Donnerstag, 8. Mai 2025

Orangenbäume und Literaturblüten oder Jugend forscht

Nicht nur den weißen Rauch knapp versäumt, sondern auch fast den Zug. Obwohl ich heut im Grunde nichts zu tun hatte, außer um 18:10 Uhr am Bahnhof Tiburtina zu sein.
Aber was soll ich sagen. Ich hab mich eingelebt. Habe leben hier neu gelernt, um es mit Ingeborg Bachmann zu sagen. Denn das hab ich schon geschafft, ich war heute in der Casa di Goethe in der Via del Corso 16. Da ist nicht nur die Goethe-Dauerausstellung sondern aktuell eben auch die Sonderausstellung: "Ich existiere nur, wenn ich schreibe. Ingeborg Bachmann" Und wenn da jetzt wer denkt: Wer geht schon am Tag 2 der Papstwahl in eine Bachmannausstellung? Dann lasst euch sagen, mehr als man meinen möchte. Vor allem mehr als der Ausstellung gut tun. Gut, sie waren wohl nicht freiwillig dort, die Jugendlichen aus Deutschland, die von der Lehrerin ins Goethe-Haus geschleift wurden und dort dann eine Führung über sich ergehen lassen mussten, was immerhin ein Schüler, am Ende fast mit Applaus bedacht hätte, wenn er etwas Unterstützung seiner Mitschüler*innen gekriegt hätte, hat er aber nicht. 

Die Führerin moderierte ab und sprach: "Und damit möchte ich schließen. Hier findet aktuell auch noch eine Ausstellung einer Österreichischen Autorin statt, die in Rom gelebt hat und leider schon 47jährig tabletten- und alkoholsüchtig in Rom verstorben ist." Ob sie das mit den Tabletten und dem Alkohol sagte, um sie für die Schüler*innen interessant zu machen, ich weiß es nicht. Schöner wäre gewesen: Die sich mit Tabletten und Alkohol verbrannt hat. Das wäre immerhin mehrdeutig gewesen. Ein Satz zur Bedeutung von Bachmann wäre schon auch schön gewesen. Ich weiß, das war jetzt viel gewesen. Aber nach Goethe, was soll man da schon über eine österreichische Autorin des 20. Jahrhunderts sagen? Eben. 

Ich schaute mir also erst mal an, welche Stationen Goethe auf seiner Italienreise machte. Auch Innsbruck ist brav verzeichnete, am Vortag war er da noch im Mittersill. Das Gebiet von Neapel bis zu den Zehen vom Stiefel hat er ausgespart, weil wohl mit dem Schiff nach Sizilien, wo er wiederum ordentlich rum kam. Auch das ikonische Tischbein-Bild in Liegepose schau ich mir genau an (freilich nur die Kopie) und muss feststellen: Proportional haut das überhaupt nicht hin. Da müsste Goethes rechtes Bein schon erheblich kürzer als sein linkes gewesen sein. Merkt man vor allem an all den Nachstellungen, die winkelten alle ein Bein ab. Aber gut, ich will nicht spitzfindig sein. Oh, doch, eigentlich schon. Egal. War ja nicht für Goethe da, so wie die Schüler*innengruppe, wobei die wohl auch nur wegen ihrer Lehrerin dort waren, aber immerhin dann auch noch blieben. Mit mir blieben, um in den Bachmann-Räumen zu verweilen. Ob sie das Goethe-Haus nicht vor Mittag verlassen durften, oder freiwillig hier blieben, wage ich nicht zu mutmaßen. Jedenfalls breiteten sie sich gehörig aus. Vor allem im Filmraum. Da war es schön dunkel und es gab Sitzplätze. Da ließ es sich bestens das Handy auspacken und all die empfohlenen Videos anschauen, die in den vergangenen Minuten während der Goethe-Führung versäumt wurden. 

