Samstag, 26. Oktober 2024

Schnitzeldasein in der langen Nacht

So was hab ich noch nie gesehen! Das "filit" ist ein Literaturfestival der Extraklasse. Die ganze Stadt Iași ist geprägt davon. Überall flattern einem die grünen Logo-Bücher entgegen. Am Einheitsplatz ist das Festivalzentrum, da stehen drei Zelte: Buch, Bühne, Backstage. Fünf Tage lang, alle Jahre wieder, steht die ganze Stadt im Zeichen der Literatur. Schon beim Einchecken ins Hotel Unirea huschte Abdulrazak Gurnah an mir vorbei. Am nächsten Morgen frühstückt er einen Tisch weiter und ich kann berichten: Er ist Tee-aus-Becher-Trinker und schaut zumindest in der Früh so grimmig drein wie am Pressefoto. Zeruya Shalev ist da, mit Colm Toibin unterhalte ich mich beim Mittagessen über die Schönheit der rumänischen Namen: Popescu, Burcescu, Antonescu, etc. 

Adrian Alui Gehorge will ich nach seiner Lesung einfach ein schnelles Kompliment (auf englisch) machen und er holt gleich seinen Übersezter, damit ihm nichts entgeht und das Ganze wird dann fast ein bisschen peinlich, weil so genau hab ich ihn dann auch wieder nicht verstanden, er hat ja rumänisch gelesen und da versteh ich (mit meinen Italienischkenntnissen) halt doch nur, was ich will und mir zurechtdenke. Aber egal. Ich bin großzügig mit Lob. Davon hab ich viel, kostet mich nichts und die lange Nacht der Poesie will ja vertrieben werden. Von 22 bis 4 Uhr stand am Programm und ich hatte schon Angst. Es dauerte letztlich aber eh nur vier Stunden und ich hielt von Anfang bis zum Ende durch, obwohl ich im Grunde nichts wirklich verstand. Aber Poesie ist ja eine Universalsprache und die hab ich schon halbwegs drauf. Die Bierbegleitung freilich hat da schon geholfen. Hat die Zunge und die Kontaktaufnahme lockerer werden lassen. Denn ins Gespräch kommt man halt am einfachsten in der Bierwarteschlange. Da teilt man von vornherein eine Gemeinsamkeit, trifft sich beim gemeinsamen Biernenner. Begegnet man sich dort mehrmals, teilt man auch noch Trinkgeschwindigkeit und Geselligkeitswillen. Tudor hab ich dort kennengelernt, vor seinem und nach meinem Auftritt. Da er mit Nachnamen Crețu heißt, muss er nicht all zu lange warten. 

Ich hatte den Vorteil gleich dran zu kommen, als Zweiter. Da ging's ausnahmsweise um den Anfangsbuchstaben des Herkunftslandes: A wie Austria. Ich war nicht unglücklich über diesen Startplatz. Cosmin Perța hatte länger zu warten aber guten Schmäh und es schäkerte sich ganz gut mit ihm. Denn dass alles großartig gewesen wäre, dass alle ins Mikrophon gesprochen, dass sich alle an die Zeit gehalten hätten, davon kann natürlich nicht die Rede sein und genau das ist dann ja Anlass zum drüber Reden. Wir hatten Spaß und der rührendste Moment des Abends war, als Claudiu Ioan Maftei, der Etrit Hasler der rumänischen Poesieszene, loslegen wollte, mit Mühe den ersten Satz lesen konnte, sich auf die Suche nach mehr Licht machte, nochmal ansetzte, wieder nicht weiter kam und sich dann jemand aus dem Publikum erbarmte und ihm seine Lesebrille reichte. Ein solidarischer Akt und ein poetischer - einmalig. 

Das Gegenteil davon gab es auch - hier sei kein Name genannt, aber der bekannte Irgendwas-Mediziner und Dichter, hat heillos überzogen, hat viele quasi ins Koma gelesen. Aber sonst keine Beschwerden nur Lob, Hochachtung, Freude.

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