Donnerstag, 6. Mai 2010

Kalenderwortwürfeleien

Sollte einen kurzen Kalendertext schreiben. Das war der Erstentwurf:

Kalender, Kalender, Kahl-Ender
Der Kahlender ist ein geweihloser Hirsch, ein Hirsch mit Glatze, wenn man so will und ergo ohne Würde.
Der Kahlender ist ein ausgestoßenes, allein lebendes Tier, dessenFleisch sich nicht zum Verzehr eignet, weil man ihm die Griesgrämigkeit anschmeckt.
Im Zoo von Kurganisiens Hauptstadt Takatuka allerdings ist der Kahlender die Attraktion schlechthin. Dem geht’s dort gut, der wird bestaunt und es wäre interessant zu wissen, wie sich das auf sein Fleisch auswirkt.

Kalender, Kalender, Ka-Länder
Kongo, Kina, Kärnten. Nicht lustig. Quasi a Wahnsinn! Weiter würfeln!

Kalender, Kalender, Call under: 8519850 wenn Sie mich buchen wollen

Hab dann doch noch was anderes geschrieben. Ach ja, und das Tier da ist naütlich kein Kahlender, sondern die Brasel (die offenbar dabei ist, ihr Streifgebiet zu erweitern).


Mittwoch, 5. Mai 2010

Genug gefenstert


Eine aufschlussreiche Ahnung, zwei Fragen, zwei Resumes und eine Eigentlichkeit

Letzte Ausweidung von Richard Obermayers: Das Fenster (Jung und Jung 2010)

„Ich ahnte, es gibt noch eine zweite Wirklichkeit, in der sich die langsamen Abenteuer unserer Gefühle abspielen, in einer zeit nebenan, in der Augenblicke langsam in uns heranreifen, bis sie eines Tages ihren stummen Rapport geben.“ (S. 250)

Eine Frage die wir uns wohl alle anbetrachts der Lebensläufe anderer gelegentlich stellen: „Was hatte ich in all den Jahren getrieben?“ (S. 157)

Eine Frage die wir uns wohl alle anbetrachts des vielen verlorenen Krams gelegentlich stellen: „Die Vergangenheit ist unser eigentliches Element. (…) Was, wenn man alle Regenschirme, Schals, Handschuhe und Münzen überreicht bekäme, die man je verloren hat?“ (S. 88)

Und zum Schluss vielleicht eine Art Resume: „Schließlich kam es mir so vor, als sei alles, von dem wir meinten, es sei in unserem Leben einmal wichtig gewesen, wie zu einer langen bizarren Stunde verklumpt, in der sich die namenlose Intimität sämtlicher Erinnerungen und Gefühle befindet.“ (S. 195)

Auch in nicht reiner Zitatform: Richard Obermayer packt den Stier bei den Hörnern, stopft ihn das ganze Familienleben rein und näht ihn dann fein säuberlich und unerhört poetisch wieder zu.

Wobei es doch eigentlich so ist: „Wir sind allein mit der Geschichte, nachdem die, von denen sie handelte, aus ihr verschwunden sind.“ (S. 232)

Womit genug aber natürlich nicht alles über Das Fenster gesagt wäre.


Dienstag, 4. Mai 2010

Erinnerungsartistik

Richard Obermayer: Das Fenster (Jung und Jung 2010)