Auf der Leinwand lief Bachmann in den 1960er Jahren durch Rom, in den Reihen dröhnten aus mehreren Handys gleichzeitig Musik-, Gebets- und was-weiß-ich-für-Anleitungsvideos. Ich freu mich für die Jugendlichen, dass sie eine gute Zeit in der Ausstellung haben. "Die Jugendjahre sind, ohne dass ein Schriftsteller es anfangs weiß, sein wirkliches Kapital.", sagte die Bachmann in einem Interview 1971. Aber nicht nur der Filmraum zieht die Jugendlichen an, auch neben den Schaukästen der Kindheitsfotos breiten sie sich am Boden aus: sitzen, liegen neben und aufeinander. "Weißt du eigentlich noch, dass wir doch, trotz allem, sehr glücklich waren, selbst in den schlimmsten Stunden, wenn wir unsere schlimmsten Feinde waren?", schrieb die Bachmann am 27. Juni 1951 in einem Brief an Paul Celan. "Ich hau dir in die Fresse", sagt eine sehr schwarz gekleidete Jugendliche zu ihrer Freundin, die das wahrlich treffen würde, denn da ist viel Metall in ihrem Gesicht. "Halt's Maul!", entgegnet die Bedrohte und das scheint angemessen, denn dann liegen sie sich schon wieder in den Armen. "Wenn die Sprache eines Schriftstellers nicht standhält, hält auch, was er sagt, nicht stand.", sagte Ingeborg Bachmann in einem Interview 1955. 

Ich bin mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob es sich bei den die Räume belagernden Jugendlichen um eine zwangsverpflichtete Schüler*innengruppe handelt oder ob es vielleicht doch eine Exkursion angehender Schriftsteller*innen aus Hildesheim oder Leipzig ist. Sagte nicht grad die, die sich unter einen Schaukasten mit Manusktipt-Seiten von Bachmanns berühmter Dankesrede anlässlich des Hörspielpreises der Kriegsblinden wälzte: "Mir tut der ganze Körper weh, so arg ist mir's, nicht in Deutschland zu sein." Oder hab ich mich verhört, was leicht sein kann, denn die Handyvideos sind ganz schön laut. 

Jetzt wälzt sie sich wieder in den Raum und ruft: "Ich bin niemands Frau. Ich bin noch nicht einmal. Ich will bestimmen, wer ich bin." "Halt's Maul!", quittiert eine Freundin und ich bin entzückt. Vielleicht ist es auch eine Theater-, oder Schauspielgruppe, die sich hier ausbreitet. Vielleicht bin es auch einfach ich, der sich die Situation hier schönredet. Vielleicht hat Ingeborg Bachmann einen rettenden Rat, da schneidet sich auch schon ein Satz durch die vorherrschende Geräuschkulisse: "Wo nichts mehr zu verbessern, nichts mehr neu zu sehen, zu denken, nichts mehr zu korrigieren ist, nichts mehr zu erfinden und zu entwerfen, ist die Welt tot." 

Ich beginne augenblicklich zu applaudieren. Der, der vorher schon applaudieren wollte, klatscht mit. Die die vorher schon "Halt's Maul!" sagte, sagt "Halt's Maul!", von irgendwo her schallt mir "krass kranker Scheiß" entgegen. "Ich brech dein Gesicht" wird wohl in ein Gesicht gesagt und im Raum schwebt auch ein "Nein, Alter, ich schwör. Tischbein, Alter, nicht Hohlbein. Ich schwör um dein Leben." Es wird sich also über das Gesehene unterhalten und es geht auch ganz schön existenziell zu: "Wenn ich nicht bald Pizza und Cola dann sterb ich auf der Stelle, kein Scheiß." Mir wird warm ums Herz. Ich verlasse mit einem Katalog unter dem Arm die Austellung, die Jugend bleibt noch und ich kann es nur mit Bachmann sagen: "Im Grunde ist jeder allein mit seinen unübersetzbaren Gedanken und Gefühlen."

