Samstag, 16. November 2024

Kelenföld hat mir gerade noch gefehlt

Pécs - Fünfkirchen, die fünftgrößte Stadt Ungarns, dort sollte ich landen. Nicht in Osijek, Kroatien, Österreich Bibliothek im Rahmen der Österreich Wochen. Also eigentlich sollte ich ja eben schon in Osijek landen, also nicht landen, sondern ankommen. Aber dazu kam es leider nicht. Nach acht Stunden habe ich es bloß bis Pécs geschafft und ein Weiterkommen war nicht mehr möglich. Was tun? 

Erst mal verzweifeln und nicht wissen was tun. Also mal was zum Essen suchen. Das braucht es ja ohnehin. Die Möglichkeiten waren beschränkt. Es sollte ein Chinarestaurant direkt neben dem Bahnhof werden. Ich würgte Chicken with bamboo, mushrooms und rice in mich hinein und dachte bloß an den Nährwert und die daraus zu ziehende Energie, für die Kraftakte, die heute in irgendeiner Form auf jeden Fall noch zu folgen hatten. Der volle Magen hat mich gelassen gemacht. Was also tun?

Sich ein Hotel in Pécs checken und eine Online-Lesung machen. Ja, das hätte ich auch einfacher haben können. Aber konnte ich wissen, dass der Zug, in den ich um 7:27 in Meidling eingestiegen bin, gleich mal 40 Minuten einfach so im Hauptbahnhof rumsteht? Der erste Anschluss war somit futsch und beim IC von Budapest-Kelenföld nac Pécs verhielt es sich ähnlich. Kontinuierlich reicherten wir Verspätungsminuten an und schließlich war auch der Zug nach Beli Manastir dahin. 

Das Hotel heißt Sopianae. So hieß Pécs, als die Stadt noch Zentrum der Provinz Panonien war. In Pécs wurde immerhin bereits 1367 die erste Uni Ungarns gegründet und die Moschee "Gazi Khassin" am Hauptplatz ist zur christilichen Kirche umgebaut worden. Das finde ich schon mal ziemlich einzigartig. Außerdem war Pécs auch das Zentrum der Donauschwaben, die sich unter den Habsburgern hier angesiedelt haben. Also historischer Boden und ich sitze im Hotelzimmer!

Immerhin sind nicht nur Graz und Cluj-Napoca Partnerstädte von Pécs, sondern auch Osijek. Das ist doch eine schöne Verbindung. Das WLAN ist stabil. Ich habe das Publikum vor mir und kann es sogar hören und spüren und es sollte mir schließlich eh eineinviertel Stunden gelauscht werden - aber nicht nur. Es gab auch Wunschkonzert und die Wünsche wurden erfüllt. 

Bleibt zu hoffen, dass die Rückfahrt besser klappt und ich nicht noch einen Tag in Ungarn hängen bleibe.

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Das große Ruckeln und Größenwahn


Reisen mit der Bahn ist in Rumänien momentan noch ein großes Ruckeln, Zuckeln und gemächliches Durch-die-Landschaft-Ziehen. Die Städte sind vorbildlich herausgeputzt: da strahlen die frisch renovierten Fassaden im Herbstsonnenlicht; da protzen die restaurierten Klassizismusprunkbauten; da ist man ganz Kulturhauptstadt (Timișoara 2023) und Jugendhauptstadt (Cluj-Napoca 2015) und geizt nicht mit Informationen; da ist an allen Ecken über prominente Menschen der Region oder Besonderheiten derselben zu lesen. 

 Ich weiß jetzt, dass der Bau eines gigantomanischen, nein, megalomanischen, nein, ganz einfach vollkommen durchgeknallten, irre-großen Palasts ausreicht, ein Land in den Ruin zu treiben. Ja, angesichts dieses Bauwerks versagen kurzzeitig die Sprachwerkzeuge. Ich bin richtiggehend empört über dieses Monsterbauwerk. 

