre und die magere visuelle Ausbeute die insgesamt acht Stunden Fahrt überhaupt nicht gerechtfertigt hätte. No Taj Mahal für mich, hab ja schon andere Mogul-Tempelanlagen gesehen, aber dazu später.

Does literature respond to the anthropocentric
view and help develop a post-humanist conception
that emphasizes the intrinsic value and inter-
connectedness of all life forms?
    
Nach dem Shoppingerlebnis tauchten wir in die Unterwelt ein. Meine erste Metro-Fahrt in Delhi war angenehmer als erwartet. Beim Eintritt gab es zwar Sicherheitskontrollen wie am Flughafen aber die Bediensteten waren weniger streng. Zwar piepste es ordentlich bei mir, mein Schweizermesser aber wurde mir nicht genommen. Dann ging es sehr tief nach unten und es war wohl dem Sonntag zu verdanken, dass es nicht ganz so ein Bad in der Menge wurde, wie befürchtet. 
Mir scheint, dass die Metro hier eher ein Mittelklassefortbewegungsmittel ist. Die Tucktucks sind sicher billiger. Die U-Bahn ist nicht für alle. Die U-Bahn ist ein Vorzeigeprojekt, sie strahlt und prahlt mit Burger King und Barista. Sie spuckte uns schließlich am Connaught Place aus: das Auge des Säulengangsturms in Britischer Architektur der 1930er Jahre. 
Die Briten haben die Hauptstadt ja 1911 von Calcutta nach Neu Delhi verlegt, weil sich die Aufstände gegen die Briten in Calcutta mehrten. Drum - zack - Bedeutungsentzug. 

In den Säulengängen die sich zwiebelschalenmäßig um den Platz bilden, reiht sich Geschäft an Geschäft, Lokal an Lokal und wir landen schließlich in einem, das mir nicht nur das erste Mango Lassi der Reise bescheren wird, sondern auch ein Gerichte-Gedicht. 
Ich las Bisi Belle Hulli Anna und war schon zufrieden. Ich wusste, dass ich dieses Lautgedicht essen musste. Bisi Belle Hulli Anna - was soll ein Spoken-Word-Freund dazu noch sagen außer: Mahlzeit!

Bisi Belle Hulli Anna bestand aus dem Gemüsesüppchen im Schälchen, das als Dip für die Dosas und Reisbällchen oder eben auch einfach als Süppchen vorab dient - ich löffelte. Dann war da noch ein Papadam, das aber Appalam genannt wurde, jedenfalls war es ein frittiertes Fladenbrot aus Bohnenmehl, dazu gab es die üblichen drei Dips mit Chili, Minze und Kokos und dann war da auch noch ein Linseneintöpflein, das es gewüzmäßig in sich hatte. Ich kann Bisi Belle Hulli Anna nur rundum loben. Ein Gerichte-Gedicht der Sonderklasse.  

Samstag, 22. November 2025

Don't carry a piece of Switzerland in India!

Ich mag Flughäfen nicht. Ja, ich verachte Flughäfen zutiefst. Das Fliegen selbst ist mir egal. Ich mach es, wenn es sein muss. In Flughäfen aber fühl ich mich keine Spur wohl. Der Flug von Kolkata nach Delhi ließ sich nicht vermeiden, der Transfer zum Flughafen war tadellos. Dann aber gab es mir der Flughafen zurück. Er mochte mich auch nicht. 
Sie haben mir mein Schweizer-First-Aid-Kit auseinander-, meinen Plastikzahnstocher genommen und das Messerchen, das Scheräle und das Teil, das ich nie zu benennen und verwenden wusste (Metallstift, Ahle?). Außerdem nervten mich Flughafenmücken. Ich wünschte mir den Hotelangestellten herbei, dessen Job es war, mit einem  Plastiktennischläger mit Stromschlagknistern Fliegen vom Frühstückbuffet fernzuhalten. Dass der Reisetag zum Vergessen sein würde, damit rechnete ich. Dass ich aber beim Security-Check auf die Seite gewunken und mein Handgepäck auseinandergenommen wurde, war erst mal nichts Besonderes. Es wurde aber dann gleich doch ein wenig ärgerlich, denn "Your Swiss First Aid Kit" von Victorinox (war mal im Goodie Bag  bei einem Empfang der Schweizer Botschaft in Wien), das mich schon auf so vielen Reisen begleitet und mit dem ich schon so viele Dinge aufgeschnitten und beschmiert hatte, ist skelettiert worden. Carry a piece of switzerland at all times! Leider nicht mehr. Kurz dachte ich daran, mir ein Trostbier zu genehmigen. Aber für 1500 Rupien, was es am verflixten Flughafen kostete, hätte ich am Tag vorher in der Calcutta-Bar 15 Kingfisher trinken können. Nein, so weit waren wir noch nicht. So viel Trost brauchte ich auch wieder nicht. Dachte ich mir. Doch dann, ich schön brav in der Warteschlange beim Boarding, wurde mein Name ausgerufen. Mein eingecheckter Koffer passte auch nicht. Das Feuerzeug musste raus. Ich unterschrieb einen Wisch und ein Uniformierter schurlte damit von dannen. Er wollte meine Telefonnummer, die wollten sich auch am Nachmittag, beim Bestellen eines Kaffees von mir, sie kriegten sie nicht, dann klickte diejenige, die mir einfach nur einen doppelten Espresso geben sollte, ewig auf ihrer Maus rum und starrte auf einen Bildschirm anstatt an der Espressomaschine zu hantieren. Vermutlich machte sie schon die Buchhaltung und Inventur, aber der Siebträger blieb unberührt. Irgendwann kam der Kaffee dann doch und irgendwann wurde mein Koffer dann doch für fliegertauglich erklärt. Vorher aber hatte ich genug Zeit, mir vorzustellen, wie Securityhände in meinem Koffer wühlten, dies und das verdächtig fanden, am Flachmann schnupperten und den Obstler dann als hochexplosiv einstuften, mich nicht minder, mich also ausrufen, festnehmen und die kommenden Stunden von einem Fachmann foltern ließen. Für was hat man denn Phantasie, wenn nicht für Horrorgeschichten zu jeder Gelegenheit. Aber nur ruhig Blut. Nix passiert. Mein The Gap Feuerzeug ist halt futsch, jetzt muss ich mit der leeren Swiss-First-Aid-Kit-Scheckkarte die Biere öffnen. Wenn es denn demnächst welche zu öffnen geben sollte. 

