Donnerstag, 23. Oktober 2025

Thomas Bernhard heißen meine Brüder

Wer ein richtiger Thomas Bernhard Fan ist, besucht mindestens einmal im Leben Ohlsdorf. Er*Sie rutscht dann auf den Knien um den Hof des Weltliteraten und wettert vor sich hin: "Wien hat mich nicht verdient, Graz ist nichts, Linz ist nichts, rechts von Linz ist nichts, Salzburg ist die Hölle, Ohlsdorf der Vorhof davon...." oder ergötzt sich einfach an den Spuren, die Thomas Bernhard in diesem Ort hinterlassen hat und entdeckt Neues. Ich hatte ja die größte Freude daran, dass direkt bei der NMS-Haltestelle ein Haus mit einmaliger Fassaden- und Zaungestaltung direkt darauf gewartet hat, von mir entdeckt zu werden. 

Als ob es mir zu Fleiß vor die Nase gestellt worden wäre. Ich mit meinem "Land der Zäune" auf Lesereise (am Abend steht die Lesung daraus in der Kurdirektion in Bad Ischl an) und was tut sich da vor meinen vor Erstaunen aufgerissenen Augen auf? Nicht nur die prächtigste Gabbionengrundstücksumrandung, nein, damit nicht genug. Gabbionen wurden auch als Fassadenelemente verwendet! Nicht zu fassen. Aber auf jeden Fall ein Foto wert. Ein Mahnmal der Geschmacklosigkeit und der Zaunmoden gleichermaßen. Ein Sinnbild der Verschlossenheit. 
Ohlsdorf sonst natürlich tiptop. 

Montag, 6. Oktober 2025

Selbst ein Kärntner See ist keine Frittatensuppe

Der jüngste Aufenthalt in Kärnten stand im Zeichen von Familie, Arbeit aber auch Freizeit mit Freund*innen. Wir haben zwei Nächte in Egg am Faaker See bei Familie Clar (Danke Peter!) verbracht und eine lange beziehungsweise kurze Nacht in Klagenfurt im Musilinstitut (Danke Edith!). Die kulinarische Reise reichte vom Weißwurstfrühstück am Sonntag bis zu Arni Furno ke Gigantes (Lammstelze mit Riesenbohnen) beim Griechen in Villach. Dazwischen wurde Wimitzer gereicht. Das war in Summe die perfekte Mischung, hat aber doch dazu geführt, dass wir recht augepowert die Rückreise antraten. Wie gut, dass das Lunchpaket eine ganze Backhendlfarm enthielt. Wir werden Kärnten fleischig herzhaft in Erinnerung behalten. 

Nicht unerwähnt soll freilich auch der Marktbesuch am Samstag Vormittag bleiben. So viel Speck und Würste hab ich lang nich mehr gesehen. Kaufte eine Kärntner Kasnudel Vorrat aber schon auch (von Bertl Mütter empfohlenen) Senf, nona Speck und richtete mich - nachdem es am Freitag doch Samstag und 3 Uhr geworden war - mit einer Friattensuppe in der Markthalle wieder auf. Dass ich dort auf die Lesung im Musilinstitut angesprochen und mit Lob überhäuft wurde, war der wärmendste Moment des Aufenthalts. Obwohl an sich eh an zwei Tagen noch ordentlich die Sonne scheinte. Aber gegen Suppe und Lob kommt kalt selbst ein Kärntner See und Spätsommersonne nicht an. 

Dieses Suppenküchenlob allerdings war ähnlich überraschend wie die Entdeckungen, die ich im Großraum Faaker See machte. Dort hat doch tatsächlich ein*e Fan/Freund*in/Unbekannte*r "Land der Zäune" Pickerl ziemlich gezielt an gut ausgesuchten Stellen angebracht. Ich nahm die Schnitzeljagd an und hab versucht, zu dokumentieren (was ich halt so fand in einem 2 Stunden Spaziergang). 