Das ist ja ganz gut gemeint, wenn sich wer verpflichtet fühlt, mir mit zu teilen, man möge das Buch langsam, in vielen Etappen lesen. Aber hallo!
Dankesehr, ich mach das, wie ich will. Und ja, Daniela Strigel hat Recht, es wäre schade, das Buch in einem Satz/Tag/Zug durch zu lesen.
Das hat mehrere Gründe. Das Fenster kreist um ein Thema, diese Umkreisungen unterscheiden sich sehr wohl, setzt man ab, hat man was davon, zieht man das Buch durch, entgehen einem die Nuancen.
Wenn man gewillt ist, das Buch – und jetzt die grausame Formulierung – mit Gewinn – zu lesen, dann schnallt man das. Das Fenster ist kein Ich-steig-in-den-Zug-fahr-5-Stunden-und-les-ein-Buch-Buch, das nicht, aber deshalb braucht man nicht solche Warngeschütze auffahren.
Man kann ja auch eine halbe Stunde lesen, dann eine halbe Stunde aus dem (Zug)Fenster und in sich selbst schauen, ja, sich selbst Gedanken machen und dann wieder lesen und ja, ich denke, wenn man das Gefühl hat, dass es reicht, dann ist man als Lesender durchaus in der Lage, sich anderweitig zu beschäftigen.
Im Zweifel für das Buch, sollte doch die Devise sein, nicht? Das Fenster ist große Erinnerungsarbeit auch Erinnerungsartistik ohne Netz und doppeltem Boden.
"Immer noch findet die Erinnerung etwas, greift tief hinein und holt etwas heraus, und ich wundere mich, so etwas in mir zu haben, von dem ich nichts wusste und bis dahin nichts fühlte.“ (S. 216/217)

Die Bereitschaft an diesem Projekt zu Scheitern ist bemerkenswert. „Mein Leben war ganz durch die Erinnerung an mein Leben ersetzt.“ (S. 197) Der Versuch etwas wirklich Eigenständiges zu machen, diese Möglichkeiten der Literatur auszuloten, niemanden direkt zu bedienen aber allen etwas vor den Latz zu knallen, lässt einen ehrfürchtig werden.

Richard Obermayer löst einen Prosaschuss aus, lässt einen Romanschwall vom Stapel, der leidenschaftliche Leserinnen und Leser treffen muss, nein, soll, ja, wohl fürher oder später treffen wird.

Montag, 3. Mai 2010

Quasiblind


Richert Obermayer: Das Fenster (Jung und Jung 2010)

Für den Leser wird so schon nach wenigen Seiten klar sein: Er kann diesem Buch quasi blind vertrauen. Nichts schlägt hier aus der Bahn, nichts stört, nichts hebt sich ab, an keiner Stelle droht das Gesamtgebäude zu wanken. Klaus Kastberger, ORF ex libris

Was soll das denn? Blind vertrauen? Wird das von einem guten Buch erwartet? Also ich denke, mitdenken ist auf jeden Fall immer besser, als blind vertrauen. Wenn was stört, stört mich das nicht weiter, es beschäftigt mich, wenn nichts aus der Bahn schlägt, fühle ich mich schnell gelangweilt, wenn sich in diesem Text nichts abhebt, dann heiße ich Hugo und klar wankt dieses Romanhaus. Das ist ja doch auch nichts Schlechtes. Es muss doch nicht alles stimmen.
Ein Roman ist ja kein Formelheft oder Telefonbuch und lieber ist es mir, wenn sich die Balken ordentlich biegen, als dass ich ein Fertigteilhäuschen präsentiert kriege.

Donnerstag, 29. April 2010

Helenenelend


Na dann schauen wir halt mal über den Schweizer Tellerrand hinaus.

Lassen wir Edelschimmelkäse, Edelschimmelkäse - Goldreserven, Goldreserven
und Bankgeheimnisse, Bankgeheimnisse sein
und wenden wir uns
Schafskäse
, Ouzoflaschen und Notkrediten zu.

Und was haben wir dann?
Einen ordentlichen Griechischen Salat, jawoll!
Ein gesalzenes Fiasko, ein betrübliches Helenenelend!

Und daran ist nichts schön (vom Wort abgesehen!). Möge dies Foto Trost spenden, schnüren wir quasi ein Fotohilfspaket.