Dass ich im Flieger selbst in der vierten Reihe sitzen durfte, war nur kurz freudig, denn dann begann das Schnoddermonster neben mir seine Geräusche abzusondern. Noch nie musste ich so an das schöne österreichische Wort Rotzpipn denken. Dann passte der Stewardess mein Stoffbeutel am Boden auch nicht und ich wäre fast gräntig geworden. Dabei hab ich doch gar keinen Schnaps in den Flieger geschmuggelt, in dem Alkoholverbot herrscht. Hätt ich aber können, denn meine volle Wasserflasche hat mir niemand abgenommen. Ich stellte mir kurz vor, wie sie meine Vöslauerflasche aus dem Night-Jet nach Rom neulich aufschraubten, daran röchen, die Flüssigkeit als hochexplosiv einstuften und mich irgendwo zwischen Kolkata und Delhi aus dem Flieger würfen. Ich stellte mir weitere schöne Konjunktivformen vor: schrübe, blübe, flüge und ermahnte mich dann, doch die positiven Dinge des Tages hervorzuheben: Das Warten verging ganz angenehm. Der Late-Check-ot war ein Segen. Die abschließenden Spaziergänge waren fruchtlos aber immerhin kein Schaden. Ich war an der Sonne und "frischen", wenigstens nicht aircontitionierten Luft und bewegte mich. Beim Warten in der Hotellobby hielt ich der Klimaanlagenherrschaft stand. Im Taxi fiel ich in traumreiche Sekundenschläfchen. Der Karottenkuchen beim Frühstücksbuffet war auch nicht so trocken, wie er aussah. Das Feuerzeug hätte ich eh nicht gebraucht. Außerdem stank ich nach all den Tagesmühen weniger, als befürchtet. Der Kugelschreiber wurde mir nicht abgenommen, obwohl ich damit durch den Scanner ging - der zwar grün anzeigte - aber dem Scanman entging er nicht. Ich durfte ihn ablegen und wieder an mich nehmen, nachdem er mich noch mal ordentlich durchgescant hatte. Na also, war doch ein ganz schön erfolgreicher Tag. Langsam komme ich mir indisch vor. 

Ja, irgendwann bin ich dann angekommen in Delhi. Hab mir ein Nicht-Aircondition-Pre-Paid-Taxi genommen (so viel Geben und Nehmen heute:). Der Fahrer konnte die Adresse, die ich ihm zeigte, nicht lesen. Nicht weil er generell nicht lesen konnte, einfach weil er schlecht sah. Aber er fuhr gut und brachte mich sicher zur Tschechischen Botschaft. Dort sollte ich die nächsten Tage verbringen. In einem Brutalismusbau aus den 1950er Jahren, der fast als Bauhausstil durchginge aber eben nur fast. Der Blick vom Balkon aber kann sich sehen lassen, nicht nur wenn gerade Festbeleuchtung ist. 

Mittwoch, 19. November 2025

Long Night of Literatures Kolkata 2025

Es ist unmöglich, in einem Blogbeitrag festzuhalten, was man hier in fünf Minuten alles sieht. Fotos machen hilft nicht. Für Fotos hat man keine Zeit, keine Gelegenheit, wenn man von der Masse weiter geschoben wird. Oft ist es auch einfach unangebracht und wenn man sich irgendwo aufhält wo nicht Massen unterwegs sind, dann hat man da eh nichts verloren und soll besser wieder zurückkehren in den Strom, der sich was weiß ich wohin bewegt. 
Hab grad mal wagemutig mehrere sehrsehrsehr stark befahrene, mehrspurige Straßen überquert, in der Hoffnung das Gelände vom Fort William betreten zu können, das aber war militärisch abgeriegelt und streng bewacht und die martialischen, Krieg verherrlichenden und dafür werbenden Bilder, doch dem Indischen Staat als Soldat zu dienen, waren ohnehin abschreckend genug. Zu Fuß war da kaum mehr wer unterwegs, da und dort lagen schon noch Menschen und Hunde, aber als dann aus dem halbwegs Grünen plötzlich eine Müllhalde wurde, wo Menschen drinnen saßen und was weiß ich was aussortierten, war mir klar, hier habe ich nichts mehr verloren und machte wieder kehrt. 