Freitag, 12. September 2025

Abenteuerwels

Wandle auf alten Pfaden. Mache einen Wels Abstecher. Kaufe ein "Wös is ka Fisch"-T-Shirt und besuche die aktuelle Stadtschreiberin im Black Horse Inn. 
Es ist kein Geheimnis, dass die aktuelle Welser-Stadtschreiberin Mieze Medusa (also meine Frau) ist. Es ist alles andere als ein Geheimnis, dass wir die Antrittslesung am Dienstag, den 23. September im Hotel Hauser gemeinsam bestreiten werden. 
Deshalb, so hab ich mir gedacht, kann es nicht schaden, wieder mal vorbei zu schauen. Zu schauen, was sich so getan hat in den letzten 8 Jahren. Und es gibt viel zu schauen. Da wird großflächig entsiegelt, dort wird großflächig versiegelt. Vielen Dank für das Renaturierungsgesetz - geschätze Leonore Gewessler!

 


Dienstag, 1. Juli 2025

Schärding ist nicht Schladming - Schärding ist schön

Darmflora

Du bist mein Leberblümchen
Nicht meine zarte Gürtelrose
Bist mein Vergissmeinnicht
Bist Veilchen und auch Herbstzeitlose

Du bist nicht mein Ohrenkaktus
Du bist mein schmatzend Schamlosmoos
Bist Glockenblume, Iris und auch Nektarsoß

Du bist Wurzel, Knospe, Blüte
Ich dir nicht gewachsen
Bist Farbe, Freude, Güte
Ich mach nur Faxen

Du bist der Schön-, Herzlich-, Fröhlichkeiten ein ganzer Strauß
Und dieses Landesgartenschaublumengedichtchen nun aus

Mein erstes Mal in Schärding. Tolle Stadt. Brauerei im Zentrum. Landesgartenschau drumrum. Tadellos. Großer Hauptplatz, Bahnhof etwas außerhalb aber mit Bummelzug verbunden. Bummelzug stinkt zwar etwas, aber wollen wir außnahmsweise drüber hinweg sehen. Ist ja schließlich ein öffentliches Verkehrsmittel. Aber für die Zukunft: E-Bummelzüge müssten schon drinnen sein, gell! Wenn wir schon beim Kritisieren sind, sei auch gleich gesagt, dass es auch schön gewesen wäre, wenn die Gastro und die Toiletten mit etwas Baumschatten versehen worden wären, von der Bühne wollen wir jetzt mal gar nicht reden. So eine Klozelle in der prallen Sonne heizt sich ganz schön auf. Ich fall ja nicht so schnell in Ohnmacht aber das durchschnittliche Landesgartenschaupublikum ist halt doch etwas betagter. Aber wir hatten eine feine Zeit dort und das nächste Mal bleib ich auch länger, denn Schärding ist ja so interessant, wie ich herausfinden durfte. 

Wusstet Ihr, dass das allseits bekannte Sprichwort "Gut Ding braucht lang Weil" ursprünglich "Gut Schärding braucht lang Weil" lautete? Also: Damit es dir in Schärding gut geht, braucht es Langeweile. Das ist ein anachronistischer Aufruf zur Langsamkeit, der uns - die wir von der Hektik des Alltags und der generellen Schnelllebigkeit geprägt und gefordert sind - allen gut tut. Nehmen wir es uns von nun an zu Herzen: Gut Schärding braucht Langeweile!  

Wusstet Ihr überdies: Das Schärding ist ein Ding, das schert. Das Schärding wurde lange zur Schafschur verwendet. Mit der Erfindung der Schafschere allerdings war diese Beziehung beendet. Schärding hat aber nciht den Kopf in den Sand respektive die Wolle gesteckt, Schärding hat sich neu orientiert, umgeschult und neu positioniert als - nein, nicht größter Käse Österreichs - sondern als Blumen-Hot-Spot. Schärindg ist nunmehr ein Blumenmeer. Schärding blüht auf. Schärding ist schön, sehr schön. So schön schön ist nur Schärding. Ich komme wieder. 