Ein Hoch dem Heiligen der Friedhofsarbeiter*innen

Gehe ich durch Rom. Wandle ich immer auch auf alten Pfaden. Gehe ich durch Rom, bin ich immer auch mein altes Ich. Das, das 1997/98 hier ein rauschendes Erasmus-Jahr verbracht hat. Ich steuere automatisch die damals billigste Bar in Trastevere an und staune, dass es sie noch immer gibt. Grad um die Ecke vom Hauptplatz, rundum zig überteuerte Lokale aller Art, wo der Sprizz im Literpreis angegeben wird (1 Liter 20 Euro, 2 Liter 30 Euro) und die Bar San Calisto ist immer noch die Insel der Seligen und jetzt eben der Biertrinker*innen aller Länder. Aber eben nicht nur. Es ist auch ein beliebtes Lokal der Anrainer und das Konzept Einheimische mit Touristen zusammen zu bringen funktioniert hier - über billige Preise - ganz vorbildlich. Der alte Chef sitzt noch immer an der Kassa und ist freundlich. 2,80 € für das 0,66 Peroni - das ist ein Preis, den selbst die Minimarkets nicht bieten. In dieser Bar hab ich 1997 mein damals tausendstes Bier des Jahres getrunken irgendwann im Oktober oder November. Ja, ich führte darüber Buch - Bierbuch. Ja, ich trank viel, war aber auch 28 Jahre jünger. San Calisto ist also ein Heiliger, der mir wirklich heilig ist. Was er für ein Martyrium hatte, werde ich recherchieren. 

Mit der Heiligenlitanei wurde ich nämlich gestern konfrontiert, als ich mich in die Nähe des Petersplatzes wagte, also in die Via della Conciliazione. Da stehen mittlerweile riesige Leinwände und Soundsysteme und die Heiligen-Litanei, die mit "Ora pro nobis" zu beantworten ist, wurde von den Kardinälen angestimmt, während sie in die wohl weltweit schönste Wahlzelle - die Sixtinische Kapelle - einzogen. Das schaute ich mir eine Zeit lang an, alles schön bunt und dann noch die Schweizer Garde dazu, viele schöne, bunte Stoffe, etwas Glitzer fehlt und individueller Style auch, aber ich versteh schon, alle gleich, alle Kardinäle. Aber so ein bisschen Tüll da, Leder dort und vielleicht auch etwas Strass, das hätte schon was. Vielleicht geht da ja was unter dem neuen Papa. Jedenfalls kam der Heilige Calisto nicht vor, deshalb ging ich wieder. Was sich im Nachhinein als sehr richtig erwies. Denn das für 19 Uhr angekündigte Ergebnis verschob sich auf 21 Uhr (Schwarzer Rauch). Die betende, singende, knieende und reihenweise kollabierende Schar Glaubender hat den Erste Hilfe Einsatzkräften sicher einiges zu tun gegeben. Ja, es ist alles ein Geben und Nehmen. Ich nahm mir noch ein Bier (diesmal ein Moretti) für die Ponte Sisto, lauschte der dort spielenden Band, beobachtete die vorbei flanierenden Menschen, schaute in die Sonne, auf den Tiber, in den Himmel und hatte es fein.

Der Heilige Calisto (Kallistus) ist der Schutzpatron der Friedhofsarbeiter*innen. Das gefällt mir! Papst Zephyrinus vertraute ihm die Grabkammern entlang der Via Appia an, in denen neun Bischöfe Roms begraben und später entdeckt wurden. Die Katakomben des Heiligen Kallistus waren der erste offizielle Hauptfriedhof der christlichen römischen Gemeinde im dritten Jahrhundert. Die Katakomben könnte man besuchen. Mach ich aber wohl nicht. Die Bar San Calisto ist dann doch gemütlicher.

Mittwoch, 7. Mai 2025

Extra Omnes

Nicht mit mir. Kommt mir nicht mit „alle hinaus“, wenn ich schon mal da bin. Das Giubileo 2025 hätte mir schon gereicht, dass es auch noch ein Konklave geben muss, während ich in Rom weile, wäre nicht notwendig gewesen.

Aber gut, ich nehme mit, was geht. Wenn ich schon nicht in die Sixtinische Kapelle darf, weil sie dort grad Öfen installiert haben, um die Stimmzettel zu verbrennen, dann schau ich mir halt den Trubel an. Habe schon mehr Fernseh-Teams aus Ländern, die ich nicht mal zu benennen weiß, gesehen als bisher in meinem Leben. Niemand hat mehr große Kameratrümmer auf den Schultern, das sind jetzt eher Selfiestangen beziehungsweise Kameras, wie sie auch fottoaffine Touristen verwenden und dann halt so exoskelettmäßige Tragegerüste. Es wuselt auf der Via della Conciliazione. Bei meinem ersten Rom-Besuch 1990 nahm ich noch ein Fußbad im Brunnen am Petersplatz. 1998 bin ich mal aus dem Petersdom rausgeschmissen worden, weil wir es so lustig fanden, wie da Marmorfüße geküsst und Bazillen international verbreitet wurden. Gestern stellte ich mich brav an in der  Vatikan-Post-Schlange, um meinen gottlosen Freund*innen zu verkünden, wo ich gerade weile.