Mein fünfter Tag in Kolkata, mutig sein ist schon okay, Übermut aber spar ich mir. Der Tag wird noch anstrengend genug. Heute geht es weiter nach Delhi. Gestern war die Lange Nacht der Literatur im Goethe Institut, das hier als Max-Mueller-Bhavan-Institut bekannt ist, was mit dem Sprach- und Religionswissenschaftler Max Mueller zu tun hat, der zwar nie in Indien gewesen ist, aber den Rigveda übersetzt und Biografien von Persönlichkeiten der Bengalischen Renaissance veröffentlicht hat. Jedenfalls wurde das mit der Langen Nacht sehr wörtlich genommen. Es waren 11 zwanzigminütige Lesesessions geplant, dazwischen sollte es zwei längere Pausen und jeweils fünfminütige Pausen zum Wechseln der Räume geben, denn alle Autor*innen haben einen Raum zugeschrieben bekommen und das Publikum war eingeteilt in Gruppen, die mit Farbpunkten von Aqua bis Mastard als Erkennungszeichen ausgestattet wurden und so von Lesestation zu Lesestation wanderten. Klingt nach einen ziemlichen Zumutung, war es auch, zumal nach den jeweiligen 20 Minuten stets eine Schar von Menschen auf einen zu kam und unterschiedlichstes wollte: vom Autogramm angefangen, über Selfies bis zum Abladen von persönlichen Geschichten und Coaching-Tipps fürs eigene Schreiben, war da alles dabei und die nächste Gruppe schwappte da schon immer teilweise in den mir zugeteilten Raum "München". Im Raum "München" hing natürlich ein für die Stadt werbendes Plakat mit vergnügten Menschen, die Bier aus Maßkrügen tranken. Es hing auch eine Deutschlandkarte und ich konnte immerhin zeigen, wo ich geboren wurde, denn Reutte war noch drauf. 
Die längeren Pausen waren im Grunde weniger Erholung, denn da drängte sich alles am Buffet, einen Rückzugsort gab es nicht. Dass ich neun Sessions durchstand, ist eigentlich ein Wunder. Bereits nach dem ersten Dreierblock gab es Meutereitendenzen, es wurde zähnerknirschend von der Leitung des Hauses immerhin auf 9 verkürzt. In der neunten Session hab ich mich irgendwann mal in einem Loop aufgehängt, will heißen: Ich war mitten im Text "Du da" und merkte plötzlich, dass ich grad die zweite Strophe anstelle der vierten wiederholte und mir dachte "Hoppala", ich skipte dann, dachte mir "Wiederholung kann nicht schaden", dachte mir "Erholung aber auch nicht", beamte mich ins Plakat der glücklich Biertrinkenden, beendete danach mein Programm und freute mich auf das Feierabendbier.

Anstelle von  Bier gab es beim Empfang danach süßen Wein. Ist ein Goethe-Institut ohne Bier bei einem offiziellen Empfang noch ein Goethe-Institut?, fragte ich mich. Indisches Essen in mich schaufelnd, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen, wurde mir berichtet, dass einige Autor*innen schon früher das Handtuch geworfen haben, manche aber standen noch wacker rum, als ich nachdem ich der Institutsleiterin ein DUM "Hagel", ein "Ganz schön frech" und ein "Zurück in die Herkunft" für die Bibliothek überreicht hatte, gegen 22:30 Uhr Richtung Calcutta-Bar (Kingfisher Bier) das Max-Goethe-Bhavan-Institut-Mueller leicht verwirrt verließ.

Ehrlicherweise muss man sagen, das Format reihte sich nahtlos ein in das Stadtgeschehen. Es war so irre, wie Kolkata ist und insofern vermutlich das für das Publikum passende. Für die Autor*innen war es natürlich nach der dirtten Session nicht wirklich mehr ein Spaß. Aber ich bin ja nicht nur zum Vergnügen hier (auch wenn der Blick aus dem Hotelzimmerfenster danach ausschaut). 

Dienstag, 18. November 2025

DUM goes Sanskrit College

Kolkata liest DUM. 
Am Montag, dem 17. November 2025 war der erste offizielle Einsatz auf meiner 
Indien-Lesereise und 13 Autor*innen aus Europa machten sich auf den Weg ins Sanskrit College. Von den 13 sind 12 im Kenilworth Hotel untergebracht und 1 im The Park. Ich bin der Eine und warte also erst mal auf den Bus mit den Kolleg*innen. Es ist Montag-Vormittag-Verkehr - ich warte lange. Das gehört alles dazu zum Gelassenwerden. Ich habe mich entschieden, das Motto: Go with the flow zu befolgen, also alles kein Grund zur Aufregung. Da hat die Schweizerin schon eher Grund, sich zu ärgern. Die hat nämlich kein Visum bekommen. Die Schweiz ist also schon mal nicht dabei. Auch Polen - aus bisher ungeklärten Gründen - nicht. Der Slowene kommt - immerhin aus guten Gründen, er hat sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht und verbummelt - am Ende der Veranstaltung dazu, der Ukrainer und der Spanier kommen dann überhaupt erst pünktlich zum Mittagessen. Die Französin macht dann das Nachmittagsprogramm nicht mit, die Dänin nur kurz. Alles halb so schlimm. Wir sind alle erwachsen und dann beim Mittagessen doch kurz davor, zu meutern. Denn diese morgen anstehende lange Nacht der Literatur, soll wirklich lange werden. Es ist von fünfeinhalb Stunden und 11 Lesesessions von je 20 Minuten die Rede. Ich bin ja der Meinung, dass das dann eh alles ganz anders laufen wird, aber bitte. 11 mal hintereinander wäre schon irre.

Aber es ist eben das meiste irre hier. Die Studierenden beispielsweise sind irre gut vorbereitet und es werden viele Fragen und zwar an alle gestellt. Danach dann noch viel mehr Fotos und Autogramme hab ich in meinem Leben noch nie so viele gegeben wie an diesem Vormittag im Sanskrit College Klokata. Der Moderatorin hab ich dann ein DUM überreicht und sie hat es freudig vor sich her getragen. Ja es diente gar als Regenschirmersatz, denn sie fungierte auch als unsere Führerin aus dem College und zum Bus. Sie hielt also das DUM in die Höhe und alle folgten der Birne. Noch nie dürften Autor*innen aus 10 europäischen Ländern und tausende Inder*innen gleichzeitig das DUM wahrgenommen haben. Erreichen uns zum Thema "winken" Texte aus Indien. Wir wissen, wem wir es zu verdanken haben.