Samstag, 17. Mai 2025

100 Jahre Poetry Slam

Don't try this at home, ist man geneigt zu sagen. Versuchen Sie nicht, dieses Projekt nachzuahmen. Zu zahlreich die potenziellen Fehlerquellen. Versuchen Sie nicht, eine Überraschungsparty für zwei demnächst 50 Jahre jungen Menschen zu organisieren, versuchen Sie erst recht nicht, diese Menschen dann auch noch mit einem Buch zu beschenken, das sich nur um diese dreht - 300 Seiten lang. Das kann nur schief gehen. Nie und nimmer lässt sich das über zwei Jahre geheim halten. Irgendwer wird plaudern. Es plaudern doch alle so gern. Sie schweigen und schreiben aber offenbar noch lieber. Denn ja, es ist geglückt. 

Es ist den Herausgeber*innen und Organisator*innen von "100 Jahre Poetry Slam und mehr" Peter Clar, Martin Fritz und Yasmin Hafedh tatsächlich gelungen, 40 Menschen ins Boot zu holen, um Beiträge und Verschwiegenheit zu bitten und es ist ihnen überdies gelungen noch viele weitere Menschen zur Fete am Samstag, den 10. Mai 2025 ins Depot zu locken, um dieses Irrsinns-Buchprojekt zu feiern. Was soll ich sagen: Buch des Jahres und Party des Jahres und bestes Geschenk ever! Ihr seit großartig. Wir fühlen uns sehr geliebt und werden weiterhin zurücklieben! Das Buch ist im Sonderzahl Verlag erschienen und hier erhältlich.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Orangenbäume und Literaturblüten oder Jugend forscht

Nicht nur den weißen Rauch knapp versäumt, sondern auch fast den Zug. Obwohl ich heut im Grunde nichts zu tun hatte, außer um 18:10 Uhr am Bahnhof Tiburtina zu sein.
Aber was soll ich sagen. Ich hab mich eingelebt. Habe leben hier neu gelernt, um es mit Ingeborg Bachmann zu sagen. Denn das hab ich schon geschafft, ich war heute in der Casa di Goethe in der Via del Corso 16. Da ist nicht nur die Goethe-Dauerausstellung sondern aktuell eben auch die Sonderausstellung: "Ich existiere nur, wenn ich schreibe. Ingeborg Bachmann" Und wenn da jetzt wer denkt: Wer geht schon am Tag 2 der Papstwahl in eine Bachmannausstellung? Dann lasst euch sagen, mehr als man meinen möchte. Vor allem mehr als der Ausstellung gut tun. Gut, sie waren wohl nicht freiwillig dort, die Jugendlichen aus Deutschland, die von der Lehrerin ins Goethe-Haus geschleift wurden und dort dann eine Führung über sich ergehen lassen mussten, was immerhin ein Schüler, am Ende fast mit Applaus bedacht hätte, wenn er etwas Unterstützung seiner Mitschüler*innen gekriegt hätte, hat er aber nicht. 

Die Führerin moderierte ab und sprach: "Und damit möchte ich schließen. Hier findet aktuell auch noch eine Ausstellung einer Österreichischen Autorin statt, die in Rom gelebt hat und leider schon 47jährig tabletten- und alkoholsüchtig in Rom verstorben ist." Ob sie das mit den Tabletten und dem Alkohol sagte, um sie für die Schüler*innen interessant zu machen, ich weiß es nicht. Schöner wäre gewesen: Die sich mit Tabletten und Alkohol verbrannt hat. Das wäre immerhin mehrdeutig gewesen. Ein Satz zur Bedeutung von Bachmann wäre schon auch schön gewesen. Ich weiß, das war jetzt viel gewesen. Aber nach Goethe, was soll man da schon über eine österreichische Autorin des 20. Jahrhunderts sagen? Eben. 