Dass diese Konklave die größte der Geschichte wird, ist schon beeindruckend.  Von den 252 Kardinälen der Weltkirche sind die 135, die unter 80 Jahre alt sind, stimmberechtigt. Ich zitiere aus dem offiziellen Wahlvorgangs-Procedere: „Bleibt ein Wahlgang erfolglos, schließt sich sofort der zweite an; erst danach werden die Stimmzettel – zusammen mit einer dunklen Rauchkartusche – verbrannt. Zur Wahl benötigt der neue Papst eine Zweidrittelmehrheit. Ist nach dem 33. Wahlgang noch keine Entscheidung gefallen, muss es so viele Stichwahlen zwischen den beiden stärksten Kandidaten geben, bis mit der Zweidrittelmehrheit ein neuer Papst gefunden ist.

Ob ich das heute schon erleben darf? Vermutlich nicht. Morgen bin ich aber auch noch da. Morgen also mehr.


 

 

Montag, 14. April 2025

ORF Buch-Tipp

Juhui, der ORF macht mich zum Buch-Tipp der Woche. Also eigentlich ja Hans Sagmeister beziehungsweise "Land der Zäune". Jedenfalls gibt es einen tollen Beitrag von Imogena Doderer über das Buch, das ihr offensichtlich gefallen hat. Am Donnerstag, den 10. April war er in der ZIB zu sehen (in Kurzversion). Am Sonntag, den 13. April dann in der Kultur Matinee.
"Skurriles gepaart mit Sprachwitz prägen seine Romane. (...) Ernste Themen mit den Mitteln des Humors auf den Punkt zu bringen, das ist die große Kunst von Markus Köhle." Spricht Imogena Donderer im Beitrag und ich jubel natürlich. Möge es der Verbreitung von Hans Sagmeister dienlich sein.

Donnerstag, 27. März 2025

Welttag der Poesie in Rom

Klar fahr ich immer gerne nach Rom. Führen ja auch alle Wege dorthin. Fahren aber nicht alle Züge. Vor allem, wenn die FS, die Ferrovia dello Stato streikt. Was mitunter vorkommt.
Klar hab ich nichts gegen Streiks. Fahr ich also nicht wie geplant am 19. März schon nach Rom. Sondern erst mal von Innsbruck wieder zurück nach Wien, um von dort aus dann über Nacht nach Rom zu gelangen und zwar erstmals in einer super-fancy Nightjet Singlekoje. In Summe also sehr viel Zugfahren für einen Streiktag. So komme ich statt am 19. halt erst am 20. an und zahle die Nacht doppelt, einmal im Zug, einmal das Hotel.
Klar könnte einen das ärgern. Bin aber zu guter Dinge, um mich zu ärgern. Bin in Flaminio untergebracht. Das ist nicht zentral, aber gut angebunden, was super ist, wenn die öffenltichen Verkehrsmittel fahren. Was sie auch meistens tun. Außer die Öffis streiken, das kommt vor. Dass sie das am 21. März machen, ist ihr gutes Recht.
Klar, den Welttag der Poesie zum Streiktag zu machen, das hat was. Das kann ich nur gut finden.
Klar akzeptiere ich diesen Streik und marschiere an meinem zweiten Tag in Rom circa sechs Stunden (am Vortag waren es nur vier).
Gut, dass die Brunnen nicht streikten.
Gut, dass in der Ungarischen Akademie (wo der Welttag der Poesie zelebriert wurde) nicht streikte. Gut, dass ich mich, als ich drankam, noch auf den Beinen halten konnte.
Gut, dass ich den Text noch einigermaßen abrufen konnte.
Gut, dass ich beim Interview mit der RAI noch ein paar Brocken Italienisch aus den Ärmeln zaubern konnte.
Gut, nein, besser, wenn das vorab zuerkannte Taxigeld für Feierabendbiere ausgegeben werden kann. 

Tag drei verbrachte ich dann fast zur Gänze im MAXXI-Museum und schaute mir eine Foto-, eine Architektur-, eine Mode-, eine Installations-, und eine Firmengeschichte-Ausstellung an.
Von Guido Guidi über den Torre Verlasca bis zur Supercrema, also Nutella war da alles dabei und zum Drüberstreuen besuchte ich auch noch das dreitägige Literaturfestival im Auditorium und kam gerade recht, um Uwe Timm zu hören. 