Hier machten wir dann Teepause. 6 Rupien im Pappbecher, 7 in one-way Tonhäferl. Es fällt einem schwer, die süßen Gefäße wegzuschmeißen, aber die sortiert dann eh wieder wer aus dem Müll und sie werden eingestampft und verwertet und irgendwo ist dann eine ganze Straße in Calcutta, in der nur diese Tonbecher hergestellt werden. Gestern war ich beispielsweise in der Brillenstraße, der Leuchtschriftenstraße, der Bandstraße (Bands für alle Anlässe), der Holzknaufgasse und und und
Wie gesagt: irre. 

  

Sonntag, 16. November 2025

Alles hupt

Hunde laufen rum und kacken. Menschen liegen rum und schlafen. Motorräder hupen, um zu überleben. Überall spielen Männer Cricket und brechen immer mal wieder in Jubel aus. Wann und warum ist mir noch nicht klar. Es riecht nach Müllplatz aus Kindheitstagen. Das wird wohl das verbrannte Plastik sein. Dazwischen fröhliche Farbtuper. Frauen in buntesten Kleidern. Die Busse laden nicht unbedingt zum Gebrauch ein, sind aber ebenfalls Farbspektakel und gleichermaßen schmuck wie antik. Die Taxis sonnige Blechboliden mit reundlichen Rundungen im Old-Timer-Style. Das The Park Hotel hingegen eine stilistische Verirrung im Meer of cool und pseudowestern. Null funktional aber in Marmor. Loungemöbel und -musik in der Lobby aber flairlos as fuck. Die Minibar schamlos teuer. Gut, dass ich Obstler importiert hab. Das Zimmer eine Kühltruhe, auch so charmant eingerichtet. Lauter Reiche hier, das spürt man. Reiche und ich. Ich reiche - aka - bin gut genug.

Auf den Straßen ein Geschiebe, Gedränge, Gehupe. Schlangen vor Lokalen und im Hotel selbst abends auch Highlife. Ich finde Zuflucht im Moulin Rouge. Das Draftbeer (230 Rupien) ist zwar warm, aber saufen will ich ja eh nicht. Im Hard Rock Café war es mir entschieden zu laut. So alt bin ich also mittlerweile. Im Moulin Rouge gibt's drinnen gemütliches Aleinunterhalter Heimorgel-Geklimper und von draußen dröhnt die Gehsteigperformance rein, Straßenmusik wäre entschieden zu wenig hoch gegriffen, denn die PA rumpelt mächtig, um mit dem Stradtgetöse mithalten zu können. Gleich zu vermuten, dass das Bier gepanscht ist, steht mir nicht zu. An den Wänden Cancan-Tänzerinnen, Gemälde von Frauen, die ihre Röcke hoch werfen. Sonst nur zwei, drei Frauen im Raum. Plastikstühle, Steinboden, in Handys-Versunkene, Männer-Pärchen, die brav trinken, ich. Gut, um runter zu kommen. Jetlegged bin ich natürlich noch, überwältigt von allem sowieso.

Der gemeinte Park ist das Maidan Gebiet. Da wuchert es wirklich dschungelmäßig, was aber niemanden davon abhält jegeliche Art von Müll von der Straße ins Grün zu kippen. Es ist ein regelrechter Walk of trash next to the park. Auf der Park-Seite ein Müllboulevard, auf der anderen Straßenseite Streetfoodstände ohne Ende. An den stark frequentierten Kreuzungen Schrankenwärter*innen für Fußgänger*innen. Überall sehr gechillte Hunde, die vorhnehmlich eingerollt in Schlaglöchern oder anderen Kuhlen ruhen. Hab noch kein Bellen gehört. Alles hupt aber nix bellt. Angst muss man weder vor Menschen noch vor Hunden haben. Vorm Verkehr empfiehlt sich Respekt, vor der Stadt auch. 

 

Donnerstag, 13. November 2025

Indienklischeeabbaustelle Fortsetzung

Was weiß ich schon von Indien? Nicht viel. Es werden 1.600 verschiedene Sprachen dort gesprochen und da sind die Dialekte noch gar nicht dabei. Es leben circa eineinhalb Milliarden Menschen dort und man kennt erstaunlich wenige davon. Das hat natürlich mit der westlichen Weltsicht zu tun, das hat aber auch damit zu tun, dass Indien zum Beispiel wenig weltweit bekannte Künstler*innen oder Sportler*innen hat. Gemessen an der Menge der Menschen, müsste es doch immer mal wieder Medaillen bei den Olympischen Spielen geben. Aber ich kann mich leider nur daran erinnern, dass da mal einer war, der im Speerwurf überraschte, gemerkt hab ich mir den Namen leider nicht und schon recherchiere ich. 

Wikipedia weiß: Neeraj Chopra (Hindi नीरज चोपड़ा Nīraj Copṛā [niːrəʤ ˈtʃoːpɽaː]; * 24. Dezember 1997 in Khandra, Haryana) ist ein indischer Leichtathlet, der sich auf den Speerwurf spezialisiert hat. Bei den Olympischen Spielen 2020 gewann er die Goldmedaille in dieser Disziplin mit einer Distanz von 87,58 m und 2023 wurde er Weltmeister. 

Und ich wusste immerhin, dass ich unter Indien, Speerwurf, Olympia nachschauen musste. Weil da was im Hinterkopf hängen geblieben ist. 2024 war es dann die Silberne und dann gab es noch ein paar Brozene für die gesamte Nation.  Aber das nächste Mal ist das Cricket olympisch und da ist natürlich mit Indien zu rechnen. 