Ich weiß jetzt sowohl, dass Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in Timișoara studierte, als auch, dass Tarzan Johnny Weissmüller dort geboren wurde und dass Timișoara die erste Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung war. Ich weiß aber auch, dass der Bahnhof nach wie vor eine Baustelle ist, weil der öffentliche Bahn-Verkehr hier offenbar nicht wirklich wichtig ist.

Der Individualverkehr ist alles. Das Auto ist Statussymbol. Die fette Karre steht für rasches Vorwärtskommen in allen Belangen. In București lässt man auch gerne die Motorradmotoren aufheulen, wenn die Siegesstraße entlang gebrettert wird. 

Ich muss lachen und weinen gleichzeitig, als ich sehe, dass mit dem Slogan "Sustainability is the new Stability" sogar auf dem Literaturfestival für eine Automarke geworben wird. Gerne würde ich ein Fettnäpfchen über das präsentierte Automobil schütten. 

Ach, so viele Fettnäpfchen, die bereitstehen und darauf warten, betreten zu werden, aber wenn mal eines braucht, zum Verschütten, dann ist keines da.


Montag, 28. Oktober 2024

Ego-Candy-Shooter-Crush


24 Stunden, einen ganzen Tag, Tag und Nacht habe ich jetzt in rumänischen Zügen verbracht. Von Timișoara nach Cluj, von Cluj nach Iași, von Iași nach București. Als ich in Bukarest ankam, stand am Gleis gegenüber ein Direktzug nach Wien, fast wäre ich eingestiegen, was mich vermutlich noch einen ganzen Tag gekostet hätte. 

Aber ja, ich fahre gerne Zug. Auch wenn aus sechs Stunden acht werden. Auch wenn es keinen Speisewagen gibt, auch wenn es kein Klopapier gibt, auch wenn es keine Beinfreiheit gibt, auch wenn die Sitznachbarn nicht gerade freundlich sind, auch wenn es keinen Platz gibt, den Laptop aufzuklappen und beispielsweise zu bloggen. Mich interessiert ja, was die Menschen so machen. Wie sie sich die Zeit vertreiben. Ich sitzt dann halt da mit meinem Notizbüchlein, gut, dass ich diesmal ein kleines dabei hab. DIN-A 5 wäre platztechnisch mitunter schon schwierig gewesen. Sitze geduldig da, schaue gar nicht so viel aus dem Fenster, weil da gar keines ist, also nur die Trennwand mit Steckdosen für diverse mobile Geräte, schaue mich halt um und notiere, was mir auffällt. 


Gerne hätte ich auf dieser Reise all die Kopfhörer, die ich in meinen bisherigen Flügen bekommen habe mit dabei gehabt, um sie großzügig an Jung und Alt zu vergeben. Dass mir einer drei Stunden lang im Nacken sitzt und irgendein Egoshooter-Game spielt, mir also den Hinterkopf vollballert, ist gar nicht das Schlimmste. Irgendwann sind die Ohren tot. 

Das tröpfelnde Pling-Pling, Brrchch von Handyspielen wie Candycrush ist mehr Folter. Das lässt dich nicht los, wie es ja auch die Spielenden nicht los lässt. Wenn jeder gelesene Setz-Satz von einem Pling bestätigt wird, dann macht das was mit einem. Es lässt einen die Zugfahrt nicht so schnell vergessen. Ob es sich mit dem Gelesenen ähnlich verhält, kann ich noch nicht beurteilen. Ohne "Monde vor der Landung" hätte ich die letzte Etappe meiner Reise wohl nur schwer angeschlagen überstanden (oder, wer weiß, vielleicht hätte ich mich hinreißen lassen, den Pling-Pling-Plingern ein Brrchch zu bescheren). 

