Samstag, 12. Juli 2014

Wie wir euch sehen

Durfte neulich bei der Ausstellung "Wie wir euch sehen" von Jay Finger, Gerlinde Gröllinger, Margit König, Renee Sillam und Ute Walter einen Wortbeitrag abliefern. Die Ausstellung läuft noch bis 25. Juli in der Quellenstraße 149, im 10. Bezirk. Vorher aber - an einem Freitagmorgen im Jänner - saß ich Modell und wurde porträtiert. Ich kannte niemanden und nützte die Gelegenheit, während ich gemalt wurde, über die Malerinnen zu schreiben. Es entstand folgender Text:

Mahlzeit zum Quadrat

Ute mit Hut trägt eine beängstigende Plastikschürze.
An malen habe ich dabei nicht gedacht – eher an schlachten.
Gerlinde vollführt ein graziles Pinselflorett, die Linke elegant am Rücken.
Margit redet viel und hat mir den Weg gewiesen.
Jay lugt immer wieder hinter der Staffelei hervor und mag meine Socken.
René mag meinen Mund. Mein Mund wird die Schinkenfleckerl mögen.
Vier von fünf tragen Schürzen.
Die Malschürze scheint den Malerinnen das zu sein, was mir der Morgenmantel ist.
Eine Malschürze verrät natürlich viel über einen. Eine Malschürze ist aussagekräftiger als ein gut gewartetes Facebook-Profil. Mit der Malschürze schlüpft man in eine andere Welt.
Mit dem Überstreifen der Malschürze legt man den Alltag ab beziehungsweise deckt ihn zu, um in die eigene Welt einzutauchen.
Mit dem Überziehen des Morgenmantels decke ich die Nacht zu und schlüpfe in den Tag.
Die Malschürze ist ein Ticket in die Innenwelt – losfahren muss man dann aber schon noch.
Um Fahrt aufzunehmen, muss Farbe aufgetragen werden.
Mit dem ersten Stricht beginnt die Reise ins Irgendwo.
Eine Malschürze kann verräterisch und aufschlussreich sein.
Eine Malschürze ist wohl auch so etwas wie eine Kuscheldecke.
Sobald sich die Malschürze an einen schmiegt, schmiert man ab, will heißen driftet man ab und taucht ein in die persönliche Welt, die es dann nur noch um- und aufs Blatt zu setzen gilt.
Mit dem Schreiben ist das ja ähnlich. Gut, ich kann schon auch ohne Morgenmantel – im Sommer. Aber vielleicht sollte ich mir auch eine Schreibschürze zulegen.
Vielleicht lässt sich die Muße mit einer Schreibschürze locken.
Vielleicht schaut sie dann öfter vorbei. Einen Versuch ist es wert.
Ab morgen werde ich mich wortlos in den Schreibschurz stürzen, auf dass der Schreibsteilflug beginnen möge und Schnitt und ab in die Gegenwart:
Aus der Küche die ersten Gerüche
Langsam krieg ich Schinkenfleckerlodeur induzierten Speichelfluss
und Schwierigkeiten beim Stillsitzen macht nur der überschlagene Fuß
Aus dem Gang Türglockenklang
Wer klopfet an?
Die Vicky – na dann – Klappe und Mahlzeit die zweite!

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