Natürlich kenne ich Salman Rushdie. Den haben wir auf unserer Hochzeitsreise in New York (das war noch vor dem Messerangriff auf ihn), in der größten Buchhandlung der Stadt am Union Square live gesehen und das gleich am ersten Tag. Mit riesigem Polizeiaufgebot und einem souveränen Rushdie. Dass er - als er mit der Fatwa belegt wurde - eine Zeit lang von Rudolf Scholten im Waldviertel versteckt wurde, habe ich irgendwann mal mitgekriegt. Dass dort jetzt das Literaturfestival Heidenreichstein stattfindet, ist eine schöne Geschichte. Eine traurige Geschichte ist, dass ich mir als junger Student in den 1990er Jahren "Des Mauren letzter Seufzer" gekauft habe und daran gescheitert bin. Ich wollte etwas vom großen Salman Rushdie lesen und war zu klein dafür. 

Auf die Reise nehme ich aber nicht Rushdie sondern "Der Gott der kleinen Dinge" von Arundhati Roy mit.  Morgen mehr.

Montag, 10. November 2025

Reisevorbereitungen

Wie sich auf eine Indienreise vorbereiten? Da gibt es natürlich die unterschiedlichsten Zugänge und Arten. Am frühesten hatte ich mich mit den Vorbereitungsimpfungen auseinander zu setzen. Typhus, Tollwut, Dengue Fieber, Polio, Keuchhusten, Tetanus, Hepatitis wird aufgefrischt und der FSME-Schutz passt noch. Der September 2025 ist mein Impfmonat, die Tollwut ist dreistufig und hat es ganz schön in sich. Ich unterschätze das beim ersten und zweiten Mal und bin danach tagelang ein Impfzombie. Nein, dieses Wort wollen wir nicht etablieren. Mich praggte es nicht grad um, aber es beutelt mich schon ordentlich her, einmal verlier ich sogar meine Stimme und muss mit einem Reststimmchen auftreten. Aber alles besser als Tollwut. Die Impfungen kosten mich vermutlich mehr als die ganze Reise. Aber daran soll man nicht denken. Das ist Vorbereitung und dient generell der Gesundheit. Damit ist man körperlich für Indien gerüstet. Gegen Durchfall gibt es Kohletabletten und gegen nicht aufhören wollenden Durchfall gibt es Imodium. Ich werde wohl doch eine Flasche Schnpas mitnehmen und immer direkt desinfizieren, was ich zu mir nehme. Peel it, cook it or leav it - heißt es bekanntlich. Ob sich immer alles schälen lässt, bezweifle ich. Schnaps wird mir beistehen. Soviel zum gesunheitlichen körperlicher Art. 

Den Geist muss man natürlich auch auf diese Reise vorbereiten. Es fragen einen ja nicht wenige, ob man Erleuchtung sucht. Such ich nicht. Der Geist lässt sich lesend, Filme schauend und bei der Indischen Botschaft auf die Ausstellung eines Visums wartend vorbereiten. Im Grunde geht es mehr um Gelassenheit. Mit Gelassenheit lässt sich vermutlich auch Durchfall besser vertragen. Gelassenheit jedenfalls übt man ab besten in der Indischen Botschaft in Wien, Opernring. Nein, online lässt sich da nichts machen. Es ist zwar viel online zu machen, dann auszudrucken und mitzubringen, aber ein Online-Visum, nein, nein, nein. Das mit der Digital-Nation mag auf eine Region irgendwo in Indien (wo ist das Silicon-Valley Indiens?) zutreffen. Hier wird noch mit Papier gearbeitet und erstmal an der Ausfüllmaske auf der Homepage verzweifeln, denn die stürzt gerne ab, während man noch überlegt, wo die eigene Mutter geboren wurde. Ja, es wird allerhand abgefragt. Das geht schon ganz schön in die Tiefe. Ab dem zweiten Mal kennt man Leute, die demnächst auch nach Indien wollen. Manche haben es schon ziemlich eilig, die Beamten nicht. Man kommt ins Gespräch, tauscht sich aus, was beim jeweiligen Antrag fehlte. Sehr sympathisch eigentlich, müsste man nicht ein drittes Mal Antanzen, bis dann alles passt. Aber Indien braucht, wie die Eintrittskarte für das Land, Geduld. 

Wenn jemand mit dem Pass und einem auf das richtige Datum ausgestellten Visum den Büroraum verlässt applaudieren die anderen Leidgeplagten. So schnell entsteht eine Schicksalsgemeinschaft.  Davon liest man in den "Gebrauchsanweisungen für Indien" nichts, das erzählt einem auch kein Mensch, der schon in Indien war, da sind dann doch andere Dinge eindrücklicher und wichtiger - das ist nur zu verständlich und ich freu mich auch schon drauf. Um meine drei Wochen dort dann bestens auskosten zu können, mache ich diese Vorarbeit hier. Die Vorbereitungen festhalten, die Reiseeindrücke dann auch. Es soll ein Davor, ein Danach und das Dazwischenhauptbild entstehen. Ich bin bereit. Morgen mehr.