Zurück ging es dann wieder per Nightjet. Die neuen Kojen sind einen eigenen Eintrag wert, zumal sich das Bahnfahren dadurch wirklich ändert und es neue Beobachtungen festzuhalten gilt.

Freitag, 21. Februar 2025

Literaturzäpfchen statt Fettnäpfchen

Es hat ein bisschen gedauert. Doch jetzt ist der Beitrag meiner Rumänien-Tour online. Ich habe hier ja auch gebloggt, wie es war in Timișoara, Cluj-Napoca, Iași und București. Aber für das Österreichische Kulturforum in Bukarest ist dann nochmal ein eigener Beitrag entstanden, der hier zu lesen ist. Das mit dem Schengen-Veto immerhin hat sich mittlerweile geändert. Es wird nicht alles schlechter. Als Präsent für jene, die den Beitrag gelesen haben, gibt es hier jetzt den Workshop-Text zu lesen, der aufgrund des Buchtitels "Mein Fußpflegerin stellt Fragen ans Universum" entstanden ist. Viel Vergnügen!  

Meine Fußpflegerin stellt Fragen an das Universum
Universum ist auch nicht g’schmackiger als Basilikum
Basilikum braucht man wenigsten nicht waschen
Waschen Sie sich endlich!
Endlich ist das Universum nicht
Nicht einmal das
Das ist eine herbe Enttäuschung
Enttäuschungen sind die Währung des Alltags
Alltagsenttäuschungen auf Vorrat gibt es aber auch
Auch das noch
Noch ist das kein Text
Text strickt sich nicht von selbst
Selbst und Ich und Überich
Überich als Konstruktion des Seins?
SeinS’ deppert oder was?
Was soll dieser plötzliche Fall ins Dialektale?
Dialektal ist mitunter dialektischer als man meint
Meint es irgendwer gut mit mir?
Mir kann man alles erzählen
Erzählen kommt nicht von Zahlen
Zahlen kommt von Geld
Geld hab ich mal mehr mal weniger
Weniger ist nur bei Gedichten mehr
Meer ist nur im Universum nicht Wasser
Wasser ist das Bier des Tages
Tage vergehen wie Launen
Launen sind auch mal hell, mal dunkel
Dunkel ist es im Universum
Universum tu nicht so groß
Groß ist meine Neugierde auch
Auch so kann man enden
Enden tut das Universum, wenn ich will
Will mich wer?
Wer will mich ?
Mich will niemand
Niemand entkommt dem Universum
Universum schleich dich endlich!
Endlich aus?
Aus!



 

Freitag, 22. November 2024

Waldheimat Birkfeld

Wenn es dir gelingt, Birkfeld mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen beziehungsweise zu verlassen, dann hast du es geschafft. Ich hab es geschafft! Tief hinein ins Feistritztal, über den Pfaffensattel, an Stuhleck vorbei, vorbei auch an leerstehenden, ehemaligen Hotelanlagen, vorbei an Ratten, vorbei an Rosseggers Walheimat und Geburtshaus und rein in die Gemeinde Birkfeld. 

Dort geht es gehörig auf und ab, rein geländemäßig. Was das Wahlverhalten anbelangt muss gesagt werden, dass es dort nur steil bergab geht: 40 % Blau, 33 % Schwarz, 11 % Rot, 6 % Pink und 4 % Grün. Aber das sieht man der Gemeinde nicht an. Alle Menschen, mit denen ich zu tun hatte, waren fröhlich, freundlich, positiv. 

Ich habe in einen vorbildlich geführten und bestens ausgestatteten Bibliothek einen Workshop abgehalten und in einer ebenfalls beispielhaften Schule, dem BORG mit Weitblick, Slam-Einblicke gegeben. Alles großartig, möchte man meinen. Und dann hab ich halt die Rückreise über Vorau und Rohrbach angetreten. Das war nicht ganz easy aber sehr interessant. 

Nächster Halt: Vornholz Waldseppl. Das sagt eigentlich alles. Wunderbare Landschaft, liebliche Hügel, ein protziges Stift und wieder mal eine neue Seite von Österreich kennengelernt. Das ist das Schöne an Schulworkshops.