Ich schaute mir also erst mal an, welche Stationen Goethe auf seiner Italienreise machte. Auch Innsbruck ist brav verzeichnete, am Vortag war er da noch im Mittersill. Das Gebiet von Neapel bis zu den Zehen vom Stiefel hat er ausgespart, weil wohl mit dem Schiff nach Sizilien, wo er wiederum ordentlich rum kam. Auch das ikonische Tischbein-Bild in Liegepose schau ich mir genau an (freilich nur die Kopie) und muss feststellen: Proportional haut das überhaupt nicht hin. Da müsste Goethes rechtes Bein schon erheblich kürzer als sein linkes gewesen sein. Merkt man vor allem an all den Nachstellungen, die winkelten alle ein Bein ab. Aber gut, ich will nicht spitzfindig sein. Oh, doch, eigentlich schon. Egal. War ja nicht für Goethe da, so wie die Schüler*innengruppe, wobei die wohl auch nur wegen ihrer Lehrerin dort waren, aber immerhin dann auch noch blieben. Mit mir blieben, um in den Bachmann-Räumen zu verweilen. Ob sie das Goethe-Haus nicht vor Mittag verlassen durften, oder freiwillig hier blieben, wage ich nicht zu mutmaßen. Jedenfalls breiteten sie sich gehörig aus. Vor allem im Filmraum. Da war es schön dunkel und es gab Sitzplätze. Da ließ es sich bestens das Handy auspacken und all die empfohlenen Videos anschauen, die in den vergangenen Minuten während der Goethe-Führung versäumt wurden. 

Auf der Leinwand lief Bachmann in den 1960er Jahren durch Rom, in den Reihen dröhnten aus mehreren Handys gleichzeitig Musik-, Gebets- und was-weiß-ich-für-Anleitungsvideos. Ich freu mich für die Jugendlichen, dass sie eine gute Zeit in der Ausstellung haben. "Die Jugendjahre sind, ohne dass ein Schriftsteller es anfangs weiß, sein wirkliches Kapital.", sagte die Bachmann in einem Interview 1971. Aber nicht nur der Filmraum zieht die Jugendlichen an, auch neben den Schaukästen der Kindheitsfotos breiten sie sich am Boden aus: sitzen, liegen neben und aufeinander. "Weißt du eigentlich noch, dass wir doch, trotz allem, sehr glücklich waren, selbst in den schlimmsten Stunden, wenn wir unsere schlimmsten Feinde waren?", schrieb die Bachmann am 27. Juni 1951 in einem Brief an Paul Celan. "Ich hau dir in die Fresse", sagt eine sehr schwarz gekleidete Jugendliche zu ihrer Freundin, die das wahrlich treffen würde, denn da ist viel Metall in ihrem Gesicht. "Halt's Maul!", entgegnet die Bedrohte und das scheint angemessen, denn dann liegen sie sich schon wieder in den Armen. "Wenn die Sprache eines Schriftstellers nicht standhält, hält auch, was er sagt, nicht stand.", sagte Ingeborg Bachmann in einem Interview 1955. 

Ich bin mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob es sich bei den die Räume belagernden Jugendlichen um eine zwangsverpflichtete Schüler*innengruppe handelt oder ob es vielleicht doch eine Exkursion angehender Schriftsteller*innen aus Hildesheim oder Leipzig ist. Sagte nicht grad die, die sich unter einen Schaukasten mit Manusktipt-Seiten von Bachmanns berühmter Dankesrede anlässlich des Hörspielpreises der Kriegsblinden wälzte: "Mir tut der ganze Körper weh, so arg ist mir's, nicht in Deutschland zu sein." Oder hab ich mich verhört, was leicht sein kann, denn die Handyvideos sind ganz schön laut. 