Jedenfalls gut, dass ich ausreichend Lektüre, Sitzfleisch und in Asien angeeignete Gelassenheit im Gepäck hatte. Auch gut, dass ich einen oldschool Reiseführer mit dabei hatte. Obwohl die Karten oft leicht daneben liegen, bieten sie doch einen groben Anhaltspunkt und das genügt mir ja auf Reisen. Ich verlaufe mich ja gerne, um Dinge zu finden, auf die ich sonst nicht zugesteuert wäre. 

Jetzt wäre ich natürlich auch heiß auf Brașov und Sibiu. Aber das kann ich ja alles noch machen. Nicht dieses Mal. Dieses Mal bin ich herumgereist genug für zehn Tage. Aber: Ich komme wieder, keine Frage.

Bücherkiosk statt Bücherschrank. Davon stehen richtig viele in den Fußgängerzonen.

 

Samstag, 26. Oktober 2024

Schnitzeldasein in der langen Nacht

So was hab ich noch nie gesehen! Das "filit" ist ein Literaturfestival der Extraklasse. Die ganze Stadt Iași ist geprägt davon. Überall flattern einem die grünen Logo-Bücher entgegen. Am Einheitsplatz ist das Festivalzentrum, da stehen drei Zelte: Buch, Bühne, Backstage. Fünf Tage lang, alle Jahre wieder, steht die ganze Stadt im Zeichen der Literatur. Schon beim Einchecken ins Hotel Unirea huschte Abdulrazak Gurnah an mir vorbei. Am nächsten Morgen frühstückt er einen Tisch weiter und ich kann berichten: Er ist Tee-aus-Becher-Trinker und schaut zumindest in der Früh so grimmig drein wie am Pressefoto. Zeruya Shalev ist da, mit Colm Toibin unterhalte ich mich beim Mittagessen über die Schönheit der rumänischen Namen: Popescu, Burcescu, Antonescu, etc. 

Adrian Alui Gehorge will ich nach seiner Lesung einfach ein schnelles Kompliment (auf englisch) machen und er holt gleich seinen Übersezter, damit ihm nichts entgeht und das Ganze wird dann fast ein bisschen peinlich, weil so genau hab ich ihn dann auch wieder nicht verstanden, er hat ja rumänisch gelesen und da versteh ich (mit meinen Italienischkenntnissen) halt doch nur, was ich will und mir zurechtdenke. Aber egal. Ich bin großzügig mit Lob. Davon hab ich viel, kostet mich nichts und die lange Nacht der Poesie will ja vertrieben werden. Von 22 bis 4 Uhr stand am Programm und ich hatte schon Angst. Es dauerte letztlich aber eh nur vier Stunden und ich hielt von Anfang bis zum Ende durch, obwohl ich im Grunde nichts wirklich verstand. Aber Poesie ist ja eine Universalsprache und die hab ich schon halbwegs drauf. Die Bierbegleitung freilich hat da schon geholfen. Hat die Zunge und die Kontaktaufnahme lockerer werden lassen. Denn ins Gespräch kommt man halt am einfachsten in der Bierwarteschlange. Da teilt man von vornherein eine Gemeinsamkeit, trifft sich beim gemeinsamen Biernenner. Begegnet man sich dort mehrmals, teilt man auch noch Trinkgeschwindigkeit und Geselligkeitswillen. Tudor hab ich dort kennengelernt, vor seinem und nach meinem Auftritt. Da er mit Nachnamen Crețu heißt, muss er nicht all zu lange warten. 

