Montag, 11. Oktober 2010

Svotsch


Ja, zum Lesen hab ich natürlich Zeit genug hier. Und warum in Slowenien nicht Schweizer Literatur lesen?
Arno Camenisch hat im letzten Jahr mit dem Roman Sez Ner (auf Deutsch und Rätoromanisch) debütiert. Soeben erschien (ebenfalls im Engeler-Verlag) sein zweites Buch „Hinter dem Bahnhof“.
Stehen im Erstling der Senn, der Zusenn und die Hirterbuben im Mittelpunkt bzw. deren Leben auf der Alp Stavonas am Fuße des Piz Sezner in der Surselva des Kantons Graubünden, so geht es im Zweitling um ein Dorf, in dem der Rhein „Maulwürfe und Fussbälle“ frisst, betrachtet aus dem Blickwinkel eines Kindes.
Das Dorf ist klein, doch es ist immer was los: Die Großmutter (die Tatta) wird eingeliefert, der Bruder von einem Auto angefahren, dem Ich ein Loch in den Kopf gehauen. Das Wibli frisst die Kinkelis (Hund frisst Hasen), Schi- und Verkehrsunfälle auf der Tagesordnung. Raue Sitten im Dorf das mit gezählten „16 Cüalschrancs“ aufwarten kann.
Dem Dorf fehlt es, so klein es auch sein mag, an nichts: Pfarrer, Doktor, Jäger, Dorfpoet (Gion Bi macht Poesias), Mechaniker („So, fertic, haut jetzt hab, sagt der Mehaniker oder ich mache mit euch Cakignoli Cakignoli.“), Exhibitionist (zeigt am Sonntag seinen „Pimperli“) und Eiertoni, alles da. Aber auch andere, der Giacasep zum Beispiel: „Der Giacasep wohnt unter uns. Er hat einen Laden und einen Schnuz. Er verkauft Schrubas. Er verkauft Nägel und Cätisägas.“ Alles klar?
Ja, man muss sich erst gewöhnen an die Sprache und Schreibweise aber dann, wenn man drinnen ist, dann tönt das wunderbar: „Wenn wir mit dem Philip spielen, gibt es Streit. Wenn es Streit gibt und der Vater das sieht, kocht er unsere Kinkelis. Der Philip sagt uns Schaissoberländers und dann bekommt er auf den Deckel.“ (S. 23)
Streiche („Ketschüp in die Schuhe vom Anselmo“) und Strafen („Zähne klopfen“), dann verlässt sogar mal wer das Dorf und selbst die Helvezia Wirtin macht mal Urlaub (und kommt mit Fotos, die sie auf einem Kamel sitzend zeigen zurück) Irgendwas passiert immer. Das klingt nach Kleindorfbusiness as usual und ist doch mehr und vor allem anders. Das Einzigartige und in dieser Form auch äußerst Gelungene ist die sprachliche Umsetzung.
Diese Gratwanderung: da die Hochsprache, dort der Dialekt und in der goldenen Mitte eben dieser schmale Grat, den Camenisch wagemutig und souverän beschreitet. Für alle lesbar aber näher dran an der abgebildeten Dörflichkeit. Und an den Ungeheuerlichkeiten. Denn der „Samiklaus“ bringt den „Gofen“ doch tatsächlich eine Schneeschaufel, dabei hätten sie doch soviel lieber eine „Svotsch“.
Der Winter ist lang im Dorf in den Bergen aber irgendwann wird wieder Frühling und alle Herzen erwärmten sich, wenn der „Tat“ nicht „mit schwarzen Kartoffeln in der Brust“ im Spital läge. Ende?
Nein, das Ich und die Silvana gehen Hand in Hand durchs Dorf, verlassen das Dorf, lassen es verschwinden. Arno Camensch jedoch hebt dieses Dorf auf die Bühne. Ein Dorf, zu einer Zeit, der Kindheit des Erzählers, im Mittelpunkt. Eine schöne Hommage. Genug jetzt? Nein, ein Absätzchen noch: „Der Cravattamensch redet huara lang, dass die Tatta ruft, die Leute haben Hunger. Am Schluss bekommt die Tante einen Blumenstrauss und Küsslis, legt den Strauss in die Küche neben den Fleischwolf und achtungferticlos beginnt die grosse Fressarai.“ (S. 55)
Mögen alle auf dieses köstliche Buch Appetit bekommen haben. 1-2-3-Besorgen-Verschlingen!