Sonntag, 9. November 2025

Indienklischeeabbaustelle

Was weiß ich schon von Indien? Nichts. Fast nichts. Nichts als Klischees. Gut, in die Schlagzeilen geriet Indien im Sommer hierzulande durch den Ausspruch Rajiv Bajaj, Chef des KTM-Miteigentümers Bajaj Auto, im indischen Fernsehen. "Die europäische Produktion ist tot", sagte er und sorgte damit natürlich für Beunruhigung. 
KTM hatte bei mir lange einen hohen Stellenwert. Ich spielte gerne Quartett und beim Motorrad-Quartett gab es eine KTM-Moto-Cross, die ziemlich gut war, fast so gut wie Heinz Kinigadner, der war Tiroler und erfolgreicher KTM-Moto-Cross-Fahrer und was wünschte sich mein Kleinkind-Ich: ja, eine Mini-Moto-Cross. Was hatte ich? Ein Vollgummifahrrad mit Stützrädern aber immerhin im Moto-Cross-Style. Den entsprechenden Sound hatte ich selbst zu machen: Mööh, mööh, mööh, mmemmem, möh... Bald schon konnten die Stützräder entfernt werden, ich wurde waghalsiger und der vorläufige Höhepunkt der Waghalsigkeit war, dass ich mich vom großen Bruder mit dem Puch MV50 Moped (und einem daran und an meinem Lenker befestigten Abschleppseil) ziehen ließ, jedoch recht bald die Kontrolle über mein Gefährt verlor, das ich jedoch nicht auslassen wollte und so halt in Western-Manier über den geschotterten Parkplatz gezogen wurde. Immerhin eine bleibende Erfahrung, die schmerzte so wie vermutlich KTM-Arbeiter*innen die Aussage von Bajaj schmerzte. Weil wenn die europäische Produktion tot ist, ist auch Mattighofen tot und so endgültig mehr Museum als Produktionsstätte. 

Das mit dem hohen Stellenwert von KTM hat sich freilich rasch geändert. Der Tiefpunkt war die KTM-Motohall, die als Museum eingestuft und aus dem Kulturbudget finanziert wurde, letztlich aber nichts anderes ist als ein Stefan-Pierer-Mausoleum, halt ein mit öffentlichen Geldern aufgestelltes. Landeshauptmann Thomas Stelzer freilich sah das anders: „Die KTM Motohall zeigt in Oberösterreich ein Projekt von Weltformat. Was KTM hier hinsichtlich Emotionen und Engagement leistet, ist sehr beeindruckend. Zu spüren, wie motivierte Mitarbeiter hier Möglichkeiten wahrnehmen und gemeinsam mit KTM als Leitbetrieb einen Teil der Erfolgsgeschichte des Landes Oberösterreich mitgestalten, ist beeindruckend und motivierend – ich gratuliere KTM zur Umsetzung der KTM Motohall.“

Ich gratuliere dem Herrn Landeshauptmann zu diesem Statement. Was Stelzer zum Ausspruch Bajajs zu sagen hatte? Ich weiß es nichtIch weiß so vieles nicht und sehr wenig von Indien, werde aber in fünf Tagen eben dorthin aufbrechen. Damit ich also möglichst offen für die konkreten Indien-Erfahrungen bin, versuche ich hier im Vorfeld abzulegen, was mich an Indien-Klischees und -Bildern vorbelastet. 
Was ich erst durch das Schreiben dieses Beitrags und dem damit verbundenen Rumgoogeln erfahren habe ist, dass Bajajs  Großvater ein Adoptivsohn des indischen Staatsgründers Mahatma Gandhi war, dass er aus altem, indischem Industrieadel stammt und dass die Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt Pune der Standort der KTM-Fertigung in Indien ist. Ob ich dort vorbei komme? Wir werden sehen. Morgen mehr. 

Dienstag, 4. November 2025

Parkhäuser und Eisdielen in Slamnitz

Chemnitz ist Kulturhauptstadt und Chemnitz war Slamnitz, war eine Woche lang auch die Poetry-Slam-Metropole, denn die deutschsprachige Slam-Szene kürte wieder mal ihre Meisterin. Gratulation Ayşe Irem (damit ist sie erst die dritte Siegerin in der Geschichte der deutschsprachigen Meister*innenschaften). An sich wollte ich ja gar nicht mit dabei sein, aber weil die Krankheitswelle so grassierte und die Plätze für Österreich ja seit Jahren hart umkämpft sind, sprang ich (nicht nur ich auch Mieze Medusa) ein, nahm den Zug und acht Stunden später war ich schon in Chemnitz, wo mir der Wind um die Ohren pfiff (was die umstehenden Windräder rechtfertigt). 

In Chemnistz selbst fielen mir - neben den Plattenbauten und der mir ja sympathischen Brutalismus-Architektur - vor allem die Menge an Eissalons und Parkhäusern auf. Parkhäuser kenn ich nur noch aus Kindheitstagen, da wünschte sich mein Kleinkind-Ich ein Parkhaus mit integrierter Tankstelle, um mit den Autos aus und ein zu fahren, zu tanken und sie auch mit dem Aufzug raufzukurbeln. Arg. Wie wir mit dem Autospielen auf eine Autozukunft vorbereitet wurden. 

Bei uns verschwinden Autos in Städten ja zunehmend in Tiefgaragen, in Chemnitz ist noch Platz genug. Da gibt es selbst im Zentrum, in der Altstadt mehrere Parkhäuser. Gehörten alle gesprengt, meine Meinung. Oder zumindest mit Kunst verschönert. Ein bisschen was war ja zu sehen von der Kulturhauptstadt. Vieles aber versteckte sich in Garagen. #3000Garagen - unter diesem Label firmierte das Hauptprojekt im Rahmen der Kulturhauptstadt. Die Garage - da wo sich Auto, Hobby und Menschen trafen und weitgehend unkontrolliert machen konnten, was sonst nicht möglich war in der DDR. 