Jetzt wälzt sie sich wieder in den Raum und ruft: "Ich bin niemands Frau. Ich bin noch nicht einmal. Ich will bestimmen, wer ich bin." "Halt's Maul!", quittiert eine Freundin und ich bin entzückt. Vielleicht ist es auch eine Theater-, oder Schauspielgruppe, die sich hier ausbreitet. Vielleicht bin es auch einfach ich, der sich die Situation hier schönredet. Vielleicht hat Ingeborg Bachmann einen rettenden Rat, da schneidet sich auch schon ein Satz durch die vorherrschende Geräuschkulisse: "Wo nichts mehr zu verbessern, nichts mehr neu zu sehen, zu denken, nichts mehr zu korrigieren ist, nichts mehr zu erfinden und zu entwerfen, ist die Welt tot." 

Ich beginne augenblicklich zu applaudieren. Der, der vorher schon applaudieren wollte, klatscht mit. Die die vorher schon "Halt's Maul!" sagte, sagt "Halt's Maul!", von irgendwo her schallt mir "krass kranker Scheiß" entgegen. "Ich brech dein Gesicht" wird wohl in ein Gesicht gesagt und im Raum schwebt auch ein "Nein, Alter, ich schwör. Tischbein, Alter, nicht Hohlbein. Ich schwör um dein Leben." Es wird sich also über das Gesehene unterhalten und es geht auch ganz schön existenziell zu: "Wenn ich nicht bald Pizza und Cola dann sterb ich auf der Stelle, kein Scheiß." Mir wird warm ums Herz. Ich verlasse mit einem Katalog unter dem Arm die Austellung, die Jugend bleibt noch und ich kann es nur mit Bachmann sagen: "Im Grunde ist jeder allein mit seinen unübersetzbaren Gedanken und Gefühlen."

Ein Hoch dem Heiligen der Friedhofsarbeiter*innen

Gehe ich durch Rom. Wandle ich immer auch auf alten Pfaden. Gehe ich durch Rom, bin ich immer auch mein altes Ich. Das, das 1997/98 hier ein rauschendes Erasmus-Jahr verbracht hat. Ich steuere automatisch die damals billigste Bar in Trastevere an und staune, dass es sie noch immer gibt. Grad um die Ecke vom Hauptplatz, rundum zig überteuerte Lokale aller Art, wo der Sprizz im Literpreis angegeben wird (1 Liter 20 Euro, 2 Liter 30 Euro) und die Bar San Calisto ist immer noch die Insel der Seligen und jetzt eben der Biertrinker*innen aller Länder. Aber eben nicht nur. Es ist auch ein beliebtes Lokal der Anrainer und das Konzept Einheimische mit Touristen zusammen zu bringen funktioniert hier - über billige Preise - ganz vorbildlich. Der alte Chef sitzt noch immer an der Kassa und ist freundlich. 2,80 € für das 0,66 Peroni - das ist ein Preis, den selbst die Minimarkets nicht bieten. In dieser Bar hab ich 1997 mein damals tausendstes Bier des Jahres getrunken irgendwann im Oktober oder November. Ja, ich führte darüber Buch - Bierbuch. Ja, ich trank viel, war aber auch 28 Jahre jünger. San Calisto ist also ein Heiliger, der mir wirklich heilig ist. Was er für ein Martyrium hatte, werde ich recherchieren. 