Ich hatte den Vorteil gleich dran zu kommen, als Zweiter. Da ging's ausnahmsweise um den Anfangsbuchstaben des Herkunftslandes: A wie Austria. Ich war nicht unglücklich über diesen Startplatz. Cosmin Perța hatte länger zu warten aber guten Schmäh und es schäkerte sich ganz gut mit ihm. Denn dass alles großartig gewesen wäre, dass alle ins Mikrophon gesprochen, dass sich alle an die Zeit gehalten hätten, davon kann natürlich nicht die Rede sein und genau das ist dann ja Anlass zum drüber Reden. Wir hatten Spaß und der rührendste Moment des Abends war, als Claudiu Ioan Maftei, der Etrit Hasler der rumänischen Poesieszene, loslegen wollte, mit Mühe den ersten Satz lesen konnte, sich auf die Suche nach mehr Licht machte, nochmal ansetzte, wieder nicht weiter kam und sich dann jemand aus dem Publikum erbarmte und ihm seine Lesebrille reichte. Ein solidarischer Akt und ein poetischer - einmalig. 

Das Gegenteil davon gab es auch - hier sei kein Name genannt, aber der bekannte Irgendwas-Mediziner und Dichter, hat heillos überzogen, hat viele quasi ins Koma gelesen. Aber sonst keine Beschwerden nur Lob, Hochachtung, Freude.

Freitag, 25. Oktober 2024

Vonwegen Schlaflosigkeit - Muntermacher Poetry!

Wenn da ansatzweise ein Berg ist, muss ich rauf. Ich also runnig up that hill. Da steht ein Kreuz, ja, irgendwie anziehend. Noch immer. Da steht aber auch ein altes Gebäude. Dass eh groß "Hotel" drauf steht, übersehe ich vorerst. Vielleicht ist der Winkel beim Aufstieg so, dass ich es nicht sehen kann. Was ich sehe sind schräge Typen, knutschende Paare, Bag-Ladies und Absperrungen. In meinem Kopf geht es rund. Wer wohnt da oben? Ist wohnen überhaupt das richtige Wort? Wer ist hier untergebracht? Jedenfalls tolle Aussicht auf Cluj-Napoca. Schade, dass die Terrassen-Kneipen von einst verwahrlost sind. All die Restaurierungsaufmerksamkeit ist auf das Zentrum konzentriert, das auch wirklich strahlt, nicht nur in der Abendsonne.

Bin wieder nur zwei Nächte in der Stadt. Was leider eine zu wenig ist. Kann weder das tolle Hotel nützen, noch wirklich was anschauen. Bin ja hier, um was zu tun. Mache einen Workshop in der Österreich-Bibliothek in der ich im Jänner 2005 schon mal war und die gerade ihr 20 Jahre Jubiläum feierte. Jetzt also wieder da. Von damals hab ich nur mehr vage Erinnerungen, es gibt aber Fotos, die ich wohl mal suchen sollte. Zwei Lokale glaube ich wiederzuerkennen: Das Urania und das Insomnia und in zweiterem sollte dann auch der Auftritt stattfinden. 

Immer diese Befürchtung es könnte niemand kommen. Bis kurz vor 19 Uhr waren die auch begründet. Dann aber füllte sich der Raum und es fühlte sich gut an. Vielen Dank fürs Checken Manuela! In der Österreich Bibliothek arbeitet übrigens nach wie vor Lenka und der Gästebucheintrag vom letzen Mal hat meine Erinnerungen auch ein wenig aufgefrischt. "Zwei Schnitzel auf Reisen" haben wir (Wolfgang Kühn) die Tour genannt, die damals Michaela Hirsch organisiert hat. Das Foto vom Auftritt im Insomnia (unten) hat Manuela Dressel gemacht. Danke!

Und sonst?
Esse Sarmale Traditionale, trinke Ursus (zu wenig, weil Bierkonzerne die Zapfhähne erobert haben und auch die Craftbeer-Unart in Rumänien eingezogen ist), trinke aber genug gute Espressi, ziehe nachts nur ein bisschen durch die schönen Gassen, beschließe aber für mich selbst, wieder mal hier her zu kommen.