Samstag, 16. November 2024

Kelenföld hat mir gerade noch gefehlt

Pécs - Fünfkirchen, die fünftgrößte Stadt Ungarns, dort sollte ich landen. Nicht in Osijek, Kroatien, Österreich Bibliothek im Rahmen der Österreich Wochen. Also eigentlich sollte ich ja eben schon in Osijek landen, also nicht landen, sondern ankommen. Aber dazu kam es leider nicht. Nach acht Stunden habe ich es bloß bis Pécs geschafft und ein Weiterkommen war nicht mehr möglich. Was tun? 

Erst mal verzweifeln und nicht wissen was tun. Also mal was zum Essen suchen. Das braucht es ja ohnehin. Die Möglichkeiten waren beschränkt. Es sollte ein Chinarestaurant direkt neben dem Bahnhof werden. Ich würgte Chicken with bamboo, mushrooms und rice in mich hinein und dachte bloß an den Nährwert und die daraus zu ziehende Energie, für die Kraftakte, die heute in irgendeiner Form auf jeden Fall noch zu folgen hatten. Der volle Magen hat mich gelassen gemacht. Was also tun?

Sich ein Hotel in Pécs checken und eine Online-Lesung machen. Ja, das hätte ich auch einfacher haben können. Aber konnte ich wissen, dass der Zug, in den ich um 7:27 in Meidling eingestiegen bin, gleich mal 40 Minuten einfach so im Hauptbahnhof rumsteht? Der erste Anschluss war somit futsch und beim IC von Budapest-Kelenföld nac Pécs verhielt es sich ähnlich. Kontinuierlich reicherten wir Verspätungsminuten an und schließlich war auch der Zug nach Beli Manastir dahin. 

Das Hotel heißt Sopianae. So hieß Pécs, als die Stadt noch Zentrum der Provinz Panonien war. In Pécs wurde immerhin bereits 1367 die erste Uni Ungarns gegründet und die Moschee "Gazi Khassin" am Hauptplatz ist zur christilichen Kirche umgebaut worden. Das finde ich schon mal ziemlich einzigartig. Außerdem war Pécs auch das Zentrum der Donauschwaben, die sich unter den Habsburgern hier angesiedelt haben. Also historischer Boden und ich sitze im Hotelzimmer!

Immerhin sind nicht nur Graz und Cluj-Napoca Partnerstädte von Pécs, sondern auch Osijek. Das ist doch eine schöne Verbindung. Das WLAN ist stabil. Ich habe das Publikum vor mir und kann es sogar hören und spüren und es sollte mir schließlich eh eineinviertel Stunden gelauscht werden - aber nicht nur. Es gab auch Wunschkonzert und die Wünsche wurden erfüllt. 

Bleibt zu hoffen, dass die Rückfahrt besser klappt und ich nicht noch einen Tag in Ungarn hängen bleibe.

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Das große Ruckeln und Größenwahn


Reisen mit der Bahn ist in Rumänien momentan noch ein großes Ruckeln, Zuckeln und gemächliches Durch-die-Landschaft-Ziehen. Die Städte sind vorbildlich herausgeputzt: da strahlen die frisch renovierten Fassaden im Herbstsonnenlicht; da protzen die restaurierten Klassizismusprunkbauten; da ist man ganz Kulturhauptstadt (Timișoara 2023) und Jugendhauptstadt (Cluj-Napoca 2015) und geizt nicht mit Informationen; da ist an allen Ecken über prominente Menschen der Region oder Besonderheiten derselben zu lesen. 

 Ich weiß jetzt, dass der Bau eines gigantomanischen, nein, megalomanischen, nein, ganz einfach vollkommen durchgeknallten, irre-großen Palasts ausreicht, ein Land in den Ruin zu treiben. Ja, angesichts dieses Bauwerks versagen kurzzeitig die Sprachwerkzeuge. Ich bin richtiggehend empört über dieses Monsterbauwerk. 

Ich weiß jetzt sowohl, dass Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in Timișoara studierte, als auch, dass Tarzan Johnny Weissmüller dort geboren wurde und dass Timișoara die erste Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung war. Ich weiß aber auch, dass der Bahnhof nach wie vor eine Baustelle ist, weil der öffentliche Bahn-Verkehr hier offenbar nicht wirklich wichtig ist.