Montag, 26. April 2010

Kausalkettenkarussell


fern bleiben. Ulrike Ulrich, Luftschacht 2010

Lo besteigt einen Zug und reist rum. Lo ist Mitte Dreißig, mit Wissen beschlagen und belesen aber im zwischenmenschlichen Bereich noch auszubildend. Ein Quiz beschert ihr finanzielle Unabhängigkeit, sie nützt diese Freiheit und Gelegenheit, lässt Arbeit und Freunde zurück und fährt erst mal nach Rom und dann weiter, weiter, um nirgends anzukommen, in keiner Stadt zu übernachten, es sei denn, es gibt da einen David oder so (aber dazu sei an dieser Stelle nicht mehr verraten).

fern bleiben spielt in einer vertrauten Zeit, die trotzdem schon ferner scheint, als sie ist. In Zügen darf noch geraucht werden, die Frauenkirche in Dresden ist noch eine Baustelle und Angela Merkel noch nicht Kanzlerin. Lo flunkert Schweizer Zollbeamte an, trinkt mit serbischen Schlafwagenschaffnern Rotwein, lässt einen Desertstorm GI ein eye auf ihren Rucksack haben, ruht sich auf der Schulter eines französischen Bassisten und Bäckers aus und verbringt eine paar Zugkilometer mit dem Poetry Slammer Thomas (der natürlich an einem Roman schreibt und gleich flatter- und sprunghaft ist wie Lo).

Lässt sich anfangs „Nicht-Intervention“ als Los Lebensmotto heraus lesen, so wandelt sie sich im Laufe der Reise langsam. Überrascht durch Spontaneität und Mut zu guten Taten. Lourdes-Wasser ins Tessin zu bringen, ist da noch eine der kleineren. Ein Café mit Buchhandlung und Bühne auf zu machen, wäre ein Grund irgendwo zu bleiben. Da ist aber noch eine andere Möglichkeit. Diese Kolumne für das Reisemagazin, die ihr die Reisebekanntschaft Julia angeboten hat. Vorerst aber wird weiter gereist. Warum? „Bloß weil sie schon wieder etwas leidlich Besonderes tun will. Bloß damit sie beim Frühstück danach erzählen kann.“ (S. 150, das bezieht sich übrigens auf Nachtschwimmen in Stella Mare, Italien)

Nein, so einfach ist das nicht. „Und potenzielles Glück ist überhaupt das verlässlichste.“ Los Reisen ist eine Schnitzeljagd und ein Ausschauhalten nach Zeichen. Nebenbei werden große Themen sprachlich sensibel und durchaus gewitzt abgehandelt. Die Heldin hat einen Sinn für Sprache und ein deklariertes Wortfaible. Sie sammelt Wörter auf einer Liste, Lebensmensch beispielsweise ist auf dieser Liste.

fern bleiben kann durchaus als Superlativ von „fern sehen“ betrachtet werden, „fern sein“, wäre dann vielleicht der Komparativ. Wie das zu verstehen ist? Da muss eingetaucht werden in Los Welt. Buch aufschlagen, Welt ausknipsen, für ein paar Stunden fern bleiben und sich gut aufgehoben fühlen zwischen den Zeilen, in den Kapitelabteilen und den Schriftzügen dieser wunderbar leichten, feinsinnig poetischen und sprachverliebt unterhaltsamen Geschichte.


Mittwoch, 21. April 2010

Schwierig ist auch nur ein Wort


Richard Obermayr: Das Fenster

Ich gebe es zu, ich hatte Angst. Zum Fürchten, was man da im Vorfeld vermittelt bekam und dann schaut der Autor auf dem Foto auch noch so grimmig.

Ach, hätte ich doch bloß die Rezensionen der Kolleginnen und Kollegen nicht gelesen. Jetzt fühle ich mich auf einmal verpflichtet, das Buch auch schwierig zu finden, beziehungsweise darauf hin zu weisen, dass es die Kritik vorwiegend als schwieriges Werk auf nimmt. Schwierig!? Dann schaut doch fern!