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Nischbach nebst Fernwärmepumpwerk

Ich liebe mein Leben. Was mache ich? Alles, was von mir verlangt wird. Nein, natürlich nicht alles. Aber wenn ein renommierter Kulturverein, spezialisiert auf Jazz-Festivals (aber nicht nur) fragt, ob ich vielleicht gemeinsam mit Musiker*innen einen Poetry-Video-Clip in Temeschwar (Timișoara) machen möchte, dann mache ich das. 

Eingestellt war ich auf eine dunkle Proberaum-Session. Aber - surprise - es wurde im Freien gedreht und - nochmals surprise - mir, meinem Gedicht - wurde eine E-Harfe und ein E-Bass zugeteilt. Wir standen dann also im Kreise (der ein Dreieck war) beieinander, stellten uns vor und legten los. Wir standen in einer Straße die auf der einen Seite sehr baum- und blätterreich war, auf der anderen Seite aber auch ganz schön großstädtisch fabrikisch. Wie passend, dass der Stadtteil Fabric hieß und ich schaute auf eine Mauer, hinter der sich ein Fernwärmewerk befand. Ich habe also Poesie an die Wand geschmettert, während hinter der Wand heißes Wasser produziert wurde. Böse Zungen würden sagen: Heiße Luft meets heißes Wasser.


Ja, der Welt mit Poesie begegnen, ist oft wie gegen eine Mauer reden. Wir nahmen uns aber Raum und beschallten und bedichteten diesen. Eine E-Harfe schaut übrigens genau so aus wie das Guiness Logo und wird dann halt auf einen Ständer gestellt und gespielt. Die Melodie, die meinem "Wenn-Gewetter" unterlegt wurde, hatte ein bisschen was vom Twin-Peaks-Signature-Tune. Laura Palmer war natürlich nicht da aber Soundmann Jimmy, Kameramann Pedro, Checker Norbert, Harfinistin Orsi und Bassist Csaby. 

Die Sonne schien, der Kanaldeckel unter uns stank, wir groovten. Wir schrieben uns ein in die Straßenecke, die Episcop Joseph Nischbach hieß. Nischbach, das wär doch ein Bandname. Sollte unser Video ein Clickhit werden, wir werden uns Nischbach nennen. 



Mittwoch, 25. September 2024

Rambutan und Mangosteen

Was klingt wie ein Zauberspruch, sind zwei Früchte, die ich gestern erstmals gegessen habe. Aufgefallen ist mir Rambutan schon in Naga-City auf der Straße. Denn diese Frucht fällt auf. Aber weil ich nicht wusste, was man damit macht, habe ich abgewartet, bis ich kundige Leute fragen konnte. Da der gestrige Tag nicht wie erwartet mit Kongress an der Uni gefüllt war, weil es einen Streik der öffentlichen Verkehrsmittel gab also der Jeepneys und der Tricycles (der nicht ganz so ernst genommen wurde) und die Veranstaltung daher verschoben wurde, hatte ich die Gelegenheit, einen reinen Touri-Tag in Manila zu verbringen und das unter sachkundiger Führung von Madeleine und Jonathan. Rambutan und Mangosteen sollten wir schließlich in der größten Mall Asiens erstehen. Ich machte Fotos von weiteren Früchten, die ich noch nie gesehen hatte und hatte meinen Spaß in der Obst- und Gemüseabteilung. Rambutan genießt den Ruf, die Alien-Frucht zu sein. Ob es Legende oder Wahrheit ist, werde ich bei nächster Gelegenheit überprüfen. Aber Rambutan soll es sogar in Hollywoodfilme geschafft haben, als Frucht auf außerirdischen Planeten und ja, ich verstehe warum. Rambutan ist, einmal gelernt, recht einfach zu öffnen und essen und ist sicher sehr gesund, nicht nur süß und auf jeden Fall sehr dekorativ. 