Der Individualverkehr ist alles. Das Auto ist Statussymbol. Die fette Karre steht für rasches Vorwärtskommen in allen Belangen. In București lässt man auch gerne die Motorradmotoren aufheulen, wenn die Siegesstraße entlang gebrettert wird. 

Ich muss lachen und weinen gleichzeitig, als ich sehe, dass mit dem Slogan "Sustainability is the new Stability" sogar auf dem Literaturfestival für eine Automarke geworben wird. Gerne würde ich ein Fettnäpfchen über das präsentierte Automobil schütten. 

Ach, so viele Fettnäpfchen, die bereitstehen und darauf warten, betreten zu werden, aber wenn mal eines braucht, zum Verschütten, dann ist keines da.


Montag, 28. Oktober 2024

Ego-Candy-Shooter-Crush


24 Stunden, einen ganzen Tag, Tag und Nacht habe ich jetzt in rumänischen Zügen verbracht. Von Timișoara nach Cluj, von Cluj nach Iași, von Iași nach București. Als ich in Bukarest ankam, stand am Gleis gegenüber ein Direktzug nach Wien, fast wäre ich eingestiegen, was mich vermutlich noch einen ganzen Tag gekostet hätte. 

Aber ja, ich fahre gerne Zug. Auch wenn aus sechs Stunden acht werden. Auch wenn es keinen Speisewagen gibt, auch wenn es kein Klopapier gibt, auch wenn es keine Beinfreiheit gibt, auch wenn die Sitznachbarn nicht gerade freundlich sind, auch wenn es keinen Platz gibt, den Laptop aufzuklappen und beispielsweise zu bloggen. Mich interessiert ja, was die Menschen so machen. Wie sie sich die Zeit vertreiben. Ich sitzt dann halt da mit meinem Notizbüchlein, gut, dass ich diesmal ein kleines dabei hab. DIN-A 5 wäre platztechnisch mitunter schon schwierig gewesen. Sitze geduldig da, schaue gar nicht so viel aus dem Fenster, weil da gar keines ist, also nur die Trennwand mit Steckdosen für diverse mobile Geräte, schaue mich halt um und notiere, was mir auffällt. 


Gerne hätte ich auf dieser Reise all die Kopfhörer, die ich in meinen bisherigen Flügen bekommen habe mit dabei gehabt, um sie großzügig an Jung und Alt zu vergeben. Dass mir einer drei Stunden lang im Nacken sitzt und irgendein Egoshooter-Game spielt, mir also den Hinterkopf vollballert, ist gar nicht das Schlimmste. Irgendwann sind die Ohren tot. 

Das tröpfelnde Pling-Pling, Brrchch von Handyspielen wie Candycrush ist mehr Folter. Das lässt dich nicht los, wie es ja auch die Spielenden nicht los lässt. Wenn jeder gelesene Setz-Satz von einem Pling bestätigt wird, dann macht das was mit einem. Es lässt einen die Zugfahrt nicht so schnell vergessen. Ob es sich mit dem Gelesenen ähnlich verhält, kann ich noch nicht beurteilen. Ohne "Monde vor der Landung" hätte ich die letzte Etappe meiner Reise wohl nur schwer angeschlagen überstanden (oder, wer weiß, vielleicht hätte ich mich hinreißen lassen, den Pling-Pling-Plingern ein Brrchch zu bescheren). 

Jedenfalls gut, dass ich ausreichend Lektüre, Sitzfleisch und in Asien angeeignete Gelassenheit im Gepäck hatte. Auch gut, dass ich einen oldschool Reiseführer mit dabei hatte. Obwohl die Karten oft leicht daneben liegen, bieten sie doch einen groben Anhaltspunkt und das genügt mir ja auf Reisen. Ich verlaufe mich ja gerne, um Dinge zu finden, auf die ich sonst nicht zugesteuert wäre. 

Jetzt wäre ich natürlich auch heiß auf Brașov und Sibiu. Aber das kann ich ja alles noch machen. Nicht dieses Mal. Dieses Mal bin ich herumgereist genug für zehn Tage. Aber: Ich komme wieder, keine Frage.

Bücherkiosk statt Bücherschrank. Davon stehen richtig viele in den Fußgängerzonen.