Herrgott, nur weil sich der Inhalt nicht so einfach nacherzählen lässt und man nicht auf vertraute Sprachbilder und bewährte formale Herangehensweisen stoßt, ist das doch nicht gleich schwierig. Ist anders immer gleich schwierig? Der Schwierig-Stempel für ein Buch ist so etwas wie die FSK ab 18 Jahren für einen Kinderfilm. Nein, Das Fenster ist natürlich alles andere als ein Kinderbuch aber der Held erlaubt sich sehr wohl die Unbeschwertheit eines Kindes zu haben, Fragen zu stellen und Bilder zu entwerfen, die man sonst momentan nirgendwo mehr findet. Nochmal Herrgott!

Ihr könnt lesen, ihr wollt euch auf etwas Neues einlassen, ihr habt Phantasie, oh, vermutlich hapert's daran. Wie auch immer: Wer lesen kann, der lese!


Dienstag, 20. April 2010

Klagenreich


Ach ja, in Klagenfurt war ja unlängst auch ein Slam!

Schön war's! Aber seht selbst: http://www.gedankenlos.at/

Klagenfurt ist natürlich auch schön, wie ihr selbst sehen könnt. Schon schön: Ö
Ööööö - schön!

Jetzt könnte man natürlich Musil, Bachmann, Jonke, Winkler, ja, gar Handke zitieren. Aber nein, ich drück euch die Goldenen Zitronen aufs Aug:

"Die Stadt, die die Klage schon im Namen trägt, harrte wie gebannt.",
singen sie in
Des Landeshauptmann's letzter Weg
auf Die Entstehung der Nacht. Und da haben sie wieder einmal mehrfach recht. Denn Klagenfurt schien wirklich nach einem Slam zu lechzen und wie eine Nacht entsteht, bzw. wie man sie zunichte macht, haben wir dann kollektiv demonstriert. Wenn bloß das Bier nicht ausgegangen wäre...

Montag, 19. April 2010

Himmlische Odeure



...sagt sich der Bieler Himmel und gibt sich unaufgeräumt

Allein dem Rumslammer, Bummler und Walserleser kann das alles nichts anhaben:Ohne Abgründe bleibt jeder Künstler nur etwas Halbes, ein geruchloses Treibhausgewächs.“
Abgründe die Menge und Gerüche auch, ja, auch ich mags dreckig und eine mehrtägige Slamtour versaut einen zuverlässig. Slam on!

Sonntag, 18. April 2010

Zeitalphabetabschluss


Gerhard Roth: Das Alphabet der Zeit (ab Seite 756)

Das Kapitel heißt „Tod“. Erstmal (1970) wird aber Erika geehelicht. 2001 soll diese Ehe dann durch seine Schuld in die Brüche gehen. Auch das Verhältnis zu den Eltern leidet:
„Meine Mutter und er misstrauten mir, da ich inzwischen Schriftsteller geworden war und sie befürchteten, eines Tages würde ich alle ihre Geheimnisse preisgeben. Vor allem meine Mutter lebte in der beständigen Furcht, ich könnte mein Wissen über die Familie in einem Buch veröffentlichen.“ (S. 774)
Nun ja, einiges kommt da schon zu Tage. Zum Beispiel weshalb Großvater auswanderte. Im Anhang schließlich wird dem Vater und der Mutter ein eigenes Kapitel gewidmet.
Diese Abschnitte sind genährt von historischen Zahlen, Daten und Fakten sowie einer unsentimentalen, nüchternen Analyse der jeweiligen Verhaltensweisen und münden in das knapp einseitig Kapitel „Liebesgeschichte“.

Da es sich ja um eine klar ausgewiesene biografische Arbeit handelt, ist die „Bilderzählung“ mit Porträts, Familienfotos, Dokumenten und Schnappschüssen aus den diversen Lebensabschnitten eine wirkliche Bereicherung und eine gelungene Abrundung des Buches. Fotoarbeiten von Gerhard Roth kann man aktuell auch im Wien Museum am Karlsplatz sehen. Da läuft grad die Ausstellung: Im unsichtbaren Wien. Fotonotizen von Gerhard Roth.