Ein beliebter
Schlachtgesang lautet: „Immer wieder Österreich“. Helmuth
Schönauers aktueller Roman trägt den Titel: „Nie wieder Tirol“.
Das ist eine Ansage. Der Untertitel lautet: „Fahren Sie weiter! Es
gibt nichts zu sehen!“ Die Gattungsbezeichnung: „Kampf-Roman“.
Damit ist schon sehr viel gesagt, quasi: Immer wieder nie wieder
Tirol und zwar in 15 Entladungen (Dick-, Dünn-, Mast- und 12
Fingerdarm = insgesamt 15).
Wer Literatur von
HeSchö kennt, weiß: Auch derb muss sein. Offen wie ein künstlicher
Darmausgang ist diese Prosa. HeSchö demonstriert, dass
Locker-Room-Talk für Tiroler nichts anderes ist, als locker
rumreden. Sei's im Landtag, sei's in der Literatur und der aktuelle
Fall des SPÖ-Vorsitzenden Dornauer beweist, wie treffend die bewusst
übertriebene Literatur HeSchös im Kern eigentlich ist. Da bleiben
die Formulierungen oftmals in der Horizontalen und kommen nicht recht
auf, prangern aber genau diese Ausdrucksweise damit auch an. Ja,
Literatur ist ein Spiegel. HeSchös Literatur ist kein
gesellschaftlicher Schminkspiegel sondern ein kollektive
Darmspiegelung.
Werner Schwab hat
einen Essay mit dem Titel „Der Dreck und das Gute“ geschrieben.
HeSchös Literatur ist sehr sekret- und körperabriebaffin und immer
geht es um alles, um alles, was scheiße ist. Tagespolitik gehört da
naturgemäß dazu. Von Missständen im Festspielhaus Erl, über Mist
in diversen, geförderten Startup-Zentren, bis zum Stau an allen
Fronten: Kopf, Grenzen, Genitalien. Der Verkehr wird als Grundproblem
entlarvt. Zuviel Verkehr da – zu wenig Verkehr dort. Und wenn sich
so viel anstaut, dann muss es irgendwann explosiv raus. HeSchös
Grundstilmittel dafür: die Hyperbel. Die Hyperbel könnte auch eine
Figur in HeSchös Romanen sein. Sie könnte beispielsweise in einem
zu Tode tourismus-terrorisierten Seitental japanische
Schlafschachteln vermieten. Und HeSchö ist hyperrealistisch, nichts
ist ganz aus der Luft gegriffen (Darf ich mir einen Roman mit dem
Titel „Die Babelfischfarm der hyperrealistischen Hyperbel“
wünschen?). Alles, was er thematisiert, schwirrt schon in der Luft,
stinkt schon längst und gehört ausgesprochen. HeSchö speibt's gern
raus. Er ist Katalysator. Das müssen nicht alle mögen. Man kann es
aber auch so sehen. HeSchö greift für uns ins Klo und wir können
uns an seiner Literatur abputzen.
Endlich ist die
Schranzhocke literarisch verewigt, endlich hat auch mal jemand über
Reutte geschrieben, endlich hat das Bergisel Museum eine
entsprechende Würdigung erhalten. HeSchö prangert den
Landausverkauf gleichermaßen an wie die Ausbeutung von temporären
Arbeitskräften im Bio-Radieschen-Ernteeinsatz in den Thaurer
Feldern. HeSchö hat seinen Spaß an der
Vorlass-Kisten-Bearbeitungs-Germanistik und der Verzwergung der
heimischen Verlage. Wir lernen, was es bedeutet, einen Felix zu
machen und wie das Klier-Aquarell-Lebensmodell funktioniert. Und weil
HeSchö immer auch Bibliothekar und Literaturvermittler ist und
bleibt, gibt es am Ende eine leser_innenfreundliche Thesenstraffung:
„Dieses Buch macht Ihnen ein Angebot für den günstigsten,
erlebnisreichsten und witzigsten Urlaub, den Sie je erlebt haben.
Bedingung: Sie dürfen nicht nach Tirol fahren!“
Wer brav über sein
Land schreibt, darf zur Belohnung Gebrauchsanweisungen, Reiseführer
oder gar Kolumnen in offiziellen Tirol-Magazinen verfassen. HeSchö
schreibt seit Jahrzehnten über Tirol (was die Kontinuität betrifft
also sehr, sehr brav) aber niemals inhaltlich brav und das ist gut
so, denn brav und gut und harmlos ist schon so vieles. Nie wieder
brav! Immer wieder Schönauer.
Helmuth Schönauer
Nie wieder Tirol
Edition BAES 2018
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