Freitag, 27. Mai 2016

Selbst wenn da nichts mehr ist, ist da noch immer Landschaft


Saana macht ganz schön was her
Das ist schon Norwegen
Crowd-Tag-4 (von Enontekiö nach Tromsø)

In Enontekiö könnten wir das Nordlicht sehen. Wir könnten Naturabenteuer eingehen und die klarste Luft Europas einatmen. In Enontekiö können wir nach Schweden und Norwegen sehen, aber immer noch in Finnland sein. Wir könnten Eis- und Fliegenfischen, Schneeschuhwandern und Schneescootertouren, wir könnten in den Flüssen raften und in den Fjorden lieben (also theoretisch), wir könnten aber auch eine Schule besuchen und dort am Europatag 17jährigen einen 75minütigen Vortrag über Europäische Literatur halten. Das machen wir. Acht PoetInnen könnten die Einstellung der SchülerInnen Literatur gegenüber für ihr ganzes Leben prägen. Das versuchen wir gut zu machen. Die SchülerInnen kommen hier aus einem 60 Kilometer Einzugsgebiet. Es wird auf Suomi und Finnisch unterrichtet. Wir sprechen Englisch. Wir stellten uns also vor. Wir sprechen über Idole. Wir nehmen uns ernst (nicht alle, aber manche sich sehr). Danach bekommen wir ein Essen in der Kantine (gesund und warm – kein Burger! Fisch und Gemüse). Autogramme müssen wir nicht geben.

Erster Auftritt erledigt, erster Grenzübertritt steht bevor. Die letzte Gelegenheit billigen Alkohol zu erstehen. Es wird uns sehr geraten, den Alko-Laden aufzusuchen sowie sich mit Lebensmitteln einzudecken. Ich konzentriere mich auf dunkle, grobe finnische Brötchen und stopfende Bananen. Mein Darm hält dicht, die Blase auch. Ich sollte in der gesamten Reise nie um Notdurftpause bitten müssen. Danke Verdauung (du bist mein bester Freund). 

Tromsø war toll – Løgn! Das Versversprechen leicht gebrochen. Leicht ist die abgespeckte Variante von vielleicht, das lässt sich leicht sagen. In Tromsø könnten wir mit den Hurtigruten Richtung Skjervøy weiter in See stechen. Ich kann um 17 Uhr Derrick im Fernsehen sehen (im Original und aus den 1980er Jahren) und mache das auch – ein Flashback-Vergnügen. Man kann sich aber auch in einer ehemaligen Metzgerei einfinden, um dort Gedichte zwar nicht auf Fleischerhaken gehängt, aber ins Galgenmikro gehaucht, zu lauschen. Für harte Knochen gibt's Handouts mit norwegischer Übersetzung.
Danach könnten wir uns im Science Centre oder in der Bibliothek verlustieren oder aber einfach in ein Irish-Pub mit 20 Bieren und 40 Monitoren, auf denen Eishockey übertragen wird, verlieren. Wir könnten uns ob des Preises (99 Kronen, das sind mehr als 10 Euro) empören. Wir, also ich, ich kann aber einfach mit einem Finnischen Kollegen ein Bier nach dem anderen wegsaufen und eine Freude daran haben, dass ich noch nie um so viel Euro an einem Abend Bier getrunken habe. Dass es am Ende nicht einmal dunkel, ich selbst aber durchaus zufriedenstellend betrunken war, freut und ist zumindest zum Teil einzigartig. Wir könnten lamentieren, dass uns die fehlende Dunkelheit nicht einschlafen lässt, wir können aber auch einfach noch ein Bier nachgießen und dann glücklich besoffen ins Smart-Hotel-Bett sinken. Was wir taten? Ihr dürft raten.

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