Mit der Heiligenlitanei wurde ich nämlich gestern konfrontiert, als ich mich in die Nähe des Petersplatzes wagte, also in die Via della Conciliazione. Da stehen mittlerweile riesige Leinwände und Soundsysteme und die Heiligen-Litanei, die mit "Ora pro nobis" zu beantworten ist, wurde von den Kardinälen angestimmt, während sie in die wohl weltweit schönste Wahlzelle - die Sixtinische Kapelle - einzogen. Das schaute ich mir eine Zeit lang an, alles schön bunt und dann noch die Schweizer Garde dazu, viele schöne, bunte Stoffe, etwas Glitzer fehlt und individueller Style auch, aber ich versteh schon, alle gleich, alle Kardinäle. Aber so ein bisschen Tüll da, Leder dort und vielleicht auch etwas Strass, das hätte schon was. Vielleicht geht da ja was unter dem neuen Papa. Jedenfalls kam der Heilige Calisto nicht vor, deshalb ging ich wieder. Was sich im Nachhinein als sehr richtig erwies. Denn das für 19 Uhr angekündigte Ergebnis verschob sich auf 21 Uhr (Schwarzer Rauch). Die betende, singende, knieende und reihenweise kollabierende Schar Glaubender hat den Erste Hilfe Einsatzkräften sicher einiges zu tun gegeben. Ja, es ist alles ein Geben und Nehmen. Ich nahm mir noch ein Bier (diesmal ein Moretti) für die Ponte Sisto, lauschte der dort spielenden Band, beobachtete die vorbei flanierenden Menschen, schaute in die Sonne, auf den Tiber, in den Himmel und hatte es fein.

Der Heilige Calisto (Kallistus) ist der Schutzpatron der Friedhofsarbeiter*innen. Das gefällt mir! Papst Zephyrinus vertraute ihm die Grabkammern entlang der Via Appia an, in denen neun Bischöfe Roms begraben und später entdeckt wurden. Die Katakomben des Heiligen Kallistus waren der erste offizielle Hauptfriedhof der christlichen römischen Gemeinde im dritten Jahrhundert. Die Katakomben könnte man besuchen. Mach ich aber wohl nicht. Die Bar San Calisto ist dann doch gemütlicher.

Mittwoch, 7. Mai 2025

Extra Omnes

Nicht mit mir. Kommt mir nicht mit „alle hinaus“, wenn ich schon mal da bin. Das Giubileo 2025 hätte mir schon gereicht, dass es auch noch ein Konklave geben muss, während ich in Rom weile, wäre nicht notwendig gewesen.

Aber gut, ich nehme mit, was geht. Wenn ich schon nicht in die Sixtinische Kapelle darf, weil sie dort grad Öfen installiert haben, um die Stimmzettel zu verbrennen, dann schau ich mir halt den Trubel an. Habe schon mehr Fernseh-Teams aus Ländern, die ich nicht mal zu benennen weiß, gesehen als bisher in meinem Leben. Niemand hat mehr große Kameratrümmer auf den Schultern, das sind jetzt eher Selfiestangen beziehungsweise Kameras, wie sie auch fottoaffine Touristen verwenden und dann halt so exoskelettmäßige Tragegerüste. Es wuselt auf der Via della Conciliazione. Bei meinem ersten Rom-Besuch 1990 nahm ich noch ein Fußbad im Brunnen am Petersplatz. 1998 bin ich mal aus dem Petersdom rausgeschmissen worden, weil wir es so lustig fanden, wie da Marmorfüße geküsst und Bazillen international verbreitet wurden. Gestern stellte ich mich brav an in der  Vatikan-Post-Schlange, um meinen gottlosen Freund*innen zu verkünden, wo ich gerade weile.

Dass diese Konklave die größte der Geschichte wird, ist schon beeindruckend.  Von den 252 Kardinälen der Weltkirche sind die 135, die unter 80 Jahre alt sind, stimmberechtigt. Ich zitiere aus dem offiziellen Wahlvorgangs-Procedere: „Bleibt ein Wahlgang erfolglos, schließt sich sofort der zweite an; erst danach werden die Stimmzettel – zusammen mit einer dunklen Rauchkartusche – verbrannt. Zur Wahl benötigt der neue Papst eine Zweidrittelmehrheit. Ist nach dem 33. Wahlgang noch keine Entscheidung gefallen, muss es so viele Stichwahlen zwischen den beiden stärksten Kandidaten geben, bis mit der Zweidrittelmehrheit ein neuer Papst gefunden ist.