Mangosteen (am Foto links ist was Anderes zu sehen, war zu teuer, kann ich nicht identifizieren) ist äußerlich nicht ganz so salonfähig und einmal geöffnet, wird man erneut überrascht. Denn das Ganze schaut aus, wie Knoblauchzehen und mitunter kommen diese sogar sehr schleimig daher. Das ist ein bisschen eine Überwindung aber geschmacklich dann unübertrefflich. Die größeren Zehen haben größere Kerne, die kann man fast absaugen, ablutschen, die kleineren Zehen schlürft man als Ganzes ein und der Tagesbedarf an Vitamin C dürfte dadurch gedeckt sein. Rambutan heißt Nephelium lappaceum und ist ein Seifenbaumgewächs. Das sei hier nur angemerkt, weil ich Nephelium ein schönes Wort finde und mir Seifenbäume auch gut vorstellen kann. Überhaupt die Phantasie! Die wurde ja so angeregt in den letzten Tagen. Immer wenn rund um mich Sprachen gesprochen wurden, die ich nicht kannte, hatte ich mir ja vorzustellen, was gerade geredet wurde und da ging sie mitunter mit mir durch. Das hat ganz schön Spaß gemacht, war aber auch anstrengend. Jetzt mal einfach nur nichts reden, aufnehmen, sehen, lernen, tun, wird sicher auch super.

Ampalayas sind Bittermelonen, die sich in Salaten sehr gut machen. Es gibt sie in allen Größen. Sie sind meiner Meinung nach auch sehr schön. Generell haben Melonen hier einen Stellenwert von Rang. Das war auch in Zentralasien schon so. Da war man ja auf die Honigmelone der Gegend stolz. Hier gibt's schon zum Frühstück Wassermelonen, Bananen, die ganz ansders ausschauen, als wir sie kennen - viel kleiner und nie so makellos gelb und Mangos schmecken in echt auch anders, als das, was wir so vorgesetzt kriegen. Habe gestern so viel Mango-Juice getrunken wie noch nie in meinem bisherigen Leben insgesamt. Denn es musste ja auch der grüne, säuerliche Mangojuice gekostet werden, nicht nur der süßlichere reife.

Aber natürlich habe ich auch allerlei Fleisch zu mir genommen. Einmal ganz besonders gut getarnt in einer Soße, die wie Curry ausschaute, aber Erdnusssoße war. In Kankan schwamm allerlei definitiv auch Innereien. Leber und Lunge, Zunge und Schwanz - hab ich alles anstandslos gegessen. Bin ja neugierig und wenn ich nicht schon zum Frühstück Knoblauchreis und Zwiebelbeef in mich schaufeln muss, dann bin ich durchaus auch experimentierfreudig in allen, nicht nur kulinarischen, Belangen. 

Und hier noch der Blick vom Restaurant auf Manila.




Dienstag, 24. September 2024

Pangangalagkalag for handkerchiefs

Vermutlich muss die Überschrift dieses Beitrags kurz erklärt werden. Ich bin ja grad auf den Philippinen und jetzt zwar wieder in Metropol Manila (also dem Großraum Manila, der aus mehreren Städten besteht, ich bin grad da, wo auch die Regierungsgebäude und die wichtigste Uni sind, in Quezon-City), war aber die letzten Tage in Naga-City. Auf den Philippinen werden an die 170 verschiedene Sprachen gesprochen. Seit 1937 ist Tagalog die Nationalsprache und Englisch eh auch Alltagssprache. In Naga aber wird Bikol (oder auch Bicol) gesprochen und "Pangangalagkalag" ist Bikol und heißt "searching for" und was ich in den ersten vier Tagen auf den Philippinen hauptsächlich tat, war nach Taschentüchern zu jagen. Grund dafür war der Flug von Bangkok nach Manila. Das war eine fliegende Gefriertruhe. Alle verlangten nach Decken, alle husteten, niesten, schlotterten und in Manila angekommen rannen alle Nasen. Meine natürlich auch und zwar ganz besonders schnell. Schnell waren auch meine Taschentuchvorräte aufgebraucht und dann wollte ich halt Nachschub besorgen. Aber das sollte sich gar nicht so leicht darstellen. 