Zeit für eine Garagentour hatte ich nicht, mich verblüffte die Anzahl der Eissalons, Eisdielen, Eis-Cafés, der Irgendwas-mit-Eis-Spots die auch Eispol heißen konnten, aber wohl Wärme und Wohlsein suggerieren sollten. Diese Eis-Hot-Spots waren auch gut besucht und die Chemnitzer*innen schaufelten ganze Kübel in sich rein. Es muss wohl ein Mittel sein, sich die Stadt schön zu eisessen. 

Die Fabrikshallen von einst sind jetzt alle Ausstellungsräume, Veranstaltungs-Locations oder umgebaute Wohnungen. Das schaut ganz schön toll aus und erinnert auch an die Industrie-Vergangenheit. Chemnitz war das Manchester Sachsens. Wie geht man mit einem derartigen Erbe um? Versucht man das Birmingham Sachsens zu werden? Jaja, Transformationsprozesse machen Menschen und Städte durch, die Sprache sowieso. Ich wollte einen Turnbeutel mit Kulturhauptstadt-Logo kaufen und musste erfahren, dass das eine Gym-Tasche wäre. Nicht das aber der Preise schreckte mich ab. Ich investierte lieber in Kulturbier (aber auch nicht sehr viel). Die Nase rann mehr, als dass ich Bier die Kehle runter rinnen lassen konnte. Eine Erkältung meldete sich an obwohl ich weder den Eispol noch sonst eine Gelateria aufsuchte. 

Der bunte Schlot, der von Weitem zu sehen ist, dürfte wohl zum Markenzeichen der Stadt werden. Wenn er ein Produkt der Kulturhauptstadt ist - gut. Wenn er schon länger steht - umso besser. Der Kurztrip nach Chemitz war eine runde Sache. Dass Lia Hartl - die frische Ö-Slam-Siegerin - auch dritte der deutschsprachigen Poetry Slam Meister*innenschaften wurde, war natürlich der Sahnegupf des Aufenthalts.   

Ein Nachtrag, um zu demonstrieren, was ich von KI halte. Der Prompt "Slam 25 Siegerin" wurde von KI wie folgt beantwortet:  
Die Siegerin des Poetry Slam 25 gibt es nicht mehr, da "Slam 25" wahrscheinlich eine falsche Jahreszahl war . Die deutschsprachige Poetry-Slam-Meisterschaft fand 2025 nicht statt, da sie erst im November 2025 stattfand und Ayşe Irem die Siegerin war, oder der Wettbewerb wurde unter einem anderen Namen ausgetragen.
 
Warum sich auf den Scheiß verlassen?!

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Slam the Cello

Die letzte Woche hatte ich richtiges Boy-Group-Tour-Feeling. Mit dem Programm "Slam the Cello - Rock the Poetry" war ich mit Cemplified und dem Beatboxer Samuel Plieger unterwegs (mit Zug und Schienenersatzverkehr) und wir spielten zwei speziell an den Nationalfeiertag angepasste Shows im Alten Kino Landeck (dort wurde auch das tolle Foto als Plakatsujet verwendet, vielen Dank!) und im Treibhaus in Innsbruck. 

Cemplified besteht aus den zwei Cellisten Julian Walkner und Peter Pölzer. Sie präsentierten nebenbei ihre neue CD tungsten wound und sie spielen eigene Nummern und interpretieren Hard-Rock-Klassiker und andere Ohrwürmer. Wir machten vier Nummern gemeinsam, sie vier solo, ich vier solo und drei Nummern gingen gemeinsam mit dem Beatbox-Star über die Bühne. Der Treibhaus Turm war voll und wir alle voll und ganz zufrieden. Mögen weitere gemeinsame Auftrittsmomente entstehen!

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Thomas Bernhard heißen meine Brüder

Wer ein richtiger Thomas Bernhard Fan ist, besucht mindestens einmal im Leben Ohlsdorf. Er*Sie rutscht dann auf den Knien um den Hof des Weltliteraten und wettert vor sich hin: "Wien hat mich nicht verdient, Graz ist nichts, Linz ist nichts, rechts von Linz ist nichts, Salzburg ist die Hölle, Ohlsdorf der Vorhof davon...." oder ergötzt sich einfach an den Spuren, die Thomas Bernhard in diesem Ort hinterlassen hat und entdeckt Neues. Ich hatte ja die größte Freude daran, dass direkt bei der NMS-Haltestelle ein Haus mit einmaliger Fassaden- und Zaungestaltung direkt darauf gewartet hat, von mir entdeckt zu werden. 

Als ob es mir zu Fleiß vor die Nase gestellt worden wäre. Ich mit meinem "Land der Zäune" auf Lesereise (am Abend steht die Lesung daraus in der Kurdirektion in Bad Ischl an) und was tut sich da vor meinen vor Erstaunen aufgerissenen Augen auf? Nicht nur die prächtigste Gabbionengrundstücksumrandung, nein, damit nicht genug. Gabbionen wurden auch als Fassadenelemente verwendet! Nicht zu fassen. Aber auf jeden Fall ein Foto wert. Ein Mahnmal der Geschmacklosigkeit und der Zaunmoden gleichermaßen. Ein Sinnbild der Verschlossenheit. 
Ohlsdorf sonst natürlich tiptop. 

Montag, 6. Oktober 2025

Selbst ein Kärntner See ist keine Frittatensuppe

Der jüngste Aufenthalt in Kärnten stand im Zeichen von Familie, Arbeit aber auch Freizeit mit Freund*innen. Wir haben zwei Nächte in Egg am Faaker See bei Familie Clar (Danke Peter!) verbracht und eine lange beziehungsweise kurze Nacht in Klagenfurt im Musilinstitut (Danke Edith!). Die kulinarische Reise reichte vom Weißwurstfrühstück am Sonntag bis zu Arni Furno ke Gigantes (Lammstelze mit Riesenbohnen) beim Griechen in Villach. Dazwischen wurde Wimitzer gereicht. Das war in Summe die perfekte Mischung, hat aber doch dazu geführt, dass wir recht augepowert die Rückreise antraten. Wie gut, dass das Lunchpaket eine ganze Backhendlfarm enthielt. Wir werden Kärnten fleischig herzhaft in Erinnerung behalten. 