Ob ich das heute schon erleben darf? Vermutlich nicht. Morgen bin ich aber auch noch da. Morgen also mehr.


 

 

Montag, 14. April 2025

ORF Buch-Tipp

Juhui, der ORF macht mich zum Buch-Tipp der Woche. Also eigentlich ja Hans Sagmeister beziehungsweise "Land der Zäune". Jedenfalls gibt es einen tollen Beitrag von Imogena Doderer über das Buch, das ihr offensichtlich gefallen hat. Am Donnerstag, den 10. April war er in der ZIB zu sehen (in Kurzversion). Am Sonntag, den 13. April dann in der Kultur Matinee.
"Skurriles gepaart mit Sprachwitz prägen seine Romane. (...) Ernste Themen mit den Mitteln des Humors auf den Punkt zu bringen, das ist die große Kunst von Markus Köhle." Spricht Imogena Donderer im Beitrag und ich jubel natürlich. Möge es der Verbreitung von Hans Sagmeister dienlich sein.

Donnerstag, 27. März 2025

Welttag der Poesie in Rom

Klar fahr ich immer gerne nach Rom. Führen ja auch alle Wege dorthin. Fahren aber nicht alle Züge. Vor allem, wenn die FS, die Ferrovia dello Stato streikt. Was mitunter vorkommt.
Klar hab ich nichts gegen Streiks. Fahr ich also nicht wie geplant am 19. März schon nach Rom. Sondern erst mal von Innsbruck wieder zurück nach Wien, um von dort aus dann über Nacht nach Rom zu gelangen und zwar erstmals in einer super-fancy Nightjet Singlekoje. In Summe also sehr viel Zugfahren für einen Streiktag. So komme ich statt am 19. halt erst am 20. an und zahle die Nacht doppelt, einmal im Zug, einmal das Hotel.
Klar könnte einen das ärgern. Bin aber zu guter Dinge, um mich zu ärgern. Bin in Flaminio untergebracht. Das ist nicht zentral, aber gut angebunden, was super ist, wenn die öffenltichen Verkehrsmittel fahren. Was sie auch meistens tun. Außer die Öffis streiken, das kommt vor. Dass sie das am 21. März machen, ist ihr gutes Recht.
Klar, den Welttag der Poesie zum Streiktag zu machen, das hat was. Das kann ich nur gut finden.
Klar akzeptiere ich diesen Streik und marschiere an meinem zweiten Tag in Rom circa sechs Stunden (am Vortag waren es nur vier).
Gut, dass die Brunnen nicht streikten.
Gut, dass in der Ungarischen Akademie (wo der Welttag der Poesie zelebriert wurde) nicht streikte. Gut, dass ich mich, als ich drankam, noch auf den Beinen halten konnte.
Gut, dass ich den Text noch einigermaßen abrufen konnte.
Gut, dass ich beim Interview mit der RAI noch ein paar Brocken Italienisch aus den Ärmeln zaubern konnte.
Gut, nein, besser, wenn das vorab zuerkannte Taxigeld für Feierabendbiere ausgegeben werden kann. 

Tag drei verbrachte ich dann fast zur Gänze im MAXXI-Museum und schaute mir eine Foto-, eine Architektur-, eine Mode-, eine Installations-, und eine Firmengeschichte-Ausstellung an.
Von Guido Guidi über den Torre Verlasca bis zur Supercrema, also Nutella war da alles dabei und zum Drüberstreuen besuchte ich auch noch das dreitägige Literaturfestival im Auditorium und kam gerade recht, um Uwe Timm zu hören. 

Zurück ging es dann wieder per Nightjet. Die neuen Kojen sind einen eigenen Eintrag wert, zumal sich das Bahnfahren dadurch wirklich ändert und es neue Beobachtungen festzuhalten gilt.