Mir war schon aufgefallen, dass sich niemand hier schneuzt, dass es auf Toiletten aber immer ganz schön rund ging. Da wird in Waschbecken gekotzt, da wird geschlazt, gerotzt, ausgeschieden was geht und das durchaus lautstark. Aber schneuzen in der Öffentlichkeit scheint ein Tabu. Das war ja in Zentralasien auch schon so. Dort war sogar das Pfeifen verpönt. Dabei gehe ich doch gerne beschwingt und fröhlich durch die Gegend und pfeif mir eins. Jedenfalls war weder im 7/11 noch in der ersten Drogerie, die ich fand, so etwas wie Taschentücher zu kriegen. Ich hätte mir Baby-Hintern-Abwischtücher kaufen können. Aber Taschentücher - nope. Meine Nase verlangte aber nach Napkins, Servietten, Klopapier etc - irgendetwas. Sie forderte das zunehmend unkontrollierter ein. Ich tropfte, leckte bei jeder Gelegenheit. Das war mitunter peinlich. Denn ich bin ja schon in offizieller Mission hier. Nein, sag nicht Mission. Das geht gar nicht. In offiziellem Auftrag. 

Ich arbeite hier mehr, als anzunehmen war, aber immer anderes als gedacht. Egal. Eine andere Geschichte. Jedenfalls entwickelte ich sehr schnell eine effiziente Art, mich mit Nasenstoff zu versorgen - lass es uns sanfte Beschaffungskriminalität in Sachen Papierwaren nennen. Sah ich auf Tischen Serviettenspender, schlug ich blitzschnell zu. Gab es auf Toiletten mal Klopapier, zwanzig Blätter waren mein. Sogar Papiergedecke auf Tischen waren nicht immer sicher vor mir, denn ich hatte stets auch vorausschauend zu agieren. Ich brauchte Vorräte. Alles was ich tat, tat ich mit Blick auf meine Nase. Meine Nase hatte Vorrang und es sollte noch lange dauern, bis ich irgendwo Mini-Hankies fand. Aber dazu später. 

Mittlerweile geht es  mir und meiner Nase wieder ganz gut. Sie überrascht mich nur mehr selten. Hat es aber offensichtlich genossen, tagelang im Mittelpunkt zu stehen.

Freitag, 20. September 2024

Hauptpostgorilla

 „Schau ich aus wie eine Brieftaube?“, fragt mich die Frau am Info-Schalter und belegt mich mit einem beschämenden „Tz-tz-tz“. Am Abend wird sie ihren Freundinnen erzählen, dass heute wieder mal so ein Steinzeittourist bei ihr war und eine Ansichtskarte verschicken wollte.

Jetzt war ich so froh, mit dürftigem Kartenmaterial die wirklich alles andere als zentrale Hauptpost gefunden zu haben und dann das. In der ganzen Stadt sind keine Ansichtskarten zu finden, das hätte mir zu denken geben sollen. Natürlich gibt es in der Hauptpost auch keine. Das Postgut Ansichtskarte ist in Kasachstan ausgestorben. Ob es digitale Grußkarten gibt? Sicher. Ich komme mir schrecklich alt vor und habe urplötzlich Lust auf einen Schluck Buerlecithin oder auch Klosterfrau Melissengeist und bin mir gleichzeitig nicht sicher, ob es diese Kräutergeistfitmacher überhaupt noch gibt. Der Energydrink hierzulande jedenfalls heißt Gorilla. Red Bull ist nicht wirklich präsent. Auch kein Schaden.

Ich bin ein Silberrücken auf Reisen in Smart-Citys in Zertralasien. Gebt mir einen Kompass, ein Fernrohr und gerne auch einen Humpen Bier und ich finde mich zurecht und bin glücklich.  