Nicht unerwähnt soll freilich auch der Marktbesuch am Samstag Vormittag bleiben. So viel Speck und Würste hab ich lang nich mehr gesehen. Kaufte einen Kärntner-Kasnudel-Vorrat aber schon auch (von Bertl Mütter empfohlenen) Senf, nona Speck und richtete mich - nachdem es am Freitag doch Samstag und 3 Uhr geworden war - mit einer Friattensuppe in der Markthalle wieder auf. Dass ich dort auf die Lesung im Musilinstitut angesprochen und mit Lob überhäuft wurde, war der wärmendste Moment des Aufenthalts. Obwohl an sich eh an zwei Tagen noch ordentlich die Sonne scheinte. Aber gegen Suppe und Lob kommt kalt selbst ein Kärntner See und Spätsommersonne nicht an. 

Dieses Suppenküchenlob allerdings war ähnlich überraschend wie die Entdeckungen, die ich im Großraum Faaker See machte. Dort hat doch tatsächlich ein*e Fan/Freund*in/Unbekannte*r "Land der Zäune" Pickerl ziemlich gezielt an gut ausgesuchten Stellen angebracht. Ich nahm die Schnitzeljagd an und hab versucht, zu dokumentieren (was ich halt so fand in einem 2 Stunden Spaziergang). 

Freitag, 12. September 2025

Abenteuerwels

Wandle auf alten Pfaden. Mache einen Wels Abstecher. Kaufe ein "Wös is ka Fisch"-T-Shirt und besuche die aktuelle Stadtschreiberin im Black Horse Inn. 
Es ist kein Geheimnis, dass die aktuelle Welser-Stadtschreiberin Mieze Medusa (also meine Frau) ist. Es ist alles andere als ein Geheimnis, dass wir die Antrittslesung am Dienstag, den 23. September im Hotel Hauser gemeinsam bestreiten werden. 
Deshalb, so hab ich mir gedacht, kann es nicht schaden, wieder mal vorbei zu schauen. Zu schauen, was sich so getan hat in den letzten 8 Jahren. Und es gibt viel zu schauen. Da wird großflächig entsiegelt, dort wird großflächig versiegelt. Vielen Dank für das Renaturierungsgesetz - geschätze Leonore Gewessler!

 


Dienstag, 1. Juli 2025

Schärding ist nicht Schladming - Schärding ist schön

Darmflora

Du bist mein Leberblümchen
Nicht meine zarte Gürtelrose
Bist mein Vergissmeinnicht
Bist Veilchen und auch Herbstzeitlose

Du bist nicht mein Ohrenkaktus
Du bist mein schmatzend Schamlosmoos
Bist Glockenblume, Iris und auch Nektarsoß

Du bist Wurzel, Knospe, Blüte
Ich dir nicht gewachsen
Bist Farbe, Freude, Güte
Ich mach nur Faxen

Du bist der Schön-, Herzlich-, Fröhlichkeiten ein ganzer Strauß
Und dieses Landesgartenschaublumengedichtchen nun aus

Mein erstes Mal in Schärding. Tolle Stadt. Brauerei im Zentrum. Landesgartenschau drumrum. Tadellos. Großer Hauptplatz, Bahnhof etwas außerhalb aber mit Bummelzug verbunden. Bummelzug stinkt zwar etwas, aber wollen wir außnahmsweise drüber hinweg sehen. Ist ja schließlich ein öffentliches Verkehrsmittel. Aber für die Zukunft: E-Bummelzüge müssten schon drinnen sein, gell! Wenn wir schon beim Kritisieren sind, sei auch gleich gesagt, dass es auch schön gewesen wäre, wenn die Gastro und die Toiletten mit etwas Baumschatten versehen worden wären, von der Bühne wollen wir jetzt mal gar nicht reden. So eine Klozelle in der prallen Sonne heizt sich ganz schön auf. Ich fall ja nicht so schnell in Ohnmacht aber das durchschnittliche Landesgartenschaupublikum ist halt doch etwas betagter. Aber wir hatten eine feine Zeit dort und das nächste Mal bleib ich auch länger, denn Schärding ist ja so interessant, wie ich herausfinden durfte. 

Wusstet Ihr, dass das allseits bekannte Sprichwort "Gut Ding braucht lang Weil" ursprünglich "Gut Schärding braucht lang Weil" lautete? Also: Damit es dir in Schärding gut geht, braucht es Langeweile. Das ist ein anachronistischer Aufruf zur Langsamkeit, der uns - die wir von der Hektik des Alltags und der generellen Schnelllebigkeit geprägt und gefordert sind - allen gut tut. Nehmen wir es uns von nun an zu Herzen: Gut Schärding braucht Langeweile!  

Wusstet Ihr überdies: Das Schärding ist ein Ding, das schert. Das Schärding wurde lange zur Schafschur verwendet. Mit der Erfindung der Schafschere allerdings war diese Beziehung beendet. Schärding hat aber nciht den Kopf in den Sand respektive die Wolle gesteckt, Schärding hat sich neu orientiert, umgeschult und neu positioniert als - nein, nicht größter Käse Österreichs - sondern als Blumen-Hot-Spot. Schärindg ist nunmehr ein Blumenmeer. Schärding blüht auf. Schärding ist schön, sehr schön. So schön schön ist nur Schärding. Ich komme wieder.