Dienstag, 3. Oktober 2017

Regenzeit ist Zitatzeit (plus ein eingenestroytes Couplet)

Wenn's regnet bei den Kattas. Wenn's regnet, was es nun mal momentan ganz gerne tut, dann treffen wir uns im Tiergarten bei den Kattas, denn denen kann man wettergeschützt beim Kuscheln zuschauen und das wärmt. Walter Benjamin schreibt in „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“ im Abschnitt Tiergarten: „Sich in einer Stadt zurechfinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.“ Mein Wald ist Wels. Meine Schulung mein StaTTschreiber-Aufenthalt. Mein Tiergarten der Welser Tiergarten. In einer halben Stunde beim indischen Pfau, sagte ich zum Deutschlandfunk Reporter, er lachte, verstand und war pünktlich. „Und die Nilpferde kochten in ihren Becken“ heißt ein Buch von William S. Burroughs und Jack Kerouac. „Die primitive Kunst der Zunge. Warum Laurie Anderson William S. Burroughs und Computer liebt“ heißt der Artikel, der gerade vor mir liegt. Ja, es regnet. Nein, keine Lust, auf Kattas. Besser im Schl8hof „Konkret“ aus dem Jahre 1987 lesen. „Der Grundlohn für Frauen betrug im Jahr 1939 nur 63 Cent gegenüber jedem Dollar, den ein Arbeiter verdiente. 1986 verdienen die Frauen 64 Cent gegenüber jedem Dollar eines Mannes. Das macht einen ganzen Penny in 40 Jahren. Ich habe ausgerechnet, daß wir im Jahr 3624 Parität erreichen wereden.“ Laurie Anderson äußerst sich aber auch darüber, dass sie die Schnelligkeit der Computer und einprägsame Stimmen liebt. Ein Plädoyer für die Oralität, für mündliche Literatur. Das kommt mir sehr entgegen, zumal ich seit 17 Jahren für mehr Oralität in der Literatur kämpfe.

Am Wochenende war ich übrigens auf einem Barbara-Frischmuth-Symposion im Kunsthaus Muerz in Mürzzuschlag und es traf sich, dass gleichzeitig die Steirischer-Herbst-Produktion „Die Kinder der Toten. Der große Dreh“ in Neuberg an der Mürz ihren Auftakt erlebte und da war ich untergebracht und was schreibt eine Gabriele Riedle 1987 im Konkret im Artikel „They call her Elfie“? „Elfriede Jelineks Texte sind feministisch, aber nicht so gemeint. Sie stylt nicht nur sich, sondern auch ihre Texte. Sie ist obszön, weil sie immer recht hat. (…) Die Aura der Künstlerin im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Das Intrview verspricht so die medientechnische Bannung des fernen und lederbemiederten Literaturstars mit dem Appeal der Madonna made in Hollywood ins heimatlich vertraute Votivbild einer blattgold-geschminkten Hausheiligen, geboren und in Gnade gefallen zu Mürzzuschlag/Steiermark anno 1946.“ 1987 – das war nach „Burgtheater“ und vor „Lust“. Das war im Jahr, in dem sie auch die Neubearbeitung „Präsident Abendwind“ des Nestroy Stückes „Häuptling Abendwind“ zur Aufführung brachte. Ich verbeuge mich vor Jelinek und Nestroy und bearbeite meinerseits neu.

HÄUPTLING ABENDWIND (ein Systemerhalter guter, alter, österreichischer Schule; ein sprachlicher Kompromissverschnitt aus Pröll & Häupl, Charme und Bauchstich; singt in Nestroy Couplet-Manier):

Mei Insel is ganz guat versteckt / Die liegt linksrechts von Lampedusa / Die hot vor über 100 Joahr der Franz Ferdinand entdeckt / Die ist seither a Abstellplotz für Loser
Mei Insel is mei home, my castle und mei Reich / I scheiß mi nix, i tua, i moch, i sauf wo immer i grod will / Und is aner von de Loser goar zu bleich / Donn friss i'ihn ratzteputz – ka Deal
Mei Insel is in letzter Zeit nur leider etwas oarm dran / Es gabert Trottel eh zwoar grod die Menge / Nur schickt uns Österreich weder Frau noch Mann / Die sog'n die Hypo-Pleite treibt sie in die Enge / I sog nur her mit oi de Wiarschtln / Mei Mog'n is no recht im Schuss / So long's an Spritzwein gibt zum Biarschtln / Beiß i in jeden Hypo-Wiarschtl-Fuß
So long's an Spritzwein gibt zum Biarschtln (in Udo-Jürgens-Mit-66-Jahren-Melodie) Is no long, long nit Schluss / (in Die-Welt-steht-auf-kan-Foll-mehr-long-Melodie) Long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long, long nicht Schluss



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