 

Schwarzfahren in Astana

 „Schau ich aus wie ein Opferstock?“, fragt mich der Busfahrer und winkt mich angewidert rein. Am Abend wird er seinen Freunden davon erzählen, dass heute wieder mal so ein Steinzeittourist seinen Bus betrat und mit Münzen bezahlen wollte. 

Legitimiertes Schwarzfahren - so starte ich nach Astana. Mit zwei aufgeschalgenen Karten am Schoß versuchte ich mich zu orientieren. 

Ich weiß nur, wo die Endstation ist (weit weg von meinem Ziel), die Route des Busses kenne ich nicht. Die haltestellenstopps kann ich nicht lesen. Spannend. Erst kommen lange nur Baustellen und Werbe-Baustellenverkleidungen, die auf die Nomad Games hinweisen - kilometerlang. 

Dann Beflaggung: die kasachische und die deutsche Flagge - hunderte. Hallo, ich bin Österreicher!

Schulz ist da. Ich sollte ihn später im Fersehen inmitten von grimmig blickenden Anzugmännern herauserkennen. Fröhlich schaut er auch nicht aus. Es geht vermutlich um milliardenschwere Deals. Vielleicht erzählt Schulz vom Flughafen Berlin, vom Bahnhof Stuttgart oder von der Deutschen Bahn an sich und stellt Verbindungen zum schleppenden Schwebebahnbau her. Ja, verkehrspolitisch ginge da schon noch was. Da können die Hochhäuser der internationalen Stararchitekten noch so glänzen und funkeln im Sonnenlicht. Wer in den 1990er Jahren groß strategisch eine Hauptstadt aus dem Steppenboen stampft, hätte schon ein Verkehrskonzept mitdenken können, das mehr zu bieten hat als mehrspurige Straßen für Autos. Busspuren sind selten. Straßenbahn und U-Bahn gibt es nicht und das einstige Prestigeprojekt Hochschwebebahn hätte zwar gut ins futuristische Stadtkonzept gepasst, war aber dann doch nicht so wichtig, weil öffentliches Verkehrsmittel und wer fährt hier schon freiwillig öffentlich, wenn er*sie Autofahren kann. Ja, die Winter sind lang hier. Aber ob Staustehen im eigenen Auto angenehmer ist, als sich verkehrsmindernd zu verhalten? Ich frage nur. 

Das beste Verkehrskonzept der Stadt sind die doch überraschend vielen schlafenden Polizisten in Nebenstraßen. Da brettern die getunten, verspoilerten Boliden nämlich nicht, nur die die SUVs drüber. Das Verkehrsbild ist hier nämlich - von Usbekistan kommend - extrem bunt. Das heißt: alle Marken, Farben, Jahrgänge vom Luxus-E-SUV über Hummer, Mustang, Raptor-Proll-Wägen, Audi-, Medcedes-, BMW-Klassikern, Lada Oldtimern und LKWs aus einer anderen Welt und Zeit - alles, was noch irgendwie fährt, fährt hier beziehungsweise steht. Hyundais in der Überzahl, nur Teslas habe ich noch keine gesehen. Auch kein Schaden. 

Alles stinkt zum Himmel, der zwar erfreulich blau ist, dennoch ist es kalt. Der Wind geht einem an die Knochen. Ich gehe mit ihm aber nicht nur. Eine harte Stadt. Hart bin ich auch. Die Straßen entlanggehend wünsche ich mir mitunter eine Maske, vor allem wenn sich Kanalgeruchsschwaden in den Abgascocktail mischen. Mmhhmmhh! 

Freilich könnte ich mir ein Yandex rufen, wie es alle machen. Mach ich aber nicht. Weil ich stur und politisch bin. 

Ja, ich passe mich nicht an, verrate nicht meine Ideale, gehe mit dem Kopf (aber vor allem mit Füßen und Beinen) durch die Wind- und Verkehrswand. 

Nimm das - Astana!