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Draußensitztick


Die Ptujerinnen und Ptujer beseelt ein unbedingter Wille zum Draußensitzen. Da kann ich nicht mit. Es ist Oktober. Da ist ein r im Monatsnamen und da war auch schon eines im letzten Monat. Nein, das ist nicht gut für Blase und Hämorrhoiden!
Es ist kalt, es regnet, es ist Oktober. Klar, es gibt dicke Kleidung Schirme und Wärem von innen. Aber, es gibt - außer man ist Kettenraucher - meines Erachtens keinen Grund, jetzt noch demonstrativ draußen zu sitzen. Draußen ist auch nicht keine Musik. Draußen sorgen mächtige Boxen für die Beschallung des öffentlichen Raums. Ich bin immer der einzige, der drinnen sitzt. Nicht dass ich nicht von vornherein als Tourist identifiziert werden könnte, aber so, mit diesem offensiven Drinnensitztick oute ich mich gleich doppelt: Fremder und verweichlicht.
Ojeh, so wird das nichts mit dem Leutekennenlernen. Dabei gefallen mir die Namen doch so: Olena, Tatjana, Bolena,....

Dienstag, 5. Oktober 2010

DJ Badewaschel


Das mit der Musikbeschallung ist wirklich eine Plage. Höre gerade zum wiederholten Male die Easy Listening Version von "Time of my life"und denke an tanzen, obwohl ich doch frühstücken will. Neulich im Thermalbad wollte ich saunieren und entspannen, da gab's allerdings gleich doppelte Soundbedienung.
Der Badewaschel dürfte eine eigene Anlage installiert haben und weil Sonntag Nachmittag und viel los war, wollte diese mit Proletenprügeltechno getestet werden. Kann man ja ausweichen, dachte ich aber selbst im Saunabereich plärrte - zwar nicht des DJ Badewaschels - doch auch Musik bzw. das, was Radiostationen halt so senden aus den gut versteckten Boxen: Werbung, Blabla und Plätscherplätscher.
Verlasse ich also meine Dichterkammer, so erwartet mich immer gleich 100%iges Kontrastprogramm. Denn dort ist's grabesruhig. Keine Lärmquellen, nicht mal der Boden knarzt, nur vor dem Fenster maunzt eine Katze, was mich fröhlich sehnsüchtig stimmt und an Mieze Medusa denken lässt.

Ach ja, dass Gotovina kein Name sein dürfte, wurde mir heute klar, denn heute hieß die Stregel von gestern Olena.

Montag, 4. Oktober 2010

Filzpuschen


Die Schuhgeschäftdichte im Zentrum von Ptuj ist überwältigend. Gut, dass ich ohnehin Hausschuhe brauchte. Die Wahl fiel mir schwer, aber eine im Hintergrund des Schaufensters lockende Filzpuschen-Wühlkiste dirigierte mich förmlich zu Natajas Laden und nachdem ich mich bepuscht respektive bepatscht hatte, konnte ich auch in Erfahrung bringen, dass Stregel nicht Kellnerin heißen kann, denn in Schuhgeschäften wird ja eher geschuht, als gekellnert.
Ich bin geneigt, anzunehmen, dass Stregel Bedienung und Natakar Kellnerin heißt. Gotovana (Espresso) ist nämlich Stregel und Natakar 2!


Der stolze Turm da ist übrigens der Stadtturm von Ptuj und das mit dem blauen Himmel war grad Zufall.

Natakar, Stregel, Znesek

Die ersten drei Frauen mit denen ich zu tun hatte, hießen: Maja (Kontaktperson), Darja (Steinpilzsuppe), Sonja (Espresso). Dreimal JA, das ist doch ein guter Anfang!, dachte ich mir oder womöglich gar ein Zeichen?, fragte ich mich.
Ich wollte es genauer wissen und trank mein erstes Pivo (Lasko, ja, klar, mit Hashek über dem s) und wer servierte mir das? Tatjana. Eine Wende schien eingeleitet (JA-NA) Ich ließ es gut sein und nachdem mir heute morgen SimoNA das Müsli mit Weintrauben kredenzt hatte, schaute ich nicht mehr auf die Namensschildchen bzw. Angaben auf den Kassazetteln.

Was mir nicht klar wurde, da ich bisher drei verschiedene Hinweise habe, ist, ob Kellnerin "Blagajnik", "Stregel", oder "Natakar" heißt. Ich werd's in Erfahrung bringen.
"Znesek" jedenfalls scheint sowas wie Betrag oder Summe zu heißen. In diesem Sinne: ich werde weiter Summen. HVALA!

Sonntag, 3. Oktober 2010

Ptuj ahoi!


Eben noch in Basel – jetzt in Ptuj
Juhui!!!

Dem Land Niederösterreich (Abteilung K1) und dem Unabhängige Literaturhaus NÖ sei Dank. Erstmals wird heuer ein Stipendium im neuen slowenischen Schriftstellerhaus in Ptuj/Pettau (25 km südlich von Maribor) vergeben, das der Arbeit an einem bestehenden literarischen Projekt oder der Erarbeitung neuer Texte dienen soll.
Ptuj ist die Heimatstadt des bekannten slowenischen Lyrikers
Aleš Šteger.

Dienstag, 31. August 2010

Zeit um!


Aus. Schluss. Fertig!
Vorbei. Vorüber. Forunkel!

Basel, ich muss dich lassen.
Kleiner Markgräflerhof, ich muss dich nur noch putzen, dann darf ich mich schleichen!

Resümiert wird noch nicht (nur nicht hudeln).
Resümiert wird dann von Wien aus (von mir aus) aber:
Resümiert wird.

Freitag, 27. August 2010

Multifunktionswerkzeuge



Der Maulwurf pfropft, nach dem Akt die Vagina des Weibchens mit Harz zu. Die Rüsselkäferinnen besteigen sich gegenseitig, um Männchen an zu locken, das doch auch zu tun. Kreuzspinnen spinnen einen Bewerbungsfaden, zupfen daran und gedenken hinterher über einen Sicherheitsfaden zu entfliehen, werden aber dennoch oft gefressen. Ganter (das sind männliche Gänse) verfügen wie Enten und Strauße über einen erigierbaren Penis (circa 10 cm; die Argentinische Ruderente bringt es auf bis zu 43,5 cm). Grillen pudern sehr variantenreich – auch im Rumlaufen. Auch Schnecken begatten sich. Sie stoßen sich sekretversetzte Kalkpfeile in den Körper. Immer wenn ich multiple Orgasmen höre, muss ich an den Air Multiplyer denken, das ist ein propellerlosen Ventilator, erfunden von dem, der auch den beutellosen Staubsauger kreierte. James Dyson heißt der Knabe und wer da nicht gleich an ein abgebissenes Ohr denkt, hat nie Schwergewichtsweltmeisterschaftsboxkämpfe verfolgt. Ameisenköniginnen paaren sich nur einmal im Leben. Sie speichern im Hinterleib einen Spermienvorrat für Millionen von Nachkommen. Eierlegende Zahnkarpfen sind Haft- und Bodenlaicher und der Dremel ist ein Multifunktionswerkzeug mit hoher Drehzahl. Man kann damit bohren oder fräsen. Schön ist allein schon der Spindelarretierungsknopf. Und um zu diesem Wort zu kommen, hab ich all den Tierschweinskram gebraucht. Oftmals dauerts... Ein leicht verschwurbelter Tag heut. Die gestrige Dröhnung wirkt noch nach (offizielle Einleitung der Abschiedsfeierlichkeiten:)

Donnerstag, 26. August 2010

Stressblocker


Warenweichen, es gibt sie noch! Okay, da und dort trifft man schon auch in österreichischen Lebensmittelläden noch auf Warenweichen mit entsprechendem Auffangraum, in der Regel aber muss man den Einkaufswagen wieder voll laden, das Feld räumen und in der Umpackzone seine erstandenen Güter in Abtransportmittel verstauen.
Aber eine Drippel-Warenweiche mit Querförderband ist schon eine Rarität in unserer Hektomatikwelt (wie STS singen würden). Stress kommt da kaum auf, Versagensängste haben Pause. Da muss man nicht mit links packen, mit rechts die Geldtasche zücken und ruck zuck weg sein. Da vergrault man niemanden durch mangelhafte Koordination. Da kann man sich wirklich Zeit für jede einzelne Handlung nehmen.
Erst mal das Eingekaufte anfördern lassen und zufrieden betrachten, sich daran erfreuen, wie sich das Gesamtbild mit jedem neu dazu kommenden Gut verschiebt und verändert. Wenn das Ende der Einkäufe naht, kontrolliert das Portemonnaie zücken, vielleicht sogar mit Bedacht Kleinmünzgeldbestände abbauen, sich höflich verabschieden und erst dann das Erstandene in Ruhe verstauen. Sodann kann man noch vor Ort ausklügeln, wie man die Last optimal, will heißen rücken- respektive bandscheibenschonend, verteilt und es steht einem überdies frei, ein Auge auf die Einkäufe der Mitmenschen zu werfen.
Warenweichen, eine Errungenschaft aus Zeiten, in der man sich noch Zeit nahm für die wesentlichen Dinge.
Warenweichen, womöglich ein Anachronismus, aber ein sympathischer.
Warenweichen, für mich ein Stück liebenswerte Schweiz.

Dienstag, 24. August 2010

Kiwijazz


Aus der Region für die Region, steht da geschrieben, und:
Ein Versprechen ihrer MIGROS.

So, so. Ein Versprechen also, damit hat man sich natürlich sprachlich einwandfrei abgesichert. Man hebe den Blick und betrachte das Schild mit der Nummer 153. Der Apfel mit der Bezeichnung JAZZ wird da angekündigt.
Über den Preis wollen wir nicht reden. Sehr wohl aber über die Herkunft des Apfels, der, so lässt der Name vermuten, alle Stücke spielen dürfte. JAZZ aus Neuseeland.
Aus der Region für die Region. Die Schweiz ist zu